Der Skoda Octavia RS ist nicht das Auto, das Herzen schneller schlagen lässt und einen in den Träumen verfolgt. Doch er verfügt zweifelsohne über eine riesige Bandbreite an Qualitäten und zusammen ergeben sie ein überzeugendes Gesamtpaket. Im Test zeigt der Benziner, warum er sich aus sportlicher Sicht nicht zu verstecken hat und warum andere Konzernbrüder ihn zu fürchten haben.
Bei Skoda geht es um Pragmatismus, dazu ist die Marke mit ihrem Slogan auch verpflichtet. Aber der Octavia ist ein Paradebeispiel dafür, dass man Praktikabilität auch hübsch verpacken kann. Eine aggressive Frontschürze, die spezifischen Felgen sowie die roten Bremssättel und die trapezförmigen Auspuffblenden (mit echten Rohren dahinter) kennzeichnen das RS-Modell.
Unauffällig, aber schick
Die Grundform ist nichts spezielles, der Octavia verzichtet auf unnötige Schnörkel oder eine keilförmige Silhouette. Aber die schwarzen Akzente an der Karosserie, die mit viel Liebe zum Detail gestalteten Lichter sowie die dezente Erscheinung sprechen dennoch für sich. Ein schickes, nicht protziges Design, das verdient anerkennendes Nicken.
Vom Billigheimer zum Premium-Geheimtipp
Von der nüchternen Sachlichkeit des Vorgängers hat man sich in der aktuellen Generation verabschiedet. Der jüngste Octavia RS begeistert mit Alcantara-Verkleidung, hübsch gestalteten Details, Klavierlack und viel Soft-Touch-Flächen. Die Verarbeitung ist exzellent und das gesamte Interieur wirkt mit den schicken Sportsitzen so wohnlich und hochwertig, dass ein Audi A3 dagegen alt aussieht. So viel zum Thema «Premium»…
Komfortabel – aber lärmig
Der Motor wird gestartet – und augenblicklich dröhnt, ja blubbert es schon fast im Octavia RS. Immer, wenn man denkt, schlimmer kann ein Sound Symposer nicht mehr werden: Doch, es geht schlimmer, nämlich hier. Was hier an «Motorklang» produziert wird, ist zum davonrennen, selbst ein Renn-Game aus den 90er Jahren für den Game Boy produziert besseren Klang als der Octavia RS. Schlimm im Normal-Modus, katastrophal im Sport-Modus, aber zum Glück im Individual-Modus deaktivierbar. Nervig ist, dass dieser nach jedem Motorstart erneut angewählt werden muss.
Aus dem richtigen Auspuff kommt dafür nullkommagarnichts an Sound. So, nachdem das Thema geklärt ist, können wir uns den Stärken des Tschechen widmen. Er dürfte im ganzen Auto-Universum das Modell sein, in welchem man puncto Fahrkomfort nichts vom RS-Dasein spürt. Das Auto ist leise, komfortabel und sanft. Das Getriebe arbeitet lieber mit dem Drehmoment und schaltet nur bei wirklich viel Gaseinsatz mehrere Gänge runter.
Alles dabei
Für den gemütlichen Ausflug ist der Octavia RS zudem voll ausgerüstet. Canton-Soundsystem für die Ohren, Massagesitze für den Rücken, Matrix-Fernlicht für die Augen und semi-autonomes Fahren zur Entspannung – wer’s denn braucht. Die Liste der Assistenzsysteme ist lang und lässt nichts missen, allerdings sind Spurhalte- und Notbremsassistent zuweilen gar sensibel. Jedenfalls gibt es keinerlei Anzeichen, dass Skoda auf irgendwas hätte verzichten müssen, um die Hierarchie mit VW und Audi nicht zu untergraben.
Mit vollem Einsatz dabei
Wenn man es dann plötzlich eilig hat, spielt der Octavia RS sehr lange mit. Mit der entsprechenden Einstellung federt das Fahrwerk ziemlich hart, was zu einer guten Stabilität in Kurven führt. Im Gegensatz zum Vorgänger spürt man mehr Feedback von Lenkung und Bremse und auch die Untersteuertendenz wurde reduziert. Allerdings tritt der RS-Schub erst bei rund 2800 Umdrehungen ein, vorher herrscht eine ziemliche Flaute.
Da dem Octavia RS ein Sperrdifferential fehlt, kommt die Vorderachse bei sportlichen Fahrten durchaus mal an Ihre Traktionsgrenze. Wer mit ESP Sport fährt, hinterlässt somit den einen oder anderen schwarzen Strich, was das Auto bestimmt nicht schneller macht, aber sehr zum Unterhaltungswert beiträgt. Letzterer ist allgemein überraschend hoch, denn die Spreizung zwischen sanftem Alltagskombi und Alltagssportler ist gross. Natürlich ist das alles nicht mit einem echten Sportwagen zu vergleichen, doch für einen Skoda geht her ziemlich die Post ab.
Den Preis wert
Nach dem Kodiaq RS, der zwar ein toller Allrounder, aber ein nicht wirklich sportliches SUV ist, war ich anfangs etwas skeptisch. Verkommt RS bei Skoda zur Ausstattungslinie mit Top-Motorisierung? Nein, zumindest beim Octavia RS mit Benziner nicht. Dem Diesel wird es oben raus an Leistung fehlen und der Plug-in-Hybrid mit dem mickrigen 1,4-Liter Motor und rund 170 Kilo Zusatzgewicht empfehle ich ohne ihn gefahren zu sein niemandem, dem der Fahrspass am Herzen liegt.
Als reiner Benziner wächst der Octavia RS dafür über sich hinaus und bietet Leistung und Fahrdynamik, die nicht jenseits von gut und böse sind, aber dennoch für gute Laune sorgen und zum einen oder anderen Umweg einladen. Darüber hinaus bietet der schnelle Tscheche eine Ausstattung, die in diesem Segment keine Wünsche mehr offen lässt. Was die Qualität angeht, so muss er sich auch vor keinem Audi im Kompakt-Segment verstecken. Das hat zur Folge, dass er mit einem Preis von 57’000 Franken zwar teurer geworden ist, aber den Aufpreis sieht und spürt man allen Orten. Er ist keine Emotionsgranate, dafür eine Alltagsgranate!
Alltag
Mit seinen gigantischen Platzverhältnissen kann der Octavia locker auch mit grösseren Autos mithalten. Dazu kommen die sehr tiefe Ladekante, der doppelte Boden im Kofferraum sowie zahlreiche Befestigungs- und Verstaumöglichkeiten und eine Anhängerkupplung. Ein wahrer Alltagsheld.
Fahrdynamik
So richtig bissig ist der Octavia RS nicht. Dazu fehlt ihm ein Sperrdifferential oder Allradantrieb. Dennoch kann man mit dem auf den ersten Blick unscheinbaren Kombi viel Fahrspass haben, da er über eine gute Balance und ein neutrales Handling verfügt. Das Doppelkupplungsgetriebe dürfte aber zackiger arbeiten.
Umwelt
Trotz 48-Volt-Bordsystem mit Segelfunktion ist der Octavia RS kein Sparfuchs. Mit mindestens sieben Litern muss man rechnen, im Test waren es 8,8 l/100 km.
Ausstrahlung
Der Octavia RS ist ein richtig hübscher Kombi, der zwar keine Köpfe verdreht, aber seinen Pragmatismus sehr chic einkleidet.
Fazit
+ Schlichtes, zeitloses Design
+ Sehr gute Verarbeitung
+ Tiefe Sitzposition, perfekt passende Sportsitze mit Massagefunktion
+ Gigantische Platzverhältnisse überall, tiefe Ladekante
+ Zahlreiche Simply-Clever-Lösungen
+ Grosse Spreizung der Fahrmodi
+ Formidabler Fahrkomfort
+ Präzise Lenkung, straffes Adaptivfahrwerk auf Wunsch
+ Gut nutzbares Drehmoment
+ Sehr gute Ausstattung
+ Fairer Preis
– Furchtbarer Sound Symposer im Normal- und Sport-Modus
– Teils verschachteltes und langsames Infotainmentsystem
– Notbremsassistent und Spurhalteassistent sind zu sensibel
– Motorsound quasi nicht vorhanden
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Skoda Octavia RS |
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Preis Basismodell / Testwagen | 46 390 CHF / 57 060 CHF |
Antrieb | Benzin, Frontantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1984 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe |
Max. Leistung | 180 kW bei 5000 r/min |
Max. Drehmoment | 370 Nm bei 1600 - 4300 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 6,7 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 7,3 l/100 km / 165 g/km / C |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 8,8 l/100 km / 199 g/km / +21% |
Länge / Breite / Höhe | 4,69 m / 1,83 m / 1,45 m |
Leergewicht | 1651 kg |
Kofferraumvolumen | 600 - 1550 l |
Bilder: Koray Adigüzel