Wie habe ich mich darauf gefreut. Mittlerweile ist es fast ein Jahr her, seit ich den Seat Leon SC im Test hatte. Damals fragte ich mich, wann und mit wieviel Leistung der Cupra kommt. Ausserdem sind die Erwartungen an die Cupra-Variante hoch, hat sich doch der gar nicht so brave, zivile Leon schon sehr gut geschlagen.
Jetzt ist er da, der Cupra Testwagen, lackiert in einem speziellen Hellgrau, das eine Mischung aus Weiss und Hellblau zu sein scheint. So brav und unschuldig steht er da… Und genau das ist sein Problem. Die Erwartungen sind nämlich, dass er böse und verwegen ist – aber das ist er nicht. Zumindest nicht so sehr, wie ich es mir gewünscht habe.
Meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Warum? Weil der normale Leon schon fast zu viel des Guten ist. Als der neue Leon vorgestellt wurde, machte mein Herz einen kleinen Freudensprung: Gott, ist der heiss und scharf gezeichnet! Ganz klar der Heisssporn unter den Kompakten, viel emotionaler als die unterkühletn Modelle Golf und A3. Und der Cupra? Damit er überhaupt als solcher erkannt wird, muss man sich eine Lupe besorgen und das geht meiner Meinung nach gar nicht.
Bis auf andere Felgen, zwei Cupra Logos und leicht sportlichere Front- und Heckschürzen ist der Cupra ein normaler Leon. Sogar ein Golf R macht optisch mehr her – schade! Dabei könnte man aus der scharfen Grundform vom Leon so ein wunderbar böses, kantig-brachiales Design (siehe Leon Cup Racer) erschaffen, aber vielleicht bin ich auch der Einzige, der sich das wünscht…
Im Interieur verströmen Sportsitze (optional auch Schalensitze erhältlich), Alu-Pedalerie und ein optimistischer Tacho bis 300 km/h Sportfeeling. Ansonsten ist alles beim Alten geblieben: Ein schlichtes, übersichtliches und gut verarbeitetes Interieur. Nach wie vor vermisse ich jedoch hochwertigere Türverkleidungen und ein hochauflösenderes Display in der Mitte, da wirkt der jetzige Touchscreen etwas altbacken. Sehr schick und elegant sind dafür die Ambiente-Beleuchtung in den Türen und die LED-Innenraumbeleuchtung.
Auch als Cupra behält der Leon seine volle Alltagstauglichkeit bei, die Platzverhältnisse in der zweiten Reihe gehen völlig in Ordnung, Seat erspart den Mitreisenden eingeschränkte Kopffreiheit aufgrund einer extravaganten Dachlinie. Der Kofferraum fasst 380 – 1210 l und ist damit so gross wie derjenige des VW Golfs.
Beim Start des 2,0-Liter Turbomotors folgt gleich die nächste Enttäuschung: Dass es sich hier um ein Sportmodell handelt, wird akustisch nicht mal ansatzweise betont. Das Triebwerk schnurrt beim Start so friedlich vor sich hin, als wäre es sich gar nicht bewusst, dass es konstruiert wurde, um Leistung zu erbringen. Die technischen Daten lesen sich allerdings mit Genuss: 206 kW Leistung, 350 Nm fast übers gesamte Drehzahlband und abgeriegelte 250 km/h Spitze. Klingt vielversprechend!
Und um es vorneweg zu nehmen: Der Leon fährt sich gut. Er fährt sich schnell. Für einen Kompaktwagen mit Frontantrieb hat er ordentlich Druck und beschleunigt dank dem Vorderachs-Differential, welches die Kraft variabel zwischen den Vorderrädern verteilen kann, auch ansatzlos aus der Kurve heraus. Untersteuern? Nur im absoluten Extremfall. Zerren an der Lenkung kennt der Leon auch nicht, er fährt sich wunderbar präzise und neutral. Der Leon hat ein Problem, welches gerade ein südländisches Auto nicht haben sollte: Er berührt den Verstand, aber nicht das Herz.
Veranschaulicht bedeutet dies folgendes: Ich fahre eine Bergstrasse hinauf und hole alles aus dem Spanier heraus. «Wow, der ist ja richtig schnell!», denkt meine linke Hirnhälfte. Und meine rechte Hirnhälfte? Die wartet darauf, dass etwas Geiles passiert, worauf sie sich freuen kann. Es passiert aber nichts, oder zumindest nicht viel. Motorsound? Kaum vorhanden, dafür erfüllt ein unsäglicher Sound Aktor mit offensichtlich künstlichem Motorsound den Innenraum. Das manuelle Getriebe, welches eine intensivere Beziehung als ein Doppelkupplungsgetriebe ermöglicht, rettet die Situation auch nicht. Zu sanft ist das Getriebe, es müsste härter und knackiger sein, stattdessen lassen sich die Gänge fast mit dem kleinen Finger wechseln.
Anhand der hohen Fahrdynamik spürt man ganz klar, dass der Cupra sich als Sportmodell versteht. Aber man fühlt es nicht, er schafft es nicht, von meinem Herz Besitz zu ergreifen… Früher war auto emocion der Slogan von Seat, heute ist es Enjoyneering. Und dieses Kunstwort bringt den Charakter vom Leon Cupra auf den Punkt. Man geniesst den Fahrspass, den man dank ausgeklügelter Technik mit ihm geniessen kann, aber es fehlt der emotionsgeladene Begeisterungssturm danach. Es ist ein ähnliches Phänomen, welches ich bereits beim Audi A3 Cabrio erlebt habe. Beide sind wirklich gute Autos, aber es fehlt der bleibende Eindruck, dieses «das muss ich wieder erleben!»
Ich muss es nochmals erwähnen, der Leon Cupra ist wirklich nicht zu unterschätzen, im Cupra Modus ist er ein scharfes und präzises Gerät, die zusätzliche Kraft im Vergleich zum normalen Leon ist deutlich spürbar und wird zu 100% auf die Strasse gebracht. Dank dem adaptiven Fahrwerk fährt sich der Cupra im normalen Modus dafür angenehm sanft. Für die Langstrecke sind ausserdem Fernlichtassistent, aktiver Spurhalteassistent, Müdigkeitswarner und adaptiver Tempomat zum absoluten Schnäppchenpreis erhältlich. Ich würde völlig falsch liegen, würde ich dem Leon ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Ausserdem hält sich der Verbrauch angesichts der gebotenen Leistung in einem erfreulich niedrigen Rahmen: 7,8 l/100 km verlangte der Spanier im Test. Der Normverbrauch von 6,6 l/100 km ist – wie so oft – zu optimistisch.
Das Resultat seiner Arbeit kann sich wahrlich sehen und auf der Strasse spüren lassen – aber die Art und Weise, wie er seine Arbeit erledigt, passt mir einfach nicht: nämlich viel zu ruhig und unauffällig. Insofern ist der Leon Cupra ein Auto für alle, die gerne sportlich und unauffällig unterwegs sind. Von einer Krawallmaschine ist der Cupra nämlich weit, sehr weit entfernt. Die Hoffnung, dass doch noch eine besonders scharfe Cupra-Version herauskommt, besteht wohl kaum, weil es nicht sein darf, dass ein Leon plötzlich am Golf R vorbeizieht. Einerseits ist es vorteilhaft, dass Seat sich aus dem hochwertigen Volkswagen-Regal bedienen darf und viel Technik und Fahrspass zu einem Preis ab 37’900 CHF bietet – dafür gibt es die etwas schwächere Version mit 195 kW Leistung. Die stärkere Version kostet – wie getestet – 45’290 CHF, was ein äusserst fairer Preis ist. Andererseits wäre der Seat Leon Cupra ohne Volkswagen im Rücken vielleicht das geworden, was man von einem Spanier erwartet: Weniger technokratisch, etwas nachlässiger verarbeitet, aber dafür heiss und wild; ein Auto, das gebändigt werden muss.
Alltag ★★★★★
Obwohl der Cupra ein Sportgerät ist, leidet die Alltagstauglichkeit kein bisschen darunter. Das Platzangebot ist für einen Kompaktwagen völlig in Ordnung. Ausserdem ist der Cupra sanft zu fahren und bietet einige nützliche Assistenzsysteme.
Fahrdynamik ★★★★☆
Der Cupra ist schnell – auch wenn man das zu wenig spürt. Das Vorderachs-Differenzial zieht den Wagen förmlich um die Kurve, Lenkradzerren und Untersteuern kennt der Cupra nicht. Dazu kommt eine direkte und präzise Lenkung sowie eine standfeste Bremsanlage. Fehlt nur noch angemessener, sportlicher Motorsound. Der nicht deaktivierbare Sound Aktor ist eine Zumutung.
Umwelt ★★★★☆
Sportmodelle sind – mit Ausnahme von Plug-in-Hybriden – nie besonders sparsam. Insofern ist der Durst vom Cupra mit 7,8 l/100 km völlig in Ordnung.
Ausstrahlung ★★★★☆
Natürlich sieht der Leon Cupra umwerfernd aus, schliesslich schaut er einem normalen Leon zum Verwechseln ähnlich. Für einen Cupra ist er aber viel zu brav geraten.
Fazit ★★★★☆
+ Souveräner Antritt und Kraftentfaltung
+ Adaptives Fahrwerk, welches Komfort und Sport vereint
+ Direkte und präzise Lenkung
+ Kein Untersteuern, kein Lenkradzerren
+ Sehr fairer Preis
+ Assistenzsysteme günstig erhältlich
+ Gute Platzverhältnisse
+ Akzeptabler Verbrauch
– Schwacher Motorsound
– Katastrophaler Sound Aktor
– Design zu dezent
– Kleines und schwach aufgelöstes Infotainmentdisplay
– Billige Türverkleidungen
Steckbrief
Marke / Modell | Seat Leon Cupra 280 |
---|---|
Preis Basismodell / Testwagen | 37'950 CHF / 45'290 CHF |
Antrieb | Benzin, Frontantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1984 ccm / R4 |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Max. Leistung | 206 kW bei 5600 - 6500 r/min |
Max. Drehmoment | 350 Nm bei 1700 - 5600 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 5,9 s |
Vmax | 250 km/h |
Verbrauch NEFZ / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 6,6 l/100 km / 154 g/km / E |
Verbrauch Test / CO2 Emissionen / Differenz | 7,8 l/100 km / 182 g/km / + 18% |
Länge / Breite / Höhe | 4,27 m / 1,82 m / 1,44 m |
Leergewicht | 1395 kg |
Kofferraumvolumen | 380 - 1210 l |
(Bilder: Koray Adigüzel)
3 thoughts on “Seat Leon Cupra: Cooler Spanier”