Ich muss mir diese Szene einfach vor meinem geistigen Auge vorstellen. Ich als erfolgreicher Geschäftsmann bin gerade dran, einen vielversprechenden Deal abzuschliessen. Währenddessen überlege ich mir, ob ich meinen Chauffeur bestellen soll, der mir in einem XC90 den Champagner kalt stellt. Oder soll ich zur Feier des Tages doch selber fahren und mir den Champagner am Abend gönnen? Ausserdem habe ich in diesem Fall eine weitere, quälende Frage zu beantworten. Soll ich leise und gemütlich im Elektromodus nach Hause cruisen? Oder soll ich die Bergstrasse im Power-Modus erklimmen? Hmm. Aktuell frage ich mich in meiner gegenwärtigen Situation eher, ob Geld wirklich glücklich macht, wenn ich mich dann solchen Entscheidungen stellen muss…?
Von aussen sieht man dem grossen SUV diesen Luxus im Innenraum kaum an. Das grosse SUV wirkt auf eine zurückhaltende Art elegant, das protzige Getue der Deutschen Schlachtschiffe ist dem Schweden fremd. Einzig die kleine Krone auf der Heckklappe ist ein subtiler Hinweis auf die spitzenmässige Excellence-Ausführung. Besonders stylisch beim XC90 ist der Schlüssel, der von demselben Leder bezogen ist, wie die Sitze im Innenraum – natürlich ebenfalls mit Excellence-Emblem.
Die Frage nach dem Chauffeur und dem Champagner erübrigt sich, denn natürlich bin ich kein Geschäftsmann. Den XC90 Plug-in Hybrid fahre ich zurzeit aber wirklich und er verfügt tatsächlich über einen Kühlschrank inklusive hochwertigen Champagner-Gläsern. Überhaupt verströmt das Interieur die Atmosphäre einer schwedischen Suite. Insbesondere die helle Innenausstattung in Verbindung mit dem edlen Holz schafft auf Anhieb ein gleichzeitig luxuriöses, aber auch heimeliges Ambiente.
Die Materialien sind ein wahrer Traum. Das Holz glatt, das Leder weich und der Schalthebel in der Form eines Kristalls ein Tribut an die schwedische Glasmanufaktur Orrefors. Dazu kommt das derzeit beste Infotainmentsystem, denn im XC90 geht das so schnell und einfach, wie auf einem iPad. Intuitiv, übersichtlich und vielseitig. An den Kopfstützen lässt sich auf Wunsch ein echtes iPad montieren, damit die Passagiere im Fond beispielsweise einen Film schauen können. Die beiden superbequemen Einzelsitze hinten können beliebig verstellt werden, so dass man sich durchaus wie ich als imaginärer Geschäftsmensch fragen kann, ob man lieber selber fahren oder gefahren werden will.
Eigentlich kann man das Fortbewegen im XC90 kaum noch als Autofahren bezeichnen. Es ist vielmehr ein bedächtiges Schweben. Der XC90 ist grundsätzlich ein leises Auto, aber im elektrischen Modus herrscht eine so klare Ruhe an Bord, dass selbst das leise Säuseln der Lüftung in der niedrigsten Stufe aufdringlich laut wirkt. Das Luftfahrwerk koppelt einem fast komplett von der Strasse ab. Ich habe mir so manches Mal gewünscht, während der Fahrt nach hinten zu wechseln. Die Ruhe, die dieses Auto verströmt, gepaart mit dem unschlagbaren Komfort sind einfach himmlisch. Die Bowers & Wilkins Soundanlage ist wie der ganze Rest vom Auto nichts geringeres als das Beste vom Besten. Die Musik wird kristallklar wiedergegeben und als besonderes Schmankerl lässt sich im Auto die Göteborger Konzerthalle simulieren, sodass man sich wirklich fühlt wie an einem Konzert.
Volvo verspricht 40 Kilometer rein elektrische Reichweite, jedoch müht sich der an der Hinterachse verbaute Elektromotor mit den über 2350 Kilo Leergewicht ziemlich ab. Mehr als gemütliches mitschwimmen im Verkehr liegt im Elektromodus nicht drin, wobei – mit diesem Auto will man sowieso nur ganz gechillt unterwegs sein. Nichtsdestotrotz habe ich im Test selbst mit grösster Vorsicht bloss 38 Kilometer geschafft, im Schnitt sind es eher 25 bis 30 Kilometer, je nach Fahrstil und Topografie. Ist der Akku leer, fährt sich der XC90 wie ein normaler Hybrid, bei dem der E-Motor bloss noch beim Anfahren und bei sehr, sehr geringer Last alleine arbeitet.
Volvo wirbt gerne mit der kombinierten Power der beiden Motoren, jedoch war ich sehr skeptisch gegenüber dem Power Modus des XC90. Zu sehr koppelt er Fahrer und Strasse voneinander ab. Jedoch zieht sich der XC90 im Power Modus tatsächlich den Trainingsanzug über. Das Fahrwerk senkt sich spürbar ab und alles wird deutlich verbindlicher: Federung, Lenkung und sogar die Bremse. Optional kann auch noch das ESP in den Sport-Modus versetzt werden.
Es klingt unglaublich, aber der XC90 ist tatsächlich ein äusserst präzises Auto! Mit der Unterstützung des Elektromotors hat der schon an sich starke Benziner leichtes Spiel, sodass das SUV auch bergauf mühelos voranprescht. Erstaunlich ist aber, wie direkt der XC90 plötzlich einlenkt und wie straff das Fahrwerk auf einmal ist. Selbst bei schnellen Kurven hat man überhaupt nicht das Gefühl, dass hier gleich alles kippt, im Gegenteil, der Volvo liegt ausgesprochen satt auf der Strasse. Das ESP regelt im Sport-Modus tolerant, so dass man fast das Gefühl hat, man fährt ein zweites Auto. Die Diskrepanz zwischen Elektro- und Power Modus ist riesig, da sind Welten dazwischen!
Die Wahl zwischen diesen beiden auf ihre Art und Weise faszinierenden Welten hat allerdings ihren Preis. Der XC90 Plug-in Hybrid startet nämlich bei 96’000 Franken, der Testwagen mit allem, was man sich wünschen kann, schlägt mit 138’000 Franken zu buche. Allerdings eignet sich die Excellence-Ausführung wirklich nur für VIP-Shuttles oder sehr luxusverwöhnte Menschen. Als normaler 5-Plätzer mit etwas weniger Schnickschnack ist das Auto etwas günstiger. Trotz des hohen Preises ist der XC90 nicht überteuert.
Seine Fahrmodi sind alle für sich eine Reise Wert und das riesige Arsenal an Assistenzsystemen hilft, wo es nur kann; auch teilautonomes Fahren auf der Autobahn ist möglich. Es gibt die eine oder andere Kleinigkeit, die Volvo ausbessern könnte. Ich habe jedoch die Lehrer immer gemocht, die nicht wegen jedem Detail sofort die Prüfungsnote runtergeschraubt haben. Und weil die Note 5,8 sowohl auf dem Papier, als auch auf dem Blog nicht so vollkommen wirkt, gebe ich dem XC90 Twin Engine die Note 6. Dieses Auto muss man mal erlebt haben.
Alltag
Als 4-Plätzer in der Excellence Ausführung kann der Kofferraum nicht erweitert werden. Darum ist manch kleineres SUV im Alltag praktischer als der XC90. Doch dessen Qualitäten liegen in dieser edlen Ausführung definitiv woanders und die erfüllt er mit Bravour.
Fahrdynamik
Für ein so grosses und schweres SUV fährt sich der XC90 sportlicher als gedacht. Durch das Absenken der Luftfederung und der präzisen Lenkung kann das Schiff mit dem ESP im Sport-Modus ganz schön rassig um Kurven fahren. Machen die beiden Motoren gemeinsame Sache, stürmt das Auto gewaltig voran, ist der jedoch Akku leer, spürt man den Unterschied deutlich, wenn der Benziner auf sich alleine gestellt ist.
Umwelt
Die Umweltbilanz für dieses Schiff stimmt, sofern regelmässig geladen wird – wobei auch bei rund einem Viertel elektrisch zurückgelegter Distanz der Verbrauch immer noch 8,5 l/100 km beträgt. Angesichts von Gewicht und Fahrleistungen aber ein akzeptabler Wert.
Ausstrahlung
Der Volvo XC90 verströmt gleichzeitig Eleganz und Zurückhaltung. Für seine Grösse wirkt er überhaupt nicht protzig.
Fazit
+ Elegantes, zurückhaltendes Design
+ Brachiale Power
+ Präzise Lenkung
+ Unauffälliges 8-Gang Getriebe
+ Tolerantes ESP im Sport-Modus
+ Knackiges Handling im Power Modus
+ Fahrkomfort erster Güte
+ Teil-autonomes Fahren möglich, unzählige Assistenzsysteme verfügbar
+ Extrem ruhiges Fahrverhalten
+ Exzellente Verarbeitungsqualität
+ Edelste Materialien
+ Erstklassige Sitze
+ State of the Art Infotainmentsystem
+ Sehr klares, blendfreies LED-Licht
– Hoher Preis
– Hoher Verbrauch bei leerem Akku
– Eher knappe elektrische Reichweite
– Benziner mit verhältnismässig rauem Lauf
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Volvo XC90 T8 Twin Engine |
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Preis Basismodell / Testwagen | 96 000 CHF / 138 000 CHF |
Antrieb | Benzin Plug-in-Hybrid / Allradantrieb |
Akkukapazität | 9,6 kWh |
Hubraum / Zylinder | 1969 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Front-Benzinmotor, Heck-Elektromotor / Turbo-/Kompressor- und Elektromotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung E-Motor / Benziner / Systemleistung | 64 kW / 235 kW / 299 kW |
Systemdrehmoment | 640 Nm |
Beschleunigung 0–100 km/h | 5,6 s |
Vmax | 230 km/h (125 km/h im E-Modus) |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 2,1 l/100 km / 49 g/km / A |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 8,5 l/100 km / 198 g/km / +404% |
NEFZ-Reichweite im E-Modus | 40 km |
Test-Reichweite im E-Modus | Ø 30 km, max. 38 km |
Länge / Breite / Höhe | 4,95 m / 1,96 m / 1,78 m |
Leergewicht | 2367 kg |
Kofferraumvolumen | 640 l |
Bilder: Koray Adigüzel
2 thoughts on “Volvo XC90 Twin Engine: Fährst du noch oder wohnst du schon?”