Noch heute hat der südkoreanische Allradspezialist SsangYong noch nicht den Bekanntheitsgrad von Hyundai oder Kia. Wer daher völlig unwissend auf den SsangYong Rexton trifft, dürfte erstmal schwer beeindruckt sein: Ein riesiges SUV mit wertigem Ambiente, leistungsfähigem Allradantrieb, hoher Zugkraft und fairem Preis. Das Beste ist, dass der Schein nicht trügt. Was der Koreaner verspricht, hält er auch. Was er nicht verspricht, ist ein tolles Fahrverhalten – weil er es schlicht nicht kann.
Die Zeiten, in denen ein SsangYong ein fahrender Designunfall war, sind lange vorbei. Heute ist der Rexton ein adrettes, grosses SUV, das trotz seiner Grösse nicht zu klobig oder schwerfällig wirkt. Der Testwagen trägt ein wunderschönes Dunkelblau, doch leider trüben die kleinen Winterräder das Erscheinungsbild. Eigentlich wären 20-Zöller drauf und die stünden dem stattlichen SUV garantiert besser.
Klotzen, nicht kleckern
Beim Entern des riesigen SUVs wähnt man sich im ersten Moment in einem Premium-Gefährt. Grosszügiger Einsatz von gestepptem Leder sowie Zierelemente im Look eines Nadelstreifen-Anzugs verströmen ein wertiges Ambiente. Aber nicht nur der erste Eindruck überzeugt: Die Verarbeitungsqualität kann sich sehen lassen, die Materialien sind hochwertig und die Sitze sehr bequem.
Eigentlich selbstverständlich, aber einfach um es zu betonen: Der Rexton bietet gigantische Ausmasse im Innenraum. In Reihe zwei reist es sich fürstlich mit toller Kopf- und Beinfreiheit und selbst in der letzten Reihe haltet man es aus, wenn man nicht überdurchschnittlich gross ist. Wer lieber Raum für Gepäck oder sperriges benötigt, ist ebenfalls bestens bedient, denn der kubisch geformte Kofferraum ist riesig. Einzig die sehr hohe Ladekante mangels Luftffahrwerk kann dem Koreaner angekreidet werden.
Eile mit Weile
Nach wie vor setzt SsangYong auf Antriebstechnik von Mercedes aus vergangenen Tagen. Das 2,2-Liter Dieselaggregat wurde zwar überarbeitet und mit einer AdBlue-Einspritzung fit für Euro-6d-Temp gemacht, doch im Grunde ist der Motor ein altes Eisen. 420 Nm klingen zwar ganz schön ordentlich, doch stehen dem 2205 Kilo Gewicht gegenüber. Flottes voranschreiten wird also schwierig, erst recht, weil das 7-Gang-Getriebe die Gänge geschmeidig, jedoch ohne Hast wechselt. Ein Kickdown resultiert folglich in einem sehr brummigen Motor ohne überragenden Schub.
Das wäre soweit alles in Ordnung, schliesslich will und soll das praktische SUV kein Sportler sein. Aber muss das Handling gleich auf dem Niveau eines Frachtschiffes sein? Die viel zu leichtgängige und gefühllose Lenkung ist mehr ungefähre Kursangabe denn Präzisionsinstrument. Das Fahrwerk ist hinsichtlich der Geländetauglichkait sehr weich abgestimmt, was auf der Strasse bei zackigen Fahrmanövern schnell zu gefühlt hohem Wellengang führt. Die Karosserie schaukelt sich stark auf, was bei der stattlichen Höhe ein mulmiges Gefühl hervorruft. Hierbei von Handling zu sprechen, wäre vermessen.
Richtig schade wird es jedoch, wenn sich selbst der Fahrkomfort, was eigentlich die grösste Stärke des Rexton sein sollte, bloss als durchschnittlich entpuppt. Das Auto rumpelt ziemlich bockig über Unebenheiten, trotz der hohen Reifenflanken. Nur lange, sanfte Bodenwellen wie auf der Autobahn meister der Rexton bravourös, ansonsten erinnert der Abrollkomfort zu sehr an den Pick-Up Musso und das ist für ein SUV dieser Klasse schlicht zu hart. Immerhin kann der Rexton mit einer guten Geräuschdämmung punkten.
Viel fürs Geld, aber…
Auf der technischen Haben-Seite stehen ein Tot-Winkel-Warner, ein 360°-Kamerasystem sowie ein Spurhalteassistent, der allerdings bloss warnt. Weitere Assistenzsysteme stehen nicht zur Verfügung, dafür ein Drehschalter für den Allradantrieb: Reiner Heckantrieb, variabler Allradantrieb sowie eine 50:50-Sperre stehen zur Wahl, womit der Rexton selbst bei widrigen Verhältnissen gut zu Recht kommen sollte. Was sich dafür puncto Verbrauch rächt, ist das Alter des Motors. Obwohl ich im Test ausschliesslich mit Heckantrieb, ohne Beladung und ohne Hast unterwegs war, verbrauchte das angestaubte Daimler-Aggregat 9,1 l/100 km. Für diese Leistungsklasse eindeutig zu viel.
Schlussendlich punktet der Rexton vor allem durch sein Raumangebot, die Zugkraft und den ausgeklügelten Allradantrieb. Das gibt es bereits zu einem Preis von rund 54’000 Franken inklusive einer ansehnlichen Komplettausstattung. Ein SUV dieser Grösse ist für diesen Preis praktisch konkurrenzlos. Dafür muss man allerdings einige Abstriche in Kauf nehmen. Der Abrollkomfort lässt zu Wünschen übrig und der Verbrauch ist zu hoch. Ausserdem ist der Rexton einer der grössten Sportmuffel, der mir je untergekommen ist. Wer sich damit arrangieren kann, bekommt dafür sehr viel Nutzwert fürs Geld geboten.
Alltag
Mit Platz ohne Ende, variablem Sitzkonzept, 3,5 Tonnen Anhängelast, performantem Vierradantrieb sowie hoher Geländetauglichkeit ist der koreanische Riese für sämtliche Aufgaben bestens gerüstet. Tüpfchen auf dem i: Angesichts seiner Grösse ist er gar nicht mal so unhandlich. Passt!
Fahrdynamik
Was dafür viel weniger passt: Gefühllose Lenkung, massive Seitenneigung, lahmes Automatikgetriebe. Der Rexton ist ein richtig träger Brocken und passt nur zu Leuten, die das Auto als Beförderungsmittel von A nach B oder als Arbeitstier sehen. Fahrspass gleich null.
Umwelt
Erhebliches Temperament kann man dem betagten 2,2-Liter Vierzylinder-Diesel aus dem Mercedes-Regal nicht bescheinigen. Wohl aber einen starken Durst: 9,1 l/100 km sind für eine durchs Band gemütliche Fahrweise für diese Motorleistung einfach zu viel. Da verbrauchen selbst moderne Sechszylinder weniger.
Ausstrahlung
Mittlerweile baut SsangYong ganz adrette Autos. Besonders auffällig oder schick ist der Rexton aber nicht designt.
Fazit
+ Extrem geräumiger Innenraum
+ Schickes Interieur mit gesticktem Leder, gute Verarbeitungsqualität
+ Bequeme Sitze mit Heizung und Lüftung, top Ergonomie
+ Sehr hohe Anhängelast
+ Manuell zuschaltbarer Allradantrieb mit Sperre
+ Fairer Preis
+ Gute Geräuschdämmung
+ Zuverlässige Assistenzsysteme
+ Akzeptabler Wendekreis
– Infotainmentsystem nicht ganz logisch aufgebaut, teilweise träge
– Relativ hoher Verbrauch
– Holpriger Abrollkomfort
– Null Fahrdynamik aufgrund enormer Seitenneigung und gefühlloser Lenkung
– Veraltete Antriebstechnik
– Brummiger und rauer Motorlauf
– Halogen-Fernlicht bei Xenonabblendlicht
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | SsangYong Rexton |
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Preis Basismodell / Testwagen | 34 990 CHF / 54 662 CHF |
Antrieb | Diesel, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 2157 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 7-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 133 kW bei 4000 r/min |
Max. Drehmoment | 420 Nm bei 1600 - 2600 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 11,7 s |
Vmax | 185 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 8,3 l/100 km / 218 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,1 l/100 km / 239 g/km / +10% |
Länge / Breite / Höhe | 4,85 m / 1,96 m / 1,83 m |
Leergewicht | 2205 kg |
Kofferraumvolumen | 777 - 1806 l (7-Plätzer) |
Bilder: Koray Adigüzel