Der Toyota GR Yaris hat sich in der Szene mittlerweile den Ruf als potentester Giftzwerg überhaupt erarbeitet. Im Frühling sorgte bereits die Premium-Version bei mir im Test für Furore. Jetzt, unter winterlichen Bedingungen, ist die Variante mit dem Circuit Package zum zweiten Test angetreten. Der GR Yaris ist zwar klein, doch er hebt die Messlatte über seine Klasse hinaus auf ein neues Niveau!
Sympathisch am kleinen Kraftzwerg ist, dass er durch seine Grösse und seinen Namen bei Nicht-Kennern völlig unter dem Radar durchgeht. Selbst die Klimajugend dürfte diesen Wagen billigen, auch, weil er akustisch nicht den grossen Radau macht. Ob man jetzt die Circuit-Variante vor einem stehen hat, erkennt man von aussen an den Rädern. Bestandteil des Pakets sind nämlich die geschmiedeten Felgen sowie die roten Bremszangen.
Etwas Verzicht muss sein
Im Innenraum sind auf den ersten Blick keine Veränderungen auszumachen. Bezüglich der massiv zu hohen Sitzposition lässt sich nichts ändern, das ziemlich triste und mässig hochwertige Kunststoff-Interieur ist ebenfalls mit einem knappen Nicken zu akzeptieren. Doch die meiner Meinung nach tatsächlich grösste Schwäche dieses faszinierenden Autos liegt in der Bestell-Politik.
Das Circuit und das Premium-Paket lassen sich nicht miteinander kombinieren. Das hat zur Folge, dass man beim Circuit-Yaris auf ein HUD, integriertes Navi, JBL-Soundsystem, Tot-Winkel-Warner sowie auf Parksensoren rundum (Rückfahrkamera ist an Bord) verzichten muss. Zwar kein Weltuntergang, aber dennoch schade.
Kleine Drehorgel
Doch widmen wir uns nun lieber den Dingen, wofür der GR-Yaris gebaut ist, nämlich dem kompromisslosen Fahren. Im Prinzip ist dieser Kurvenräuber viel zu schade, um nur geradeaus zu donnern, aber der Schub hat es einfach in sich. Der Dreizylinder mit seinem unruhigen Lauf mangels Ausgleichswelle (nur unnötiges Gewicht) ist ein äusserst rabiates Triebwerk.
Sobald das Turboloch überwunden ist, schiebt er mächtig vorwärts, der Durchzug ist weit über allem, was sich ansonsten in der Gewichtsklasse des GR Yaris tummelt. Wer es darauf anlegt, kann den Dreizylinder bis in den roten Bereich (ab 7000 Umdrehungen) auswringen, erst bei ca. 7400 Umdrehungen hämmert der Yaris schliesslich protestierend in den Begrenzer.
Die Handschaltung mit ihren perfekten Anschlüssen ist ein Genuss, das Runterschalten dank automatischem Zwischengas gleich ein doppelter. Der aggressive Yaris fühlt sich stark an, sehr stark sogar. Wer im Netz nach Prüfstand-Messungen sucht, weiss auch, warum: Die allermeisten Messungen weisen eine Streuung nach oben aus, sodass man die offiziellen Leistungsangaben von 192 kW und 360 Nm getrost als absolutes Minimum an Power verstehen kann.
Grenzbereich? Welcher Grenzbereich?
Toyota macht beim GR Yaris wahrlich keine halben Sachen. Am Ende der Geraden tritt man lässig auf die Bremse, welche punktgenau und bissig verzögert. Mit ihrer Hilfe könnte man wahrscheinlich problemlos das Himalaya-Gebirge runterdonnern gäbe es dort eine Passstrasse, denn die gesamte Bremsanlage ist für den kleinen Yaris im Grunde völlig überdimensioniert. Aber wie sagt man dazu: Leider geil.
Dann: Blitzschnell runterschalten, der Dreizylinder grummelt, einlenken und im Prinzip kann man fast unmittelbar danach wieder aufs Gas. Der Circuit GR Yaris fährt ein noch strafferes Sportfahrwerk und vor allem verfügt er an der Vorder- und an der Hinterachse (!) über ein Sperrdifferential. Dieser Racker verteilt seine Kraft also nicht nur zwischen den Achsen, sondern an den Achsen auch noch zwischen den Rädern. Das Ergebnis: Gestörter Grip und ein agiles, hecklastiges Fahrerlebnis, wie man es eigentlich von ganz anderen Grössen kennt. Ich werfe mal den Namen Nissan GT-R in den Raum und nein, ich übertreibe nicht.
Dieses Auto gehört zwar zur Klasse der Kleinwagen, aber fahrdynamisch bewegt er sich in einer komplett anderen Hemisphäre. Ist die Strasse trocken und man selber kein Rallye-Pilot, dann bringt man dieses Auto nicht an seine Grenzen – vom Handling her die grösste Auszeichnung, die ich einem Auto verleihen kann.
Schnee? Kein Problem!
Nun ist es ja so, dass dieser Giftzwerg mit dem WRC-Rennwagen massiv mehr gemein hat als mit dem Brot- und Butter Yaris. Schnee ist daher kein Hindernis, sondern eine Disziplin. Wie er diese angeht, hängt vom Setup ab. Erste Möglichkeit: Maximale Traktion und Performance. Dazu wählt man den Track-Modus mit einer 50:50 Kraftverteilung und lässt das ESP drin. Der GR Yaris pflügt sich den Berg hoch, als sei es sein Sinn des Lebens. Im ersten Gang noch etwas gar übermütig, doch der zweite Gang kann volle Kanne ausgedreht werden, ohne dass das ESP gross Kraft weg regelt oder das Auto sonst irgendwie unruhig wird.
Auch aus Kurven hinaus kann massiv beschleunigt werden und der GR Yaris hält bemerkenswert seine Spur. Schnell fühlt man sich übermächtig, aber Vorsicht, das birgt Gefahren. Der hoch-performante Allradantrieb bringt zwar die Kraft perfekt auf den Schnee, aber bergab ist der Wagen deswegen nicht weniger anfällig aufs rutschen wie andere Autos auch.
Apropos rutschen: Wen die fast schon unerschütterliche Stabilität langweilt, kann das Wesen des Autos komplett ändern: Fahrmodus Sport mit Kraftverteilung 30:70 zu Gunsten der Hinterachse und das ESP auf Sport. Dann geht die Post so richtig ab und der böse Yaris schiesst grundsätzlich quer aus jeder Kurve. Trotz aller Wildheit helfen die mitangetriebene Vorderachse und das zurückhaltend arbeitende ESP, dass die Lage nicht zu schnell eskaliert. Für die ganz kühnen lässt sich auch mit Hilfe der Fly-Off-Handbremse ein Drift einleiten. Dank dieser Technologie wird lediglich die Hinterachse entkoppelt und blockiert, die Vorderräder aber werden weiter angetrieben. Die wahre Definition eines Winterplausches!
Im Grunde ein Schnäppchen
Inklusive des Circuit Packages kostet der Toyota GR Yaris 42’800 Franken. Nüchtern betrachtet ist das für einen Kleinwagen viel Geld. Doch jetzt kommt das grosse Aber: Der Japaner ist zwar klein, aber ansonsten spielt er in einer völlig anderen Liga. Einen derart kompromisslosen Sportwagen – und nichts anderes ist das hier – gibt es selbst in deutlich teureren Sphären nur selten. Der GR Yaris wurde um des Fahrens willen gebaut und um nichts anderes sonst und das verdient in diesen Zeiten besondere Anerkennung. Insofern ist der Preis, wenn man ihn am Fahrspass und an der Performance statt an der Grösse misst, ein Schnäppchen. Dieser Wagen ist der feuchte Traum aller, die mit Elektromobilität und assistiertem Fahren nicht warm werden. Danke, Toyota.
Alltag
Es gibt keinen vernüftigen Grund, der gegen den Kraftzwerg spricht. Natürlich ist sein Platzangebot beschränkt und die Übersicht ist weiss Gott nicht seine Stärke, aber so what?
Fahrdynamik
Mehr Rallyesport gibt es derzeit in keinem Neuwagen. Der GR Yaris ist ein aggressives, aber hochperformantes, kleines Biest. Auf Asphalt extrem schnell und präzise, auf Schnee entweder ultra effizient oder ein gut beherrschbares Drift-Tool. Die Handschaltung ist knackig, die Bremse extrem standfest. Dieses Auto ist ein fahrdynamisches Fest.
Umwelt
Man darf sich vom Dreizylinder hier nicht täuschen lassen. Der kleine Motor ist eine Granate und auf maximale Performance getrimmt. Sparsamkeit ist hier völlig zweitrangig, weshalb der Testverbrauch von 8,7 l/100 km eher hoch ist.
Ausstrahlung
Wer es nicht weiss, sieht im GR Yaris einfach einen Kleinwagen. Wer es aber weiss, sieht, dass der GR mit dem normalen Yaris fast nichts mehr zu tun han. Und dass mit diesem Kleinwagen nicht zu spassen ist, macht seine Optik überdeutlich klar.
Fazit
+ Gelungenes sportliches Design
+ Komplett eigenständige (Karosserie-)Entwicklung
+ Bequeme Sitze mit gutem Seitenhalt
+ Ordentliche Verarbeitung, keine Störgeräusche
+ Einfache und logische Bedienung
+ Drehfreudiger und temperamentvoller Dreizylinder
+ Knackige und präzise Handschaltung
+ Bissige, überdimensionierte Bremse
+ Neutrales bis leicht hecklastige Fahrverhalten
+ Williges und flinkes Einlenkverhalten
+ Permanenter Allradantrieb mit manueller Kraftverteilung
+ ESP dreistufig deaktivierbar
+ Hartes Fahrwerk eliminiert fast alle Karosseriebewegungen
+ Irrer Grip dank zwei Sperrdifferentialen
+ Gutmütig im Grenzbereich
+ Sehr gute Ausstattung inklusive
+ Fairer Preis angesichts der Performance
– Circuit- und Premium-Paket nicht kombinierbar
– Viel zu hohe Sitzposition
– Viel trister und mässig hochwertiger Kunststoff im Innenraum
– Angesichts des Gewichts ziemlich hoher Verbrauch
– Motorsound aussen dürfte etwas wilder und prägnanter sein
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Toyota GR Yaris |
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Preis Basismodell / Testwagen | 37 900 / 42 800 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1618 ccm / R3 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Max. Leistung | 192 kW bei 6500 r/min |
Max. Drehmoment | 360 Nm bei 3000 - 4600 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 5,5 s |
Vmax | 230 km/h |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 8,2 l/100 km / 186 g/km / E |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 8,7 l/100 km / 197 g/km / +6% |
Länge / Breite / Höhe | 4,00 m / 1,81 m / 1,46 m |
Leergewicht | 1380 kg |
Kofferraumvolumen | 174 l |
Bilder: Koray Adigüzel