Ich bin nicht der Typ, der ein Auto im Test regelrecht auseinander nehmen würde. Dachte ich bisher zumindest. Dann habe ich den Suzuki Vitara abgeholt. Dieses Auto hat Seiten in mir geweckt, ich wusste gar nicht, dass die in mir schlummern! Bereits als mir das Automatikgetriebe aufgefallen ist, schwante mir Übels. Dann habe ich den Drehzahlmesser angeschaut und mir wurde klar: Mit diesem Auto werde ich mich nie im Leben anfreunden. Wie gesagt, eigentlich bin ich nicht auf Vernichtung aus. Aber wenn man mir eine solche Steilvorlage auf gut Deutsch zum Frass vorwirft, dann kann ich für nichts mehr garantieren.
Mir ist bewusst, dass ich den Vitara in den folgenden Absätzen auf seinen Antrieb reduziere. Aber Hand aufs Herz: Der Antrieb ist nun mal zentrales Element eines Autos. Das Auto als solches kann noch so genial sein, wenn der Antrieb scheisse ist, geht alles andere irgendwie unter. Deshalb empfinde ich meine harten Worte, die nun folgen, gerechtfertigt. Es wird jetzt erst einmal ziemlich hässlich, bevor am Ende dann ein paar versöhnliche Worte folgen.
Meine beiden drängendsten Fragen sind folgende:
1.) Warum wird so ein Schrott im Jahr 2015 noch verkauft?
2.) Wer kauft diesen Schrott? Hoffnungslos verzweifelte Masochisten?
Ich für meinen Teil zähle mich nicht zur im zweiten Punkt erwähnten Zielgruppe, weshalb ich durch die Qualen, welche vom Vitara ausgehen, keine Befriedigung empfinde, sondern nur eines: Hass. Müsste ich meine Gefühle durch ein Lied ausdrücken, dann wäre es die erste Minute des folgenden Tracks:
Die Wurzel allen Übels ist ein 1,6-Liter Sauger, der an ein antiquiertes Automatikgetriebe gekoppelt ist. Ein dermassen lethargisches Aggregat ist mir in meiner Laufbahn als Autoblogger noch niemals untergekommen und das Automatikgetriebe verschärft die ohnehin schon prekäre Situation zusätzlich. Wer Tempo 50 nie überschreiten würde, könnte noch einigermassen anständig damit leben. Aber die Beschleunigung ist so unglaublich zäh, dass ich mehrmals das Gefühl hatte, irgendetwas blockiert das Gaspedal. Gott, bis nur schon 90 km/h erreicht sind schläft mir das Gesicht ein! Dabei kommt erschwerend für den Vitara hinzu, dass ich ein zügiger Fahrer bin und Schnarchnasen auf der Strasse einfach überhole, oder, besser gesagt, überholen würde. Denn mit dem Vitara habe ich niemanden überholt, weil, naja, mein Leben ist mir doch einiges wert. Wenn ich mit dem Vitara zum Überholen ansetzen würde, könnte ich genauso gut von der nächsten Brücke springen. Beides würde kein gutes Ende nehmen. Ich dachte eigentlich schon, mehr aufregen kann ich mich nicht, aber zu diesem Zeitpunkt war ich noch nicht auf der Autobahn.
Selbstverständlich benötigt der Vitara eine gefühlte halbe Stunde, bis er Tempo 130 erreicht, etwas anderes habe ich auch gar nicht erwartet. Aber dann kann ich den adaptiven Tempomat (ja, dies ist ein subtiles Lob in der Vernichtungsphase) auf meine 130 km/h setzen und einigermassen entspannt meinem Ziel entgegen fahren. Doch ich musste mich eines schlechteren belehren lassen. Niemals hätte ich gedacht, dass ich derartige Hassgefühle gegenüber einem Auto empfinden kann. Aber ich kann es. Das Problem: Ich fahre auf jemanden zu, der langsamer als 130 fährt und werde durch den adaptiven Tempomat abgebremst. So weit, so gut. Dann ist die Spur wieder frei und der Vitara muss zurück auf 130 beschleunigen. Und das ist… es ist ein Trauerspiel. Das Getriebe schaltet zurück in den 4. Gang, der Motor dröhnt und dennoch geht es kaum vorwärts. Da mich das Gedröhne wütend macht, wähle ich den manuellen Modus und will einfach im 6. Gang bleiben. Aber das Getriebe übersteuert sogar den manuellen Modus und wirft eiskalt gegen meinen Willen den vierten Gang rein. Wenn von Tempo 80 auf 130 beschleunigt werden, oder der Vitara eine Steigung hochfahren muss, wird gerne auch der dritte Gang verwendet und meine Nerven sind angesichts der vollen Dröhnung Motorgedröhne nur noch am Schreien. Hätte die Elektronik nichts dagegen, das Getriebe würde wahrscheinlich noch den ersten Gang reinwerfen. Wenn ich mein Leben nicht gefährden würde, würde ich dieses Folterinstrument zu einem Auto am liebsten gegen die nächste Wand fahren.
So, okay. Jetzt erstmal tief durchatmen und entspannen. Mal abgesehen vom fatalen Fehler, diese Motor-Getriebe-Kombination überhaupt anzubieten, macht Suzuki beim Vitara auch einiges richtig. Er passt von seiner Grösse her wunderbar ins boomende Kompakt-SUV-Segment und verzichtet weitgehend auf Design-Spielereien, was bedeutet, dass der Innenraum geräumig und bequem ist. In der Sergio Cellano Variante sind die Sitze mit feinem Velours und Leder bezogen, doch leider ist Suzuki bei der restlichen Einrichtung des Innenraums eher pragmatisch. Zwar werten eine analoge Uhr und auf Wunsch farbige Zierelemente das Interieur auf, ansonsten dominiert aber vor allem Hartplastik mit einer eher mässigen Verarbeitung. Ab und an knarzt schon mal was während der Fahrt. Cool ist dagegen das moderne und simple Infotainmentsystem, welches Apple CarPlay unterstützt. Doch auch die eingebauten Features, wie beispielsweise die Navigation, überzeugen durch schöne Darstellung und intuitive Bedienung. Im grossen und Ganzen ist das Interieur jedoch eher funktional und übersichtlich gestaltet. Ich persönlich finde, es wäre vor allem an der Zeit, die Instrumente samt pixeligem Infodisplay und den fürchterlichen Drehrädchen zu ersetzen. Wir sind nicht mehr in den 90er Jahren…
Natürlich habe ich zeitweise auch versucht, den Antrieb auszublenden und den Vitara einfach als Auto zu betrachten. Fahrdynamisch hat er selbstverständlich nicht viel am Hut, die Lenkung ist mässig präzise und das Fahrwerk schaukelt die Karosserie bei hastiger Kurvenfahrt rasch auf. Das ist soweit okay, der Vitara ist schliesslich kein Sportler. Störender finde ich eher, dass auch der Komfort nicht der Beste ist. Das Fahrwerk ist eher holprig und vor allem kurze Stösse werden sehr hart durchgegeben. Ein geschmeidigeres Abrollen wäre wünschenswert.
Am meisten positiv überrascht hat mich, nebst dem tollen Multimediasystem, der adaptive Tempomat. Ich habe schlicht nicht erwartet, dass a) Suzuki so ein System im Angebot hat und b) er so gut funktioniert. Wäre nicht der fürchterliche Antrieb unter der Haube, könnte man im Vitara trotz Windgeräuschen eine längere Autobahnetappe schön entspannt in Angriff nehmen. Der Notbremsassistent hingegen ist nervig. Er reagiert viel zu früh mit einem aufdringlichen Piepsen und er muss nach jedem Motorstart erneut deaktiviert werden. Bitte das Teil etwas nachsichtiger programmieren. So ein System muss nur zwei Mal während einer Fahrt vergebens piepsen und schon wird es vom Fahrer genervt deaktiviert. Aber irgendwann – wir hoffen natürlich nicht, aber man weiss ja nie – kommt der Moment, bei dem man tatsächlich abgelenkt ist und den Assistenten benötigen würde… Nur ist der dummerweise deaktiviert, weil er ansonsten gefühlte 100 Mal umsonst genervt hätte. Ebenfalls nicht so toll finde ich, dass das Abblendlicht zwar vom schönen LED-Scheinwerfern übernommen wird, das Fernlicht jedoch von Halogenscheinwerfern. Das ergibt einen unschönen Farbmix, ausserdem bleibt der erhoffte «Weitblick» durch das Fernlicht aus, weil Halogenlicht einfach viel schwächer als LED-Licht ist.
Ganz am Schluss sollte ich vielleicht noch die Frage beantworten, ob der Vitara sein Geld wert ist. Nun… Für diesen Folter-Antrieb sollte eigentlich der Käufer bezahlt werden, damit er sich das antut. Aber es gibt zum Glück auch noch einen Diesel mit manuellem Getriebe. Dessen Preisrange bewegt sich zwischen 30’990 und ca. 38’000 Franken, wenn man «einmal mit allem, bitte» bestellt. Damit ist der Vitara nicht so günstig, aber ein solides, vernünftiges Auto. Ich weiss, angesichts meiner Hasstirade in der ersten Hälfte hätte ich selber nicht gedacht, diese Adjektive im selben Text noch zu erwähnen… Aber der Vitara soll seine zweite Chance kriegen. Ab März 2016 ist nämlich ein Turbobenziner erhältlich und der wird mich hoffentlich milder stimmen.
Alltag
Grundsätzlich gibt es an der Alltagstauglichkeit vom Vitara nichts zu kritisieren. Allerdings fallen die Windgeräusche auf der Autobahn und die holprige Federung mit der Zeit negativ auf.
Fahrdynamik
Ein paar Worte zur Fahrdynamik werde ich dann beim Vitara mit Turbobenziner verlieren. Weil, wenn ich jetzt wieder anfange über den Antrieb zu schreiben…
Umwelt
Der Dieselmotor wirkt mit einem Normverbrauch von nur 4,2 l/100 km (mit Allradantrieb, wohlgemerkt) – zumindest auf dem Papier – vorbildlich. Dass sich der chronisch überforderte Benziner 7,0 l/100 km genehmigt, ist hingegen alles andere als vorbildlich.
Ausstrahlung
Von vorne wirkt der Vitara ganz ansehnlich, aber warum wirkt das Heck so verwechselbar und austauschbar? Ohne Suzuki-Logo wüsste man kaum, was man hier vor sich hat.
Fazit
+ Geräumiger Innenraum
+ Modernes und intuitives Infotainmentsystem
+ Gut funktionierender adaptiver Tempomat
+ LED Abblendlicht
+ Gute Übersicht
– Unbrauchbare Antriebskombination – in jeder Hinsicht
– Holprige Federung
– Viel Plastik im Innenraum
– Mässige Verarbeitungsqualität
– Halogen-Fernlicht
– Überempfindlicher Notbremsassistent
– Hohe Windgeräusche auf der Autobahn
Mängel am Testwagen
– Zeitweise Unsicherheit, ob überhaupt ein Motor unter der Haube steckt… Nein, Spass bei Seite. Keine Mängel.
Steckbrief
Marke / Modell Suzuki Vitara Preis Basismodell / Testwagen 22 900 CHF / 36 890 CHF Antrieb Benzin, Allradantrieb Hubraum / Zylinder 1586 ccm / R4 Motoranordnung / Motorkonzept Frontmotor / Saugmotor Getriebe 6-Gang Automatikgetriebe Max. Leistung 88 kW bei 6000 r/min Max. Drehmoment 156 Nm bei 4400 r/min Beschleunigung 0–100 km/h 13,0 s Vmax 180 km/h NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz 5,7 l/100 km / 131 g/km / D Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz 7,0 l/100 km / 161 g/km / +23% Länge / Breite / Höhe 4,18 m / 1,78 m / 1,61 m Leergewicht 1320 kg Kofferraumvolumen 375 - 1120 l
(Bilder: Suzuki)
Ist ja wohl ein Witz wenn man einen Automaten fährt und die Fotos eine Gangschaltung zeigen. Passt gar nicht und mit Fotos aus der Pressedatenbank sollten Autotester auch nicht arbeiten, sonst sieht das nicht nach offiziellem Test aus.
Du hast recht. Ich habe aus zeitlichen Gründen die Fotos aus der Presse-DB gewählt. Normalerweise mache ich eigene Fotos.