Zeichen und Wunder geschehen tatsächlich noch. Nach einer gefühlt unendlich langen Serie von Concept Cars, einer Phase des Zweifels und schliesslich einer Salamitaktik so zäh wie Kaugummi ist die Legende nach 17 langen Jahren endlich wieder zurück: Der Toyota GR Supra 3.0, oder schlicht der Supra; Fast & Furious Held unserer Jugendjahre und jetzt ein einigermassen erschwinglicher Sportwagen. Um heutzutage ein solches Nischenprodukt zu ermöglichen, haben die Japaner mit BMW zusammengespannt, sodass der Supra quasi der geschlossene Bruder des BMW Z4 M40i ist. Diese an sich neutrale oder sogar erfreuliche Tatsache hat aber auch viele Kritiker auf den Plan gerufen. Es gibt folglich viele Fragen zu klären: Trägt die Neuauflage den grossen Namen zu Recht? Kann Hybridmeister Toyota auch einen waschechten Sportwagen bauen? Und wie viel Eigenständigkeit geht durch die Symbiose mit BMW flöten?
Optisch trägt der Zweisitzer dick auf. Der Frontsplitter ist optisch und farblich der Formel 1 nachempfunden, die Motorhaube sehr lang, die Dachlinie flach und das Heck kurz und knackig – und die Nebelschlussleuchte wiederum von der Formel 1 inspiriert. Die Fenstergrafik ist sehr schmal und wirkt von der Seite betrachtet wie ein Helmvisier. Überhaupt gibt es am Supra viel zu entdecken, das ganze Auto ist voll mit Rundungen, Schwüngen und Designelementen. Leider sind fast alle angedeuteten Luftein- oder -Auslässe ein Fake. Ansonsten ist das Design sehr selbstbewusst und vor allem absolut eigenständig.
Hallo BMW!
Im Cockpit ist es dann vorbei mit der Eigenständigkeit. Das Infotainmentsystem inklusive der Bedienelemente, Fensterheber und sogar das Lenkrad sind 1:1 von BMW übernommen. Das ist zwar zuträglich für die Bedienung, da BMW den Japanern punkto Infotainmentsystem einfach voraus ist, aber ein komplett selbst desingter Innenraum wäre für ein so lang ersehntes Auto in meinen Augen angemessen gewesen.
Immerhin sind das digitale Cockpit sowie die recht eng geschnittenen Sportsitze eine Eigenentwicklung von Toyota. Und obwohl das Auto innen recht eng geschnitten ist, passt die Ergonomie selbst für grosse Personen perfekt, auch dank der sehr tiefen Sitzposition. Eine coole Sache sind die zwischen Innenraum und Kofferraum integrierten Subwoofer, welche an die guten, alten Fast & Furious Teile erinnern!
Für den Alltag geeignet
Obwohl der Sportwagen optisch überhaupt nicht alltagstauglich sondern eher kompromisslos erscheint, kann der Supra völlig unkompliziert bewegt werden. Fahrkomfort und Geräuschpegel sind auch auf längeren Fahrten angenehm, man fühlt sich nicht im Auto eingepfercht und der Kofferraum reicht für zwei Personen aus, selbst für eine Fahrt ins Ausland. Punkto Assistenzsysteme verfügt der Sportler über einen Spurhalteassistent, der aber glücklicherweise permanent deaktiviert werden kann. Tot-Winkel-Warner und Notbremsassistent sind im Test durch keine einzige Fehlfunktion positiv aufgefallen und das Matrix-Licht funktioniert ausgezeichnet.
Sogar ein Abstandstempomat ist an Bord, der aber selbst auf der Stufe mit dem geringsten Abstand recht defensiv fährt. Er kann aber durch einen langen Druck auf die Tempomat-Taste auf dem Lenkrad in einen normalen Tempomat umfunktioniert werden. So soll’s doch sein! Alles in allem trübt keiner der verfügbaren Assistenten den Fahrspass oder das gemütliche Cruisen.
Der Sportler, der kommuniziert
Zeit, für einen Fahrstil-Wechsel. Die Japaner sind da pragmatisch, es gibt einen Normal-Modus und einen Sport-Modus, fertig. Also ab in den Sport-Modus und los! Der Dreiliter-Reihensechser mit einfacher Turboaufladung sowie das 8-Gang-Getriebe stammen ebenfalls von BMW, wobei Toyota das Feintuning übernommen hat. Der ultra ruhig laufende Motor hat ab dem Drehzahlkeller schön schub, haut im mittleren Drehzahlbereich so richtig auf den Putz und verliert ganz oben leider spürbar an Druck. Ausserdem schaltet das Getriebe im Sportmodus ganz schön ambitioniert und bleibt sehr lange in den tiefen Gängen, weshalb es sich im manuellen Modus kontrollierter fährt, auch, weil man den Motor gar nicht voll ausdrehen muss.
Obwohl sich die Längsdynamik sehen lassen kann, ist sie nicht die Paradedisziplin. Der Sound übrigens auch nicht. Der klingt innen zwar schön voluminös (und zwar nicht über die Lautsprecher), aussen dürfte es aber etwas mehr sein. Nichtsdestotroz ist der Klangteppich ganz hübsch, es entlockt einem einfach kein Wow. Ein überdeutliches Wow verdient dafür das Handling. Das Fahrwerk ist übrigens eine Eigenkonstruktion von Toyota. Messerscharf und willig lenkt das kompakte Sportcoupé ein und da man praktisch unmittelbar vor der Hinterachse sitzt, spürt man ganz genau, was das Heck des Autos so macht! Ist das ESP aktiv, regelt es recht früh. Für maximalen Fahrspass bietet sich daher der ESP-Sport-Modus an, der deutlich mehr Freiheiten ermöglicht. So kann man das volle Potenzial dieses genialen und super agilen Sportwagens ausfahren.
Das aktive und elektronisch gesteuerte Sperrdifferential drückt den Wagen förmlich aus der Kurve, während sich die Vorderachse in die Kurve verbeisst. Der Grip ist enorm und der Supra überhaupt keine Heckschleuder. Zwar zuckt das Heck bei forscher Fahrt ab und an, aber stets sehr gutmütig und spürbar, böse Überraschungen sind keine zu befürchten. Wer das Heck richtig zum Ausbrechen bringen will, muss das provozieren, ansonsten fährt der Japaner sehr sauber und folgt der vorgegebenen Linie.
Mehr Sport als bei BMW
Ohne BMW gäbe es den Supra nicht. Etwas mehr Eigenständigkeit im Innenraum wäre wünschenswert, aber ansonsten hat Toyota sämtliche Register gezogen und einen kompakten, agilen und schnellen Sportwagen gebaut, der auf sämtlichen Land- und Bergstrassen restlos zu begeistern vermag! Ausserdem ist der Supra noch sportlicher und konsequenter als der Z4 M40i, welcher den Fahrer nicht ganz so aktiv ins Fahrgeschehen einbindet. Darüber hinaus ist der voll ausgestattete Supra gegenüber einem voll ausgestatteten Z4 rund 20’000 Franken günstiger. Daher ist meiner Meinung nach sämtliche Kritik gegenüber dem neuen Supra unangebracht. Stattdessen hat Toyota in der heutigen Klima-geprägten Zeit einen sensationellen Sportwagen gebaut, der zwar nicht günstig, aber auch nicht überteuert ist. Grosse Verneigung vor Toyota!
Alltag
Als reiner Zweisitzer ist der Supra natürlich per Definition eher unpraktisch. Der Kofferraum scheint auf den ersten Blick gross, ist aber so geformt, dass keine hohen Gegenstände reinpassen. Immerhin: Für die beiden Passagiere stehen genügend Ablageflächen zur Verfügung.
Fahrdynamik
Der Reihensechser verfügt über ein herrliches Drehmomentplateau und dreht gierig hoch, obschon ihm im obersten Drehzahlbereich etwas die Luft ausgeht. Die Lenkung ist extrem direkt und das ganze Auto gibt ein perfektes Feedback. Dank der elektronischen Sperre drückt sich das Heck fast von selbst aus der Kurve. Für maximalen Fahrspass empfiehlt sich der Sport-Modus des ESP, ansonsten regelt das System zu früh.
Umwelt
Im oftmals sportlich gefahrenen Test flossen 9,7 l/100 km. Das ist für einen kompakten Sportwagen nicht gerade wenig, doch wer ruhig auf der Autobahn fährt, erzielt Verbräuche von knapp acht Litern.
Ausstrahlung
Das Design ist unverwechselbar und typisch japanisch zum Teil leicht überstylt, aber es gibt viele, denen das gefällt. Wirklich schade ist nur, dass die vielen angedeuteten Luftein- und -Auslässe leider ein Fake sind.
Fazit
+ Eigenständiges sportliches Design mit klasse Proportionen
+ Sehr tiefe Sitzposition, top Ergonomie, fester Seitenhalt
+ Klasse Infotainmentsystem mit super Sprachsteuerung, top Display und einfache Bedienbarkeit (von BMW)
+ Passabler Fahrkomfort für einen Sportwagen
+ Sehr starker Schub im mittleren Drehzahlbereich, erstklassiges Ansprechverhalten
+ Perfektes und unauffälliges Automatikgetriebe
+ Ultradirekte Lenkung, williges Einlenkverhalten
+ Lebendiges, aber gutmütiges Heck, klasse Feedback vom Auto
+ Perfektes Matrix-LED-Licht
+ Extrem umfangreiche Ausstattung
– Wenig Eigenständigkeit im Cockpit, fast alles 1:1 von BMW übernommen
– Viele gefakte Design-Elemente
– Keine Individualisierungsmöglichkeiten (Polsterungen, Felgen, etc.)
– Motor verliert bei hohen Drehzahlen an Druck
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Toyota GR Supra 3.0 |
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Preis Basismodell / Testwagen | 79 900 CHF / 79 900 CHF |
Antrieb | Benzin, Heckantrieb |
Hubraum / Zylinder | 2998 ccm / R6 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 250 kW bei 5000 - 6500 r/min |
Max. Drehmoment | 500 Nm bei 1600 - 4500 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 4,3 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 8,2 l/100 km / 188 g/km / E |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,7 l/100 km / 222 g/km / +18% |
Länge / Breite / Höhe | 4,38 m / 1,85 m / 1,29 m |
Leergewicht | 1579 kg |
Kofferraumvolumen | 290 l |
Bilder: Koray Adigüzel