Toyota bZ4X: Ist anders gleich besser?

Es ist schon erstaunlich, dass Hybrid-Pionier Toyota so lange mit reinen Elektroautos fremdelte. Wie man in den Meiden liest, ist sich die Toyota-Führung nach wie vor nicht schlüssig, ob Elektroautos der richtige Weg sind. Ich finde diese Haltung sehr löblich, denn europäische Hersteller beugen sich der hiesigen Politik und preisen die Elektromobilität als das Mass aller Dinge an, obwohl kaum ein Hersteller die aus freien Stücken macht. Anyway, Erstlingswerk der Japaner ist der bZ4X, ein Kooperationsprojekt mit Subaru, wo das praktisch baugleiche Auto als Solterra zur Verfügung steht. Was steckt also hinter dem sperrigen Namen?

Optisch geht Toyota neue Wege, genauso wie bei der Namensgebung. bZ steht für beyond Zero, während die 4 für die Fahrzeuggrösse und das X für Allradantrieb steht. Sollte es dereinst einen bZ6X geben, so wäre das ein grosses SUV und ein bZ2 wäre quasi ein elektrischer Yaris. Der bZ4X ist ein Crossover mit kantigem Design und markanten Plastik-Beplankungen, welche dem Wagen ein robustes und auch futuristisches Äusseres verleihen. Gegen Aufpreis lässt sich aber alles in Wagenfarbe lackieren.

2022 Toyota bZ4X
Das kantige Design gefällt. Wer es weniger heftig mag, kann alles in Wagenfarbe ordern.

Die Sache mit der Lenkung

Das Interieur hinterlässt verschiedene Eindrücke. Auch beim Cockpit geht Toyota neue Wege und setzt das Infodisplay sehr hoch und das Lenkrad eher niedrig an, ähnlich, wie es Peugeot zurzeit baut. Ausgerichtet ist das Ganze für ein Yoke-Lenkrad, welches allerdings an eine Steer-by-Wire Lenkung (rein elektronische Lenkung ohne mechanische Verbindung) mit weniger als einer ganze Umdrehung pro Seite gekoppelt werden soll, welche noch nicht homologiert ist. Alle, die jetzt laut «aber Tesla hat es geschafft!» brüllen wollen: Die Amerikaner setzen nach wie vor auf eine mechanische Lenkverbindung. Nichtsdestotrotz hätte Toyota die Angelegenheit beschleunigen können, denn Infiniti hatte eine Steer-by-Wire Lenkung bereits vor einigen Jahren im Q50. Toyota betritt also kein Neuland. Anyway, zurzeit muss man mit einem konventionellen Lenkrad vorliebnehmen, was möglicherweise eine ungewohnte Lenkrad-Positionierung erfordert, aber im Grund ganz gut funktioniert.

2022 Toyota bZ4X
Das aufgesetzte Cockpit ist fürs Yoke-Lenkrad konzipiert. Funktioniert aber auch so.

Elektro-Vorteile ausgenutzt

Das Interieur selber ist sehr geräumig, was am ausgesprochen kurzen Vorderwagen liegt. Auch fühlt such das Platzangebot überall sehr luftig an, da das grosse Glasdach viel Licht durchlässt. Ob die Mittelkonsole vorne so wuchtig ausfallen musste, sei jetzt mal dahingestellt. Die Sitze sind sehr komfortabel und auch mit einer Sitzventilation versehen. Das Infotainmentsystem hat bei den Japaner auch einen grossen Schritt nach vorne gemacht. Es ist intuitiv, reagiert flüssig und bietet eine gelungene Online-Navigation sowie Sprachsteuerung.

2022 Toyota bZ4X
Luftiger Innenraum mit bequemen Sitzen. Seitenhalt und Verarbeitungsqualität könnten besser sein.

Einen Schönheitspreis gewinnt das Cockpit des bZ4X eher nicht, aber Toyota ist ehrlich gesagt auch nicht für besonders ansprechende Innenraume bekannt. Das wäre aber soweit kein grosser Kritikpunkt, allerdings lassen die Japaner in ihrem ersten Stromer die Qualität etwas schleifen. Es ist sehr viel Kunststoff und auch Hartplastik verbaut, was der Atmosphäre ebenfalls nicht sonderlich zuträglich ist. Auch bei der Verarbeitungsqualität besteht Luft nach oben. Vieles fühlt sich nicht sehr fest an, sondern weist etwas Spiel auf, wenn man mal etwas fester mit der Hand durch das ganze Cockpit wandert. Immerhin rüttelt aber nichts während der Fahrt, sodass der Wagen keine Störgeräusche produziert.

2022 Toyota bZ4X
Das Cockpit ist eher zweckmässig designt. Dafür ist die Bedienbarkeit super, da Toyota auf viele Knöpfe setzt.

Powered by Subaru

Der bZ4X ist sowohl mit Front- als auch Allradantrieb verfügbar. Der 160 kW starke Dual-Motor Antriebsstrang des Testwagens ist eine Eigenentwicklung von Subaru und die Subaru-Ingenieure lassen sich von der Elektromobilität nicht von ihrer Tradition abbringen, was bedeutet, dass auch der Toyota bZ4X über einen permanenten Allradantrieb verfügt. Kurios ist insbesondere der Umstand, dass selbst im Eco-Modus das Gaspedal zwar langsamer reagiert, aber auch dann immer beide Motoren aktiv sind. Andererseits wurde mir dafür gesagt, dass der Elektro-Crossover selbst härteres Gelände meistert, obwohl er nicht danach aussieht. Die Frage, ob das die Klientel überhaupt wünscht oder benötigt, ist meiner Meinung nach jedoch berechtigt.

2022 Toyota bZ4X
Der Wagen wirkt zwar wie ein Stadt-SUV, ist aber auch fürs Gelände gerüstet.

Diese Tatsache sowie das Eingeständnis von Toyota, dass man an der Software noch etwas feilen kann, resultieren in einem unrühmlichen Testverbrauch von 26,8 kWh/100 km. Das schlägt sich natürlich auch auf die Reichweite nieder, sodass die Diskrepanz zwischen WLTP (411 km) und Praxis (rund 240 km) erschreckend gross ist. Aber auch hier gibt Toyota zu, dass die Anzeige der Restreichweite wohl zu «japanisch» geraten ist, sprich, zu übervorsichtig ist. Hinter vorgehaltener Hand heisst es, dass der bZ4X bei «leerem» Akku noch mindestens 50 Kilometer weit fahren kann.

2022 Toyota bZ4X
Auch hinten bietet der Toyota fürstliche Platzverhältnisse.

Komfort wird grossgeschrieben

Diese Missstände will der Hersteller per Software-Update demnächst entschärfen, was dem Crossover bestimmt mehr Attraktivität einhaucht. Fahrerisch versucht Toyota gar nicht erst, es allen recht zu machen, sondern setzt voll auf die Komfort-Karte. Das geschmeidige Fahrwerk, die weiche Lenkung sowie das sehr weich ansprechende Gaspedal sorgen für eine maximale Entschleunigung. Die Beschleunigung haut einen zwar nicht vom Hocker, ist aber für Leistung am Berg oder ein spontanes Überholmanöver absolut ausreichend. Was jedoch nicht zum hohen Komfort-Anspruch passt, ist die mässige Geräusch-Dämmung. Auf der Autobahn sind die Windgeräusche deutlich hörbar.

2022 Toyota bZ4X
Komfort ist Trump. Einen Sport-Modus gibt es nicht – vermisst man hier auch nicht.

Dass es mit der Sportlichkeit nicht weit hergeholt ist, erklärt sich mit der weichen Auslegung von alleine. Auch hier ist Toyota konsequent und verzichtet gänzlich auf einen Sport-Modus, der künstlich irgendetwas erschafft, was dem Auto überhaupt nicht gerecht wird. Wird der bZ4X gegen sein Naturell um Kurven gescheucht, so wird man zwar nicht mit Feedback oder agilem Einlenken belohnt, aber die Neutralität und Stabilität sind dennoch bemerkenswert. Obwohl nicht sportlich, braucht es schon viel, um den Wagen ins Untersteuern zu bringen, was für eine hohe Sicherheit spricht. Das ESP kann übrigens komplett deaktiviert werden, was bei einem Auto, welches nichts mit Sportlichkeit am Hut hat, keine Selbstverständlichkeit ist.

2022 Toyota bZ4X
Den Verbrauch und somit die Reichweite muss Toyota noch optimieren.

Vertrauen in die Technik

Toyota steht für Zuverlässigkeit und diesen Anspruch untermauern die Japaner mit einer 10-jährigen Garantie auf das Auto sowie ebenfalls 10 Jahre oder 1’000’000 (!) Kilometer Garantie auf den Akku. Im Detail bedeutet dies, dass Toyota über die besagte Dauer eine Ladekapazität von 75 Prozent oder mehr verspricht. Diese Sicherheit, die einem Toyota mit auf den Weg gibt, ist gleichzeitig der USP vom bZ4X. Die Konkurrenz ist mittlerweile breit aufgestellt und abgesehen von der Garantie und allenfalls noch den guten Geländeeigenschaften kann Toyota nirgendwo gross auftrumpfen. Preislich ist der Elektro-Erstling von Toyota auch nicht gerade niedrig angesiedelt. Der Testwagen mit kompletter Ausstattung ist mit 64’500 Franken angeschrieben.

2022 Toyota bZ4X
Mit der 10-jährigen Garantie geben die Japaner ein grosses Kundenversprechen ab.

Alltag 4 out of 5 stars

Der Kofferraum ist durchschnittlich bemessen, ein Frunk fehlt gänzlich. Dafür bietet der Japaner grosszügige Platzverhältnisse für die Passagiere und macht das Rangieren mit seinem kleinen Wendekreis zum Kinderspiel.

Fahrdynamik 2.5 out of 5 stars

Der bZ4X ist in keinerlei Hinsicht sportlich und kommuniziert das auch deutlich. Trotz grosser Seitenneigung bliebt das Fahrverhalten aber sehr stabil.

Umwelt 3 out of 5 stars

So wie getestet ist der Toyota kein Vorzeigebeispiel, wie man als Elektroauto haushälterisch mit dem Strom umgeht. 26,8 kWh/100 km Stromverbrauch sind in seiner Leistungsklasse ein zu hoher Wert.

Ausstrahlung 4 out of 5 stars

Das Design wirkt futuristisch und hebt sich von den übrigen Toyota-Modellen ab. Gleichwohl ist es nicht zu exzentrisch, sodass sich die breite Masse davon abgeholt fühlt.

Fazit 3.5 out of 5 stars

+ Grosszügiges Platzangebot
+ Intuitives und schnelles Infotainmentsystem mit guter Sprachsteuerung
+ Hoher Fahrkomfort, extrem geschmeidiges Fahrgefühl
+ Kleiner Wendekreis
+ Umfangreiches und sehr zuverlässiges Assistenz-Paket
+ Performanter Permanent-Allrad, der auch bereit fürs Gelände ist
+ Kleiner Wendekreis
+ Üppige Ausstattung
+ 10 Jahre Garantie

– Hoher Stromverbrauch
– Geringe Praxis-Reichweite
– One-Pedal-Driving nicht möglich
– Verarbeitungsqualität lässt teilweise zu wünschen übrig

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellToyota bZ4X AWD
Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen51 200 CHF / 58 200 CHF / 64 500 CHF
AntriebElektrisch, Allradantrieb
Akkukapazitätk.A. kWh (brutto) / 71,4 kWh (netto)
Max. Leistung160 kW
Max. Drehmoment337 Nm
Beschleu­nigung 0–100 km/h6,9 s
Vmax160 km/h (elektronisch abgeregelt)
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz18,1 kWh/100 km / A
Test-Verbrauch / Differenz26,8 kWh/100 km / +48%
WLTP-Reichweite411 km
Ø Test-Reichweite240 km
Max. Ladeleistung (DC)150 kW
Länge / Breite / Höhe4,69 m / 1,86 m / 1,60 m
Leergewicht2126 kg
Kofferraumvolumen452 l

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