Nach wie vor ist die Marke SsangYong längst nicht allen ein Begriff. Und wenn doch, dann verknüpft man die Marke mit hässlichen Reisschüsseln. Doch bereits mit dem Korando, der hin und wieder auf der Strasse zu sehen ist, haben die Südkoreaner einen gelungenen Neustart an den Tag gelegt. Der neue Tivoli könnte das Zeugs haben, zumindest aus Sicht von SsangYong, zum Bestseller zu werden. Der Fortschritt der Marke ist enorm gut spürbar und während die meisten Hersteller die Tendenz haben, ständig ein wenig teurer zu werden, ist der Tivoli sehr günstig, ohne billig zu sein.
Schön, hat SsangYong den Mut gehabt, dem Tivoli kein 08/15 Blechkleid zu schneidern. Der Kleine fällt auf, hat kecke Rundungen, klar definierte Linien und eigenwillige Scheinwerfer. Ob er schön ist? Nun ja, meinen Geschmack trifft er zwar nicht ganz, aber er exponiert sich mit seinem Design. Genau das gefällt mir, denn was SsangYong als aufstrebende Marke nicht brauchen kann, ist irgend ein Mauerblümchen, das niemand wahrnimmt. Ich kann es nur nochmals betonen: die Zeiten, in denen ein SsangYong per Definition hässlich war, sind schon lange vorbei.
Doch ein lässiges Design alleine macht noch kein gutes Auto aus und das wissen die Südkoreaner ebenfalls. Der Innenraum kann sich ebenfalls mehr als nur sehen lassen. Die Fortschritte, welche die Marke in Sachen Materialanmutung und Verarbeitung gemacht hat, sind gewaltig. Wenn ich den Blick durch das Interieur streifen lasse und die Oberflächen berühre und abklopfe, finde ich praktisch überall hochwertigen Kunststoff vor. Neben einem Hyundai oder Kia braucht sich der Tivoli keineswegs zu verstecken.
Besonders positiv sind mir die Platzverhältnisse aufgefallen. Obwohl der Tivoli mit seinen 4,20 Meter Länge kleiner als ein Golf ist, können selbst zwei über 1,80 Meter grosse Personen bequem hintereinander sitzen. Keine Probleme mit den Knien, dem Kopf, oder dem Ellbogen: Platz ist im Tivoli reichlich vorhanden. Dazu kommt, dass die straff gepolsterten Sitze sehr bequem sind und für ein SUV ungewöhnlich guten Seitenhalt bieten. Doch damit nicht genug: In der höchsten Ausstattungslinie geniesst der Fahrer sogar eine Lenkradheizung, eine elektrische Sitzverstellung sowie eine Sitzventilation (!). Der Beifahrer hat immerhin noch eine Sitzheizung.
Aber irgendwo muss eben immer gespart werden. So entsteht beispielsweise beim Umklappen der Rückbank eine gewaltige, unschöne und unpraktische Stufe im Ladeboden. Dass das Lenkrad nur in der Höhe verstellbar ist, sollte in einem neuen Auto einfach nicht mehr der Fall sein, das geht gar nicht. Des Weiteren ist das Freisprech-Mikrofon gut sichtbar neben dem Innenspiegel befestigt und nicht im Dachhimmel versteckt. Allerdings muss sparen nicht immer schlecht sein. SsangYong hat offensichtlich auf die Entwicklung eines eigenen Infotainmentsystems verzichtet und setzt auf eine Lösung von Pioneer. Dieses System macht einen hervorragenden Job, ist aufgeräumt und intuitiv.
Einen hervorragenden Job hat auch SsangYong gemacht und zwar, was das Handling betrifft. Meine letzten SsangYong Testwagen, der Korando und der Rexton W, waren in etwa so präzise zu lenken wie ein Ruderboot. Im Tivoli kann man nun nicht nur die Unterstützung der Servolenkung in drei Stufen anpassen, auch das Lenkgefühl ist um Welten besser. Eine weitere Premiere ist der optionale Allradantrieb. Nicht in dem Sinne, dass erstmals ein Allradantrieb bei SsangYong verfügbar ist, sondern umgekehrt. Erstmals ist ein SsangYong auch nur mit Frontantrieb erhältlich, so, wie es bei meinem Testwagen der Fall ist.
SsangYong versteht sich als Allradspezialist, aber gerade weil Kompakt-SUVs teilweise bloss aufgrund des Designs oder der Platzverhältnisse gekauft werden, bietet auch SsangYong den Tivoli bloss mit Frontantrieb an. Mein Testwagen ist also ein Diesel, handgeschaltet und mit Frontantrieb. Es ist auch ein Benziner erhältlich, ausserdem ist für beiden Motoren nebst dem Allradantrieb auch ein Automatikgetriebe optional erhältlich. Allerdings ist der Benziner ein kleiner Sauger mit chronischer Durchzugsschwäche und nach meiner Erfahrung mit dem Suzuki Vitara mit einem ähnlichen Motor, rate ich dringendst davon ab, zum Benziner zu greifen.
Der Diesel sorgt im kleinen und leichten Tivoli für genügend Schub. Das Fahrwerk ist eher auf der straffen Seite, sodass der Tivoli sich präzise fahren lässt und nicht sofort anfängt zu schaukeln, wenn man zügig um eine Kurve fährt. Mit früheren SsangYongs hätte ich mich nicht getraut, schnell in eine Kurve zu fahren, da man Seekrank wurde… Der Tivoli ist da viel knackiger. Bei höheren Drehzahlen wird der Motor jedoch rau und scheppert deutlich hörbar in den Innenraum. Dies ist aber zu verkraften, da er bei gleichmässiger Fahrweise ruhig ist. Ebenfalls erfreulich ist der genügsame Verbrauch von nur 5,3 l/100 km, wobei ich es nicht richtig finde, dass die Start-Stopp-Automatik Aufpreis kostet. Wenn man so ein System schon hat, dann gehört es serienmässig ins Auto.
Was SsangYong jedoch nicht hat – und beim Preis vom Tivoli auch verständlich ist – sind Assistenzsysteme jeglicher Art. Er hat schlicht nichts zu bieten, wobei ich auch kein System wirklich vermisst habe. Um ein Assistenzsystem zu mögen, muss es absolut ausgereift und zurückhaltend agieren – anstatt also irgend ein billiges System einzubauen, ist es womöglich ganz gut, dass SsangYong ganz darauf verzichtet hat.
Sensationell finde ich den Preis. Einen Basis-Tivoli für 16’900 Franken (mit Benziner) fände ich wahrscheinlich nicht so toll, aber der Testwagen bietet mit 27’390 Franken ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis. Ausserdem ist die Aufpreisliste sehr kurz. Der Tivoli ist somit das Richtige für alle, die ein gutes und günstiges Auto ohne zu viel technischen Schnickschnack suchen. Während ich bei den früheren SsagYongs noch gewisse Vorbehalte hatte, kann ich den neuen Tivoli uneingeschränkt empfehlen. Well done, SsangYong.
Alltag
Der Tivoli ist aussen klein, aber innen ganz gross. Die Platzverhältnisse sind gewaltig! Zudem ist der Tivoli im Alltag sparsam und gemütlich. Lediglich die krasse Stufe bei umgeklappter Rückbank ist unschön.
Fahrdynamik
Natürlich hat der Tivoli mit Sportlichkeit nichts am Hut, doch sein Handling ist besser als jenes mancher andern kleiner SUVs. Vor allem ist eine deutliche Verbesserung gegenüber früheren SsangYong-Modellen spürbar.
Umwelt
5,3 l/100 km als Testverbrauch können sich sehen lassen. Im Sommer wären wahrscheinlich ohne Probleme weniger als 5 Liter drin. Aber: Eine Start-Stopp-Automatik als Aufpreis anzubieten, ist daneben.
Ausstrahlung
Der Tivoli hat ein aussergewöhnliches, auffälliges Design und das ist gut so. So fällt die nach wie vor unbekannte Marke SsangYong wenigstens auf.
Fazit
+ Sehr geräumiger Innenraum
+ Gute Verarbeitung
+ Intuitives und schnelles Mediasystem
+ Tiefer Verbrauch
+ Sensationelles Preis-Leistungs-Verhältnis
+ Bequeme Sitze mit gutem Seitenhalt
+ Gutes Handling
+ Insgesamt ein massiver Fortschritt gegenüber älteren SsangYong-Modellen
+ Fairer Preis
– Sehr knattriger Motor bei starker Beschleunigung
– Lenkrad nur in Höhe verstellbar
– Riesige Stufe bei umgeklappter Rückbank
– Sparmassnahmen an gewissen Stellen sichtbar
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell SsangYong Tivoli Preis Basismodell / Testwagen 18 900 CHF / 27 390 CHF Antrieb Diesel, Frontantrieb Hubraum / Zylinder 1597 ccm / R4 Motoranordnung / Motorkonzept Frontmotor / Turbomotor Getriebe 6-Gang manuell Max. Leistung 85 kW bei 3400 - 4000 r/min Max. Drehmoment 300 Nm bei 1500 - 2500 r/min Beschleunigung 0–100 km/h 11,9 s Vmax 175 km/h NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz 4,3 l/100 km / 113 g/km / A Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz 5,3 l/100 km / 139 g/km / +23% Länge / Breite / Höhe 4,20 m / 1,80 m / 1,60 m Leergewicht 1355 kg Kofferraumvolumen 423 - 1115 l
(Bilder: Koray Adigüzel)
Hatte den Ssangyong Tivoli auch bei einer Probefahrt und dann noch als Mietwagen ausprobiert, war auch sehr positiv ueberrascht, da guenstig und gut!