Der Schwedische Mittelklasse-Kombi ist ein echter Allrounder: Komfortabel, recht sportlich, geräumig und vor allem – nobel. Hochwertige Ausstattung und viel Hightech schlagen sich aber im Preis nieder. Wer in der Konfiguration ein paar Eigenschaften des Schweden beachtet, bekommt ein sensationelles Auto, welches kaum Angriffsfläche bietet!
Optisch tappt Volvo meiner Meinung nach in die Audi-Falle. Ob das nun ein V60 oder ein V90 ist, lässt sich erst auf den zweiten Blick klären. Zwar erntet das Volvo-Design nach wie vor viele Sympathien und wirkt frisch, doch ein wenig mehr Eigenständigkeit würde dem V60 nicht schaden. Nur wer genau hinschaut, erkennt, dass der V90 vor allem an der Front eleganter und der V60 durch die Betonung der Breite sportlicher wirkt.
Schöner wohnen
Der Innenraum des Testwagens wirkt in Beige besonders edel. Vor allem in Kombination mit den Echtholz-Einlagen und den durchgestylten Lüftungsdüsen kommt man sich schnell wie in einem schwedischen Designstudio vor. Besonders gut gefällt mir, wie Volvo das Cockpit auf das Wesentliche reduziert und es dennoch nicht leer wirkt.
Materialgüte und Verarbeitungsqualität sind auf höchstem Niveau, die Ladekapazitäten dafür eher durchschnittlich. Zwar finden die Passagiere genügend Platz und verglichen mit dem direkten Vorgänger ist der Neue deutlich familientauglicher, doch ein Raumwunder ist er immer noch nicht. Das Plus an Platz, das er verglichen mit der deutschen Konkurrenz aufgrund des Quermotor-Layouts eigentlich haben müsste, kann er jedenfalls nicht bieten.
Stichwort Motor: Angetrieben wird der Testwagen vom bekannten T6-Benziner, der mit doppelter Aufladung (Turbo und Kompressor) für ansatzlosen Vortrieb sorgt. Das Aggregat ist an und für sich angenehm zu fahren und sorgt für ordentlich Druck, doch zwei Dinge prägen diesen Motor, seit er anno 2015 im XC90 an den Start gegangen ist: Er läuft für einen Benziner sehr rau und er verbraucht viel. 9,1 Liter Testverbrauch im V60 sind jedenfalls keine Glanzleistung.
Überraschend sportlich
Erfreulich im V60 ist, dass er die Performance des Motors aufgrund des guten Handling-Talents nutzen kann. Sportlichkeit ist bei den Schweden eigentlich kein grosses Thema, vor allem die SUVs sind diesbezüglich eher auf der behäbigen Seite. Der flache Kombi aber, im Testwagen durch ein straffes Sportfahrwerk sogar noch tiefergelegt, lässt sich überraschend agil bewegen und bleibt in zackig gefahrenen Kurven lange neutral, auch dank des Allradantriebes.
Wer das Auto jedoch zu hart rannehmen möchte, wird vom rigorosen ESP schnell wieder eingefangen. Auch im Sport-Modus hält der elektronische Wächter die Zügel eher straff. Sicherheit geht eben vor Sportlichkeit. Das optionale Sportfahrwerk beschert dem V60 zwar ein ordentliches Dynamik-Plus, allerdings sorgt es vor allem auf der Autobahn für ständige Karosserie-Bewegungen. Das muss man mögen, denn eine Sänfte ist der Kombi so nicht mehr.
Ausgereifte Assistenzsysteme
Erwähnenswert bei Volvo-Testwagen ist immer wieder, dass sich die Assistenzsysteme keine Fehlalarme erlauben. Vor allem der Notbremsassistent, der bei manchen Herstellern sehr sensibel reagiert, arbeitet bei Volvo generell sehr zuverlässig und warnt nur dann, wenn es wirklich kritisch ist. Weiterer Pluspunkt: Wer lieber ohne Spurhalte-Assistent unterwegs ist, muss das System nicht bei jedem Motorstart erneut deaktivieren. Wo hingegen Feinschliff gefordert wäre, ist beim Lichtsystem. Zwar verteilt auch der V60 sein Fernlicht adaptiv, dies geschieht allerdings so unharmonisch und grob, dass das LED-Lichtsystem nicht mit der deutschen Konkurrenz mithalten kann.
Abgesehen davon gibt es nur ein einziges Manko: Der getestete Benziner ist – abgesehen vom Plug-in-Hybrid-Antrieb, die stärkste Motorisierung. Wer aus Gründen der Souveränität oder des Fahrgefühls einen grösseren Motor wünscht, wird bei Volvo nicht fündig. Es heisst zwar, dass der Antrieb eines Autos in Zukunft immer zweitrangiger wird. Allerdings leben wird noch im Hier und Jetzt und für einen Testwagenpreis von doch 91’720 Franken ist der Gedanke nach einem V6-Aggregat nicht so abwegig. Wer dagegen weniger Wert auf Hubraum legt, wird in dem schicken Schweden einen tollen Alltagsbegleiter finden.
Alltag
Da der V60 ein Kompromiss aus Lifestyle und Praktikabilität sein will, ist er zwar deutlich geräumiger als sein Vorgänger, aber noch lange nicht Benchmark in seiner Klasse – das betrifft vor allem das Ladevolumen. Für die Passagiere steht genügend Platz zur Verfügung. Platz wird allerdings auch beim Rangieren benötigt, denn der Wendekreis erweist sich als recht sperrig.
Fahrdynamik
Mit dem optionalen Sportfahrwerk wird das Fahrverhalten deutlich knackiger, ausserdem erweist sich auch das Einlenkverhalten viel verbindlicher als beim grossen Bruder V90. Einer sportlichen Ausfahrt steht somit nichts im Weg, allerdings immer nur, solange es im Rahmen bleibt. Das ESP regelt sonst sehr streng. Wer Schaltwippen am Lenkrad will, ist ausserdem auf die R-Design Line angewiesen, was etwas doof ist, wenn man sich diesen Aufpreis eigentlich sparen möchte.
Umwelt
Der Zweiliter-Benziner T6 mit Turbo-und Kompressoraufladung ist ein alter Bekannter: Auch im V60 glänzt er nicht mit ökologischen Bestwerten, sondern hat im Test 9,1 l/100 km verbraucht.
Ausstrahlung
Den Spagat zwischen elegantem und doch markantem Design beherrscht Volvo perfekt. Das Auto macht Eindruck, wirkt aber nicht protzig. Allerdings ähnelt er meiner Meinung nach zu sehr am grossen Bruder.
Fazit
+ Edles, progressives Design
+ Stylisches Interieur im skandinavischen Stil, exzellente Qualität
+ Tiefe Sitzposition, top Sitze, perfekte Ergonomie
+ Viel Platz für die Insassen
+ Intuitives Infotainment-System im Tablet-Stil
+ Knackiges Handling, setzt aber das Sportfahrwerk voraus
+ Sehr gute Geräuschdämmung
+ Fortschrittliche Assistenzsysteme, arbeiten ohne Fehlalarme
+ Flottes Ansprechverhalten des Motors, linearer Durchzug
+ Treffsicheres Automatikgetriebe
– Rauer Motorlauf
– Relativ hoher Verbrauch
– Keine Online-Navigation möglich
– Grosser Wendekreis
– Strenges ESP, selbst im Sport-Modus
– Schaltpaddels nur in der R-Design-Line erhältlich
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Volvo V60 |
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Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen | 54 600 CHF / 63 700 CHF / 91 720 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1969 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbo- und Kompressormotor |
Max. Leistung | 228 kW bei 5700 r/min |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Drehmoment | 400 Nm bei 2200 - 5100 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 5,8 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 7,6 l/100 km / 176 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,1 l/100 km / 211 g/km / +20% |
Länge / Breite / Höhe | 4,76 m / 1,85 m / 1,42 m |
Leergewicht | 1906 kg |
Kofferraumvolumen | 529 - 1441 l |
Bilder: Koray Adigüzel