Es sind leider nicht viele Autohersteller, die weiterhin an der Brennstoffzelle forschen und sogar Serienautos auf den Markt bringen. Der Toyota Mirai, nunmehr bereits in zweiter Generation am Start, beweist, wie unkompliziert und ausgereift der Wasserstoff-Antrieb ist. Doch obwohl die Technik grundsätzlich bereit für eine Massenproduktion ist, so zeigt der Mirai auf, dass jede Medaille auch über eine Kehrseite verfügt.
Beim Design gehen die Japaner Gott sei Dank einen weltoffeneren Weg. Während die erste Generation das ohnehin schon schräge Prius-Design auf eine bis dahin unvorstellbare Spitze trieb, ist der neue Mirai durch und durch ansehnlich geworden. Mit der langen Schnauze, der flachen Dachlinie und den grosse Felgen verfügt er sogar über einen sportlichen Touch und wirkt überhaupt nicht wie ein verschrobenes Öko-Auto. Fuel Cell Schriftzüge am Heck sowie an den Seitenschwellern weisen dezent auf den nach wie vor alles andere als alltäglichen Antrieb hin.
Eigenwillig, aber hochwertig
Mit seiner aktuellen Design-Philosophie wird Toyota in absehbarer Zukunft keinen Design-Award fürs Cockpit gewinnen. Das asymmetrische Cockpit ist ziemlich eigenwillig gestaltet, gewisse Knöpfe scheinen willkürlich positioniert und der kleine Schaltstummel könnte auch Teil eines Spielzeug-Autos sein. Aber Schönheit liegt im Auge des Betrachters und qualitativ gibt es hier absolut gar nichts zu rütteln, denn mit grosszügigen Leder-Applikationen und dem leicht schimmernden Finish rund um das Infotainmentsystem setzt Toyota auf hochwertige Materialien. Auch die Verarbeitung ist auf erstklassigem Nivau, da haben sich die Japaner spürbar Mühe gegeben.
Leider kann das Infotainmentsystem nicht mit dem fortschrittlichen Antrieb mithalten. Die Bedienung ist recht verschachtelt, woran man sich aber gewöhnen kann. Doch das Abhandensein einer Online-Navigation sowie eine Sprachsteuerung, die schwer von Begriff ist, sind heutzutage einfach nicht mehr tolerierbar, da hat Toyota wirklich Nachholbedarf.
Schlechte Raumausnutzung
Von seinen fast fünf Metern Länge kann der Mirai seinen Insassen und deren Gepäck leider nur verhältnismässig wenig zur Verfügung stellen. Zum einen ist die Haube – so gut sie auch aussehen man – verschwenderisch lang. Zum anderen ist die Bauform Limousine für ein Wasserstoff-betriebenes Auto suboptimal. Ein SUV wäre praktischer und ich hätte nie gedacht, dass ich mal Pro-SUV bin. Im Mirai sind drei Wasserstoff-Tanks untergebracht: Einer im Tunnel zwischen den Vordersitzen, einer unter der Rückbank und einer unterhalb des Kofferraums. Zwischen der Rückbank und dem Kofferraum befindet sich zudem die Batterie.
All diese Komponenten in einem flachen Auto unterzubringen kostet Platz. Im Fond sitzt man ab 1,80 Meter sehr beengt, was doppelt schade ist, denn der Sitzkomfort ist unglaublich hoch, Sitzheizung und Lüftung inklusive. Der Kofferraum ist ebenfalls klein geraten, denn die 321 Liter Volumen sind aufgrund der Batterie als Trennwand zwischen der Rückbank nicht erweiterbar. Verglichen mit einem Verbrenner oder einem Elektroauto fordert der Wasserstoff-Antrieb gegenwärtig viel Platz und so, wie der Mirai dasteht, würde er niemals einen Familientauglich-Stempel bekommen.
Still und leise
Unspektakulär wie ein herkömmliches Elektroauto setzt sich der Mirai in Bewegung. Gemäss Toyota ist das Wasserstoff-Antriebssystem kälteresistent bis Minus 30 Grad. Abgesehen von einem leichten Zischeln bei starker Beschleunigung ist ein Unterschied zu einem Batterie-Elektroauto nicht auszumachen. Das Auto sieht nicht nur aus wie eine erstklassige Reise-Limousine, sondern fährt sich auch so. Trotz 20-Zoll-Bereifung dämpft der Mirai alle Unebenheiten aus dem Weg. Eine aufwendige Geräusch-Dämmung unterstreicht den Komfort-Anspruch.
Wie es sich für dieses Segment gehört, ist der Mirai mit allen semi-autonomen Fahrassistenzsystemen ausgestattet. Besonders lobenswert finde ich den Autobahn-Assistent, der das Auto präzise und beinahe unmerklich steuert. Dezente Unterstützung statt Bevormundung, so gefällt mir das. Ebenfalls an Bord sind Matrix-Licht sowie ein automatischer Park-Assistent. Fehlalarme leistete sich der Wagen im Test keine, doch die Detail-Einstellungen, die via Bordcomputer vorgenommen werden müssen, sind aufgrund der teils wirren Abkürzungen alles andere als klar verständlich.
Keine fahrdynamischen Ansprüche
Die extrem komfortable Auslegung hat natürlich auch ihre Kehrseite. Zwar sind Heckantrieb, eine steife Karosserie sowie ein tiefer Schwerpunkt gegeben, aber die sehr schwammige Lenkung mit geringem Feedback sowie die weiche Fahrwerk-Auslegung ersticken sportliche Ambitionen im Keim. Der Heckantrieb ist ausserdem sehr auf Sicherheit bedacht: Geht die Haftung am Heck flöten, reguliert das ESP sehr rigoros die Leistung. Grundsätzlich passt die entspannte und unsportliche Art zum Auto und nicht nur ich dürfte dies sehr schätzen. Pseudo-Sportlichkeit gibt es mehr als genug. Aber selbst ein gemütliches Auto verdient meiner Meinung nach eine ausreichend präzise Lenkung. Beim Mirai hat man wirklich das Gefühl, man steuert ein Boot.
Hoher Winter-Verbrauch
Der grosse Vorteil des Wasserstoff-Antriebs liegt, nebst der sehr umweltfreundlichen Fortbewegung, am bewährten Tanksystem und den recht hohen Reichweiten. Eine Wasserstoff-Betankung dauert maximal doppelt solange wie das Tanken von Benzin. Mit den 5,6 kg fassenden Tanks verspricht Toyota eine Reichweite von bis zu 650 Kilometer. Mit 20 Zöllern und im Winter ist das dann nicht mehr sonderlich realistisch, aber selbst im anspruchsvollen Test schaffte der Mirai im Schnitt 440 Kilometer Reichweite. Der Testverbrauch von 1,2 kg/100 km beträgt jedoch das anderthalbfache des Normverbrauchs, was keine Glanzleistung ist.
Tribut erforderlich
Gegenwärtig existieren in der Schweiz zehn Wasserstoff-Tankstellen, weitere sind in Planung. Das ist gut, aber von einem flächendeckenden Netz immer noch weit entfernt. Das Kilo Wasserstoff kostet derzeit rund 12.50 Franken, womit die Treibstoff-Kosten nur einen geringen Vorteil gegenüber Benzin bieten, ganz im Gegensatz zum batterie-betriebenen Auto. Auch die Anschaffungskosten sind noch ziemlich hoch. Der Mirai kostet in der getesteten Top-Ausführung rund 73’000 Franken. Aber auch hier: Der Fortschritt ist spürbar, der erste Mirai konnte weniger und kostete mehr.
Trotzdem ist die Hürde für H2-Mobilität nach wie vor hoch und mit Tributen verbunden. Niemand, der kein Auto- oder Technologie-Nerd ist, würde sich so ein Auto anschaffen, dazu ist die Tankstellen-Situation viel zu unbefriedigend und im südlichen Europa praktisch inexistent. Das ist schade, denn der Mirai zeigt, dass die Technik im Auto bereit ist. Doch um die Vorbehalte gegenüber Wasserstoff abzubauen macht es sich Toyota extra schwer: Am Ende jeder Fahrt wird nämlich der entstandene Wasserdampf hinten abgelassen. Je nach Fahrtlänge qualmt das Auto dann fröhlich bis zu drei Minuten vor sich hin. Dass da gasförmiges Wasser in Trinkqualität abgelassen wird, weiss natürlich niemand, sodass man ständig darauf aufmerksam gemacht wird, dass das Auto «komisch raucht».
Alltag
Reichweite und Betankungsdauer sind absolut kein Thema, die wenigen Tankstellen allerdings schon, dafür kann das Auto jedoch nichts. Die Unterbringung der Wasserstoff-Tanks sowie des Akkus in einer flachen Limousine raubt Platz, sodass der Fond knapp bemessen ist und der Kofferraum für eine Limousine dieser Grösse eindeutig zu klein und vor allem nicht erweiterbar ist.
Fahrdynamik
Dank des üppigen Elektro-Drehmoments zieht der Mirai untenraus gut, doch bereits am Tempo 80 wird es zäher. Mit Sportlichkeit hat diese Limousine absolut gar nichts am Hut. Das Fahrwerk ist weich und die Lenkung schwammig.
Umwelt
Im winterlichen Test ist der Kraftstoff-Verbrauch deutlich höher als versprochen. Doch in der Schweiz wird überall regenerativer Wasserstoff getankt und die Brennstoffzelle erzeugt nebst Strom nur Wasser und Wärme. Ausserdem ist der Akku um ein Vielfaches kleiner als bei einem batteriebetriebenen Elektroauto.
Ausstrahlung
Optisch ist der Mirai eine ansehnliche Limousine, gross, aber dezent. Den Wasserstoff-Antrieb sieht man am Ende der Fahrt, wenn wortwörtlich Dampf abgelassen wird.
Fazit
+ Dezentes und trotzdem einzigartiges Design
+ Sehr hochwertige Verarbeitung, ansehnliche Materialien
+ Weiche und bequeme Sitze, top Ergonomie
+ Lounge-artiger Fond mit sehr hohem Sitzkomfort
+ Ausgesprochen hoher Fahrkomfort
+ Sehr geringes Innenraumgeräusch
+ Umweltfreundliche Mobilität
+ Üppige Ausstattung
– Schlechte Raumausnutzung
– Ziemlich hoher Preis
– Schwammige Lenkung
– In die Jahre gekommenes Infotainmentsystem ohne sinnvolle Sprachsteuerung
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Toyota Mirai |
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Preis Basismodell / Testwagen | 59 900 CHF / 73 250 CHF |
Antrieb | Wasserstoff / Heckantrieb |
WLTP-Reichweite | 650 km |
Ø Test-Reichweite | 440 km |
Max. Leistung | 134 kW |
Max. Drehmoment | 300 Nm |
Beschleunigung 0–100 km/h | 9,2 s |
Vmax | 175 km/h |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 0,8 kg/100 km / 0 g/km / B |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 1,2 kg/100 km / 0 g/km / +50% |
Tankinhalt | 5,6 kg (700 bar) |
Länge / Breite / Höhe | 4,98 m / 1,89 m / 1,47 m |
Leergewicht | 2021 kg |
Kofferraumvolumen | 321 l |