Dieser Testwagen «gehörte» nicht mir alleine, sondern befindet sich für ein Jahr im Fuhrpark der auto-illustrierte. So, wie jeder Mensch seine eigene Persönlichkeit hat, hat auch jeder seine eigenen Vorlieben, wenn es um die Einstellungen im Auto geht. Und im Volvo XC60 gibt es jede Menge einzustellen! Stets alles aufs Neue einzustellen, nachdem Redaktionskollegen damit gefahren sind, wäre ein ganz schöner Krampf vor Antritt der Fahrt. Doch dem XC60 liegt es fern, seinen Fahrern Krämpfe zu verursachen. Nichtsdestotrotz sind die Preisliste sowie die Benzinabrechnung starker Tobak.
Das Geheimnis des Kochwaschgangs haben offenbar auch die Schweden entdeckt. Ob man nun vor einem XC90 oder XC60 steht, ist auf Anhieb gar nicht so einfach zu erkennen. Die beiden SUVs waren früher viel differenzierter. Klar, Familienlook muss schon sein, aber mir persönlich bietet der XC60 zu wenig Eigenständigkeit – zumindest innerhalb der Volvo-Familie.
Im Vergleich zur Konkurrenz sieht das Schweden-SUV dann schon erfreulich cool aus. Vor allem das Heck mit den markanten, vertikalen Rücklichtern macht ordentlich was her. Dafür ist das R-Design Paket recht zurückhaltend. Insbesondere die deutschen SUVs wirken in Verbindung mit dem Sport-Paket aggressiver. Doch ein protziger Auftritt ist nicht das, was die Schweden wollen. Der XC60 sieht so schick aus, dass man ihm selbst einen matschigen Weg gar nicht zumuten möchte, da ansonsten die glänzenden 21-Zöller beschmutzt werden.
Für mich das Highlight des Autos ist aber das Interieur. Zum einen natürlich wegen der erstklassigen Qualität – aber das ist noch lange kein Alleinstellungsmerkmal im Premium-Segment. Puncto Design bewegt sich Volvo dann schon in einer anderen Liga. Die paar wenigen Knöpfe sind liebevoll designt und allesamt auf der Mittelkonsole oder unterhalb des Touchscreens angeordnet. Der Rest wird über ebendiesen bedient, und ich bin ein echter Fan des Volvo Infotainments.
Ältere Semester empfinden es als «gewöhnungsbedürftig», aber für mich als Digital Native gibt es da nichts, an was es sich zu gewöhnen gibt. Die Bedienung ist von Apple inspiriert, aber das ist keineswegs verkehrt. Navi, Media, Telefon sowie die letzt genutzte App befinden sich auf dem Homescreen, mit jeweils einer Wischbewegung gelangt man entweder zu den bordeigenen Apps, zu den Assistenzsystemen oder zu den Einstellungen.
Für mich total intuitiv, ausserdem reagiert der Touchscreen schnell und sensibel, wie ein iPad eben. Apple CarPlay sowie Android Auto sind da eine Selbstverständlichkeit. Einzig, dass die komplette Klimaanlage sowie Sitz- und Lenkradheizung ebenfalls über den Touchscreen bedient werden müssen, birgt Ablenkungspotenzial. Da wären Knöpfe praktischer, aber anscheinend war den Schweden cleanes Design wichtiger.
Einmal mein Profil angelegt, begrüsst mich der XC60 sogar stets namentlich, da er nun meine Präferenzen kennt. Und einzustellen gibt es im XC60 eine ganze Menge: Die Stärke der Klimaautomatik, die Wohlfühltemperatur, Feintuning der Bowers & Wilkins Audioanlage, Farbe der Ambientebeleuchtung, Design des digitalen Cockpits, Kartendarstellung und natürlich der Individual-Fahrmodus.
Letzterer ist für jene besonders wichtig, die ein angenehmes Mass an Rückmeldung von der Strasse wünschen. Im standardmässigen Comfort-Modus ist der Name nämlich Programm: Weich federt der Schwede über die Strasse, die Lenkung ist dabei so leichtgängig, dass fast das Gefühl dafür fehlt. Nur schon eine schnelle Kreiseldurchfahrt gibt einem das Gefühl, das die fahrdynamische Grenze des XC60 bald erreicht ist!
Dem ist natürlich nicht so, aber meiner Meinung nach ist der Comfort-Modus ausserhalb von Autobahnen zu viel des Guten und trifft eher den amerikanischen, als den europäischen Geschmack. Leider muss der Individual-Modus nach jedem Motorstart erneut angewählt werden, aber dafür können Antrieb, Fahrwerk, Lenkung, Klimaanlage und sogar Bremspedal-Charakteristik sowie Start-Stopp-Automatik konfiguriert werden.
Sind Fahrwerk und Lenkung auf Dynamic eingestellt, mutiert der XC60 fast zu einem anderen Auto. Mit dem Luftfahrwerk senkt sich der Wagen sogar ein Stück ab. Kurven nimmt der Schwede nun mit erheblich weniger Seitenneigung und die Lenkung vermittelt spürbar mehr Agilität. Mit dem kräftigen T6-Benziner mit 228 kW ist der XC60 mehr als ausreichend motorisiert und dank Doppelaufladung mittels Turbo und Kompressor verfügt das Aggregat insbesondere im Dynamic-Modus über ein erfreulich zackiges Ansprechverhalten. Obwohl sich der Schwede im Dynamic-Modus auch von zügig gefahrenen Kurven nicht so schnell aus der Ruhe bringen lässt, ist er nicht der Dynamiker unter den SUVs. Das geht aber in Ordnung, da Volvo auch nicht von einem sportlichen SUV spricht.
Sportlich sind am XC60 höchstens zwei Dinge: Der Verbrauch und der Preis. Wer sich zusammenreisst, bringt Verbräuche um die 9 Liter zustande, doch 10 Liter sind leider realistischer. Doppelte Aufladung hin oder her, mir scheint, für ein zwei Tonnen schweres Auto sind Downsizing und ein Zweiliter-Aggregat nicht der richtige Ansatz.
Ob die Preise von Volvo der richtige Ansatz sind, muss sich noch weisen. Die Aufpreisliste der Schweden steht jenen der Deutschen in nichts nach und wer sich beim Ankreuzen von Extras austobt, bringt wie beim Testwagen einen Preis von 96’300 Franken hin. Selbst die nackte Basis mit nichts drin startet erst bei 55’000 Franken. Der Vorgänger war zwar noch nicht so ein Designerschlitten, aber er war auch nicht so teuer.
Alltag
Der XC60 bietet sehr gute Platzverhältnisse, jedoch ohne nennenswerte Variabilität. Die Luftfederung, welche sich beim Beladen absenkt, ist praktisch – der sperrige Wendekreis weniger.
Fahrdynamik
Um einigermassen sportlich unterwegs zu sein, müssen Lenkung und Fahrwerk unbedingt auf Dynamic eingestellt sein. Der Motor spricht zackig an, dennoch ist das Sportprogramm nicht die Paradedisziplin des Schweden-SUVs.
Umwelt
Der Verbrauch ist noch viel weniger seine Paradedisziplin. Zwar ist der kräftige Benziner keinesfalls mit dem Gewicht überfordert, doch an der Tankstelle bezahlt man mit einem Verbrauch von 10,0 l/100 km den Preis. Nicht gerade das, was man sich in der Theorie vom Downsizing verspricht.
Ausstrahlung
Schon aussen ist der XC60 richtig cool designt – der Innenraum aber ist die reinste Wohlfühloase mit garantiertem Wow-Effekt.
Fazit
+ Cooles Aussendesign
+ Edles und sehr modernes Innendesign
+ Top Infotainment mit super Bedienung und Smartphone-Integration
+ Umfangreiche Personalisierung
+ Exzellente Sportsitze
+ Grosszügige Platzverhältnisse
+ Armada an Assistenzsystemen, semi-autonomes Fahren möglich
+ Grosse Spreizung zwischen den Fahrmodi
+ Sehr geschmeidiges und ruhiges Fahrverhalten
+ Adaptives Luftfahrwerk
+ Schnelles Ansprechverhalten vom Motor
+ Perfekt agierendes Getriebe
– Hoher Verbrauch
– Hoher Preis
– Grosser Wendekreis
– Comfort-Modus abseits von Autobahnen zu schwammig
Steckbrief
Marke / Modell | Volvo XC60 |
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Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen | 55 000 CHF / 66 700 CHF / 96 300 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1968 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Motor mit Turbo- und Kompressoraufladung |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 228 kW bei 5700 r/min |
Max. Drehmoment | 400 Nm bei 2200 - 5100 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 5,9 s |
Vmax | 230 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 7,8 l/100 km / 177 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 10,0 l/100 km / 227 g/km / +28% |
Länge / Breite / Höhe | 4,69 m / 1,90 m / 1,66 m |
Leergewicht | 2009 kg |
Kofferraumvolumen | 505 - 1432 l |
Bilder: Koray Adigüzel