Frauen werden ihn lieben, den Volvo XC40. Von all den Neuwagen, die ich in den letzten Jahren gefahren bin, widmet kein einziger dem treuesten und wichtigsten Begleiter einer Dame die Aufmerksamkeit, die ihm zusteht. Doch der smarte Schwede verfügt oberhalb des Handschuhfachs über einen Haken, damit Frau ihre Handtasche elegant hinhängen kann. Dieses Detail ist aber noch längst nicht alles. Der jüngste SUV-Nachwuchs der Schweden trifft mit seinem Auftreten und seinem Package total den aktuellen Zeitgeist. Leider hapert es ausgerechnet unter der Haube.
Mut zur Farbe
Im Gegensatz zu seinen grösseren Brüdern setzt der XC40 auf ein kantigeres Design; er unterscheidet sich stärker und wirkt im Gegensatz zum XC60 nicht wie eine zu heiss gewaschene Version des XC90. Zudem ist das Dach in Kontrastfarbe erhältlich. Das muss nicht wie beim Testwagen eine gängige Kombination wie Weiss-Schwarz sein, die Schweden bieten da auch gewagtere Kombinationen an, wie beispielsweise Baby-blau-Weiss.
Definitiv Mut für Neues und Veränderung beweisen die Schweden im Interieur. Öffnet man die Türe, sieht man erstmal Orange, jede Menge Orange! Der knallige Filz ziert praktisch die ganze untere Hälfte des Interieurs, selbst die Teppiche sind Orange. Wer den 220 Franken teuren Spass lieber nicht möchte, kann natürlich das serienmässige Schwarz wählen.
Cleverer Bursche
Wer sich intensiver mit dem Innenleben des XC40 beschäftigt, fragt sich, ob Volvo Innenausstatter von Skoda abgeworben hat, denn so clever war bislang noch kein Volvo. Ein Highlight sind die «versteckten» Lautsprecher im Armaturenbrett, die den Resonanzkörper der Karosserie nutzen. Dadurch wachsen die Ablagefächer in den Türen auf geradezu gigantische Ausmasse an, selbst ein 15″-Laptop in der Schutzhülle findet darin Platz! Und keine Sorge, die Musikqualität leidet unter diesem Kunstgriff nicht.
Das ist aber noch nicht alles, denn eine Vielzahl an Ablageflächen, ein portabler Abfallbehälter, eine grosse, induktive Ladefläche sowie der eingangs erwähnte Haken für die Handtasche runden das smarte Cockpit ab. Nicht weniger clever ist das Kofferraum-Mangement. Doppelter Boden, aufstellbare Trennwand sowie diverse Befestigungsmöglichkeiten zeugen auch hier von viel Hirnschmalz.
Trinkfester Geselle
Weniger Begeisterungsstürme löst der kompakte Schwede in Fahrt aus. Der T5 Testwagen ist ein 182 kW starker Zweiliter-Benziner. Es handelt sich im Grunde um das Einheitsaggregat der Schweden – als T5 mit Turbo und als T6 mit Turbo und Kompressor (nicht für den XC40 erhältlich) treibt dieser Benziner praktisch die ganze Modellpalette an.
Auch im XC40 offenbart dieses Triebwerk die bekannten Nachteile: Verhaltene Drehfreude, angestrengter und wenig souveräner Klang sowie grosser Durst. Zwar musste der XC40 im Test die eine oder andere sportliche Passage über sich ergehen lassen, trotzdem sind 9,9 l/100 km Testverbrauch für dieses Segment und diese Grösse sehr viel. Ebenfalls wenig hilfreich erweist sich diesbezüglich das hohe Gewicht von 1807 Kilo, diese Masse muss auch erst mal in Schwung gebracht werden. Wohl auch deswegen fühlt sich das Auto insgesamt weniger potent an, als es die Leistung vermuten lässt.
Weiter kommt hinzu, dass der R-Design Testwagen zwischen Stuhl und Bank fällt. Er rollt zwar mit dem Sportfahrwerk und schicken 20-Zöllern vor, aber das verschlechtert den Abrollkomfort. Würde er dies mit einem tollen Handling wettmachen, wäre die Welt in Ordnung. Doch so richtig sportlich ist das Sportfahrwerk nicht. Zügig um Kurven fahren macht Laune, aber wer richtig sportlich unterwegs sein will, vermisst etwas mehr Rückmeldung von der Lenkung. Ausserdem kommt trotz des Sportfahrwerks ziemlich schnell ordentlich Seitenneigung auf. Darüber hinaus ist das ESP extrem rigoros, sobald man schnell in die Kurven fährt. R-Design ist bei Volvo nicht mit Sportlichkeit zu verwechseln.
Besser ohne R-Design
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der XC40 in einer anderen Konfiguration sehr viel besser dastehen würde. Ich stelle mir da einen Diesel ohne R-Design und mit 19-Zöllern vor. Da kommt der Sportgedanke gar nicht erst auf, der Fahrkomfort wäre höher und der Verbrauch tiefer. Denn der XC40 ist eigentlich sehr angenehm zu fahren. Sein Individual-Fahrmodus ist detailliert personalisierbar, das Geräuschniveau ist ausgesprochen tief und die Sitze exzellent.
Weiter kommt dazu, dass Volvo auch seinem Kleinen praktisch das volle Assistenzarsenal mit auf den Weg gibt. Semi-autonomes Fahren auf der Autobahn, 360-Grad-Kamera, automatischer Parkassistent, Tot-Winkel-Warner – alles auf Wunsch dabei. Ausserdem serienmässig: Ein ausgezeichneter Notbremsassistent, der Fussgänger, Velofahrer sowie Autos erkennt und sich keine Fehlalarme erlaubt. So müssen Assistenzsysteme funktionieren. Ausserdem bleibt der Spurhalteassistent auch nach dem Motorstar aus, wenn man das System nicht mag. Verzichten muss man nur auf adaptives Fernlicht.
Teures Vergnügen
Wie bei Volvo üblich ist auch der XC40 kein Sonderangebot. Zwar lockt die Preisliste ab 36’500 Franken, doch der hier präsentierte Testwagen mit sämtlichen Sonderausstattungen markiert mit fast 72’000 Franken das andere Ende der Preisskala. Das ist viel Geld für ein Kompakt-SUV. Was man bekommt, ist ein angenehmes Reiseauto, vollwertige und zuverlässige Assistenzsysteme sowie eine sehr clevere Innenraum-Ausstattung. Vom durstigen Benziner würde ich allerdings abraten, ebenso von der R-Design Ausstattung. Wenn sich Volvo ein sportlicheres Image wünscht, dann sollte sich Polestar den XC40 vorknöpfen, schliesslich verkaufen sich potente SUVs momentan ganz gut. Dies wird wohl allerdings ein Tagtraum bleiben, da Volvo und auch Polestar eine andere Zukunft anstreben.
Alltag
Dank seinen praktischen Gepäck-Lösungen, den zahlreichen Ablagefächern sowie den grosszügigen Platzverhältnissen ist der XC40 für alle Alltagsaufgaben perfekt gerüstet. Einzig der Verbrauch schlägt sich beim täglichen Pendeln aufs Portmonee nieder.
Fahrdynamik
Bis zu einem gewissen Grad lässt das SUV sportliches Fahren zu, doch die aufkommende Seitenneigung trotz Sportfahrwerk zeigt, dass er kein Sportler ist. Wer noch eine Schippe obendrauf legen will, wird vom ESP alles andere als sanft eingebremst. Die Leistung fühlt sich auf der Strasse ausserdem nach weniger an als auf dem Papier.
Umwelt
Klar muss die Topmotorisierung kein Ökowunder sein, doch 9,9 l/100 km sind als Testverbrauch dann doch zu viel, zumal der Normverbrauch mit 7,2 l/100 km deutlich tiefer ist.
Ausstrahlung
Ohne zu verspielt zu wirken, kommt der XC40 deutlich jungendlicher daher als seine grösseren Brüder. Vor allem die teils gewagten Farbkombinationen oder das optionale Orange im Innenraum zeugen vom Mut der Schweden, etwas anderes zu wagen.
Fazit
+ Teils unübliche Farbkombinationen
+ Sehr bequeme Sitze, top Ergonomie
+ Grosszügige Platzverhältnisse
+ Clevere Detail- und Verstau-Lösungen
+ Top Infotainmentsystem mit weitreichenden Funktionsumfang und intuitiver Bedienung
+ Sehr leises Fahrverhalten
+ Sehr viele Assistenzsysteme erhältlich, zuverlässige Arbeitsweise
+ Individual-Modus mit vielen Einstellmöglichkeiten
+ Geschmeidiges und flinkes Automatikgetriebe
– Hoher Verbrauch
– Angestrengter Motorklang, wenig Drehfreude
– Wenig überzeugendes Sportfahrwerk
– Harsches ESP, lässt sich nicht deaktivieren
– Hoher Preis
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Volvo XC40 T5 R-Design |
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Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen | 36 500 CHF / 52 600 CHF / 71 895 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1969 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 182 kW bei 5500 r/min |
Max. Drehmoment | 350 Nm bei 1800 - 4800 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 6,5 s |
Vmax | 230 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 7,2 l/100 km / 168 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,9 l/100 km / 231 g/km / +38% |
Länge / Breite / Höhe | 4,43 m / 1,86 m / 1,65 m |
Leergewicht | 1807 kg |
Kofferraumvolumen | 460 - 1336 l |
Bilder: Koray Adigüzel