Die Hoffnung stirbt zuletzt, heisst es so schön. Kann Toyota noch Sportwagen bauen? Wird Toyota überhaupt noch Sportwagen bauen? Oder gibt es nur noch sparsame, aber langweilige Hybride? Okay, der GT86 ist per Definition zwar ein Sportwagen, aber die Verkaufszahlen sind alles andere als berauschend und das hat seinen Grund: Es fehlt dem perfekt ausbalancierten Handlingtalent einfach an Motorpower. Die nötige Power hat jetzt dafür ausgerechnet die Unschuld vom Lande bekommen: Der Yaris! Die kleine Knallbüchse zeigt auf eine herrliche Art und Weise, was herauskommen kann, wenn man den Performance-Ingenieuren einfach mal freie Hand lässt und Gedanken an Umwelt und Komfort beiseite schiebt!
Mit der niedlichen Hybridvariante hat der selbst ernannte «Gazoo Racing Meister of Nürburgring» nicht mehr viel gemeinsam. Ein riesiger Kühlerschlund, enorme Tieferlegung (-24 Millimeter), schwarze Felgen von BBS, Heckflügel, Zentralauspuff und Kriegsbemalung machen aus dem putzigen Kleinwagen einen Strassenkämpfer und jeder, der nicht entweder deutlich grösser oder deutlich stärker ist, sollte sich nicht mit dem Japaner anlegen!
Wie durchgeknallt die Japaner tatsächlich sein können und wie ernst sie es meinen, zeigt sich am Antrieb. Nix Turbo, nix mit Ladedruckerhöhung. Stattdessen: Rein mit der 1,8-Liter Kompressormaschine aus der Lotus Elise! Das erforderte grossen Aufwand bezüglich Kühlung und Abgasmanagement, doch Toyota zog die Idee durch und verwandelte den Yaris somit in den Kompressorschreck, der in seinem Segment die Turbo-Kontrahenten regelrecht verbläst.
Gekoppelt an ein knackiges 6-Gang Getriebe legt die Taschenrakete ansatzlos los. Die Gasannahme ist phänomenal, jede Zuckung des Gaspedals wird unmittelbar in Vortrieb umgewandelt. Einen Sport-Modus sucht man vergebens, denn der Yaris ist quasi ständig im Sport-Modus! Mit einem metallischen Klang legt das Aggregat los, schön linear, dreht mühelos hoch und wird oberhalb von 4500 Touren so richtig lebendig.
Mühelos krakeelt sich die Kompressormaschine bis auf knapp 7000 Umdrehungen hoch und wer den Wagen ausdreht, erntet den grössten Spass! Denn während die in dieser Klasse üblichen Turbomotoren lieber den Drehmoment-Punch im mittleren Drehzahlbereich nutzen, wächst der Yaris mit steigenden Drehzahlen förmlich über sich hinaus.
Der Wagen hängt so gut am Gas und der Klang ist rein mechanisch. Keine Verstärkung, keine Sprotzeln oder Zwischengas, einfach nur metallisch klingender Motorsound, fein komponiert in genau der richtigen Lautstärke. Wer bereits jetzt in Partystimmung kommt, sollte erst noch abwarten, bis die ersten Kurven kommen! Der böseste aller Yaris nutzt nämlich etwas, was nicht mal im nächst höheren Segment selbstverständlich ist: Ein mechanisches Sperrdifferential an der Vorderachse.
Obwohl der Yaris optisch trotz Tieferlegung ziemlich hochbeinig wirkt und man in den Alcantara Sportsitzen zwar perfekt gestützt wird, aber leider zu hoch sitzt, liegt das Auto wie das sprichwörtliche Brett auf der Strasse. Mehr noch: Wie ein Kaninchen kann man mit dem Yaris Haken schlagen, schnelle Kurvenkombinationen oder spontane Ausweichmanöver meistert der Kleine mit Bravour.
Am Berg blüht der Japaner richtig auf. Mit stoischer Stabilität lässt sich der Wagen um die Kurven schmeissen, die Reifen wimmern zwar teilweise um Gnade, doch dank der mechanischen Sperre vorne bleibt der Wagen perfekt in der Spur, auch wenn man sehr früh in der Kurve wieder rausbeschleunigt.
Kein Kleinwagen vermittelt beim sportlichen Fahren soviel vertrauen wie der Yaris GRMN. Das ging im Test sogar soweit, dass ich mit sehr hoher Geschwindigkeit in eine von Bodenwellen gespickte lange Linkskurve fuhr. Das führte dazu, dass das linke Hinterrad für den Bruchteil einer Sekunde in der Luft hing und mein Herz einen Schlag aussetzte. Doch letzten Endes machte es nichts: Völlig unbeirrt und ohne notwendige Korrektur zog der Yaris auf meiner Ideallinie weiter. Der selbst ernannte Meister hat bewiesen, zu was er fähig ist.
Doch natürlich wäre das Ganze zu schön um wahr zu sein, wenn die Sache nicht einen massiven Haken hätte. Der Yaris GRMN ist in Europa auf 400 Einheiten limitiert, die Plakette mit der persönlichen Nummer befindet sich aber nicht im Innenraum, sondern im Motorraum. 50 Stück kamen in die Schweiz, sie waren nur online zum saftigen Preis von 36’990 Franken inklusive Komplettausstattung bestellbar und ruckzuck ausverkauft.
Am Anfang des Tests konnte ich darüber nur den Kopf schüttelt. Endlich räumt Toyota das Feld von hinten richtig auf und dann bauen sie nur 400 Stück. Doch der Kompressormotor fordert seinen Tribut. Der Yaris GRMN hängt nicht nur perfekt am Gas, sondern auch ständig an der Zapfsäule. Er lässt sich kaum mit einem Verbrauch von unter 8 Litern fahren, zweistellige Verbräuche sind dafür so schnell erreicht, wie das Triebwerk die Drehzahlleiter hochklettert.
Mit dem geringen Kontingent schützt Toyota also vornehmlich seine eigene CO2-Bilanz. Der Imageboost ist dennoch eingetroffen, doch jetzt haben die Petrolheads und Japan-Fans Blut geleckt: Mehr Gazoo Racing für die Strasse! Wer unbedingt einen Yaris GRMN möchte, muss übrigens nicht verzagen. Auf Autoscout sind nämlich noch diverse Modelle erhältlich, teilweise ohne Kilometer. Allerdings erfordert der kleiner Renner einige Zugeständnisse: Nebst dem hohen Verbrauch muss man sich mit mässiger Ergonomie, Halogenlicht sowie fehlendem Tempomat abfinden. Wem das alles egal ist, bekommt mit dem Yaris GRMN den kompromisslosesten Sportler im Segment, der eines Tages gut gepflegt vielleicht sogar wertstabil wird.
Alltag
Die herbe Federung sowie der fehlende Tempomat können auf längeren Strecken nerven. Zudem ist der Testwagen bei Regen ziemlich schnell aufgeschwommen, da ist Vorsicht geboten. Immerhin ist er sehr handlich und übersichtlich, ausserdem sind die Platzverhältnisse nicht schlecht.
Fahrdynamik
Aus der braven und unsportlichen Basis haben die Ingenieure von Gazoo Racing ein 3,95 Meter kurzes Biest erschaffen, das nur so nach Drehzahlen lechzt und sich in den Asphalt verbeisst. Sehr kompromisslos, aber sehr geil!
Umwelt
Der Yaris GRMN säuft bei sportlichem Einsatz locker das Dreifache eines Yaris Hybrid. Schon der Normverbrauch von 7,5 l/100 km ist sehr hoch, der Testverbrauch legt mit 8,5 l/100 km gleich nochmal eine Schippe drauf. Start-Stopp-Automatik? Pff…
Ausstrahlung
Dass mit dem GRMN nicht gut Kirschen essen ist, sieht man ihm auf den ersten Blick an. Allerdings sind die Proportionen immer noch etwas pummelig – er ist zu hoch und zu schmal.
Fazit
+ Auffällige Optik macht aufs Sondermodell aufmerksam
+ Exzellente Sportsitze, aber zu hohe Sitzposition
+ Rauer, metallischer Motorsound
+ Knackiges Getriebe
+ Exzellentes Handling, unerschütterliche Stabilität
+ Sehr drehfreudiger Motor mit top Ansprechverhalten
+ Sehr agiles Einlenkverhalten
+ Gute Übersicht
+ Verhältnismässig gutes Platzangebot im Fond
– Hoher Preis
– Hoher Verbrauch
– Teilweise billige Materialien
– Kein Tempomat
– Ergonomie nicht perfekt
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Toyota Yaris GRMN |
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Preis Basismodell / Testwagen | 36 990 CHF / 36 990 CHF (nicht mehr bestellbar) |
Antrieb | Benzin, Frontantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1798 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Kompressormotor |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Max. Leistung | 156 kW bei 6800 r/min |
Max. Drehmoment | 250 Nm bei 4800 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 6,4 s |
Vmax | 230 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 7,5 l/100 km / 170 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 8,5 l/100 km / 193 g/km / +13% |
Länge / Breite / Höhe | 3,95 m / 1,70 m / 1,51 m |
Leergewicht | 1210 kg |
Kofferraumvolumen | 286 - 768 l |
Bilder: Koray Adigüzel