Das Ende der Geschichte: VW Beetle

Insgesamt 320’637 Käfer hat die Amag gemäss eigenen Abgaben innert 35 Jahren verkauft – der Erste im Jahr 1948, der Letzte anno 1983. Macht 9161 Einheiten pro Jahr. Von solchen Verkaufzsahlen konnte der neue Beetle seit Anbeginn seiner Zeit nur träumen. 2017 wurden 300 Beetle neu zugelassen, was dem Niveau vom Audi TT entspricht – mit dem Unterschied, dass der Beetle eigentlich ein Auto für die Masse sein sollte, während der TT ein Nischenprodukt ist. Obwohl der moderne Käfer tolles Fahrverhalten mit trendigen Optikpaketen vereint, ist etwas gewaltig schief gelaufen. Stand er im Schatten der Konkurrenz aus dem eigenen Haus? Entfernte er sich zu sehr von seinen Käfer-Wurzeln? War er zu teuer? Wurde er falsch vermarktet? Von allem etwas? Fragen, die wohl nie abschliessend beantwortet werden. Zeit, mit dem Beetle Cabrio auf Abschiedstournee zu gehen.

Seine letzte Ehre gibt sich der Beetle als Cabrio in Deepblack Perleffekt, rot-schwarzem Leder-Interieur sowie R-Line-Paket. Obwohl das Auto mittlerweile sieben Jahre alt ist, wirkt er nicht wie von vorgestern. Seine ausgeprägten Rundungen können sowohl sportlich interpretiert werden, oder als herzig empfunden werden. Der Testwagen trägt eher ein maskulines Outfit, doch es geht auch weniger aggressiv und mit einer freundlicheren Farbe. Zudem kann – nein, konnte – man auch Felgen im Retro-Design ordern.

2017 VW Beetle Cabrio
Wie beim Urmodell faltet sich das Verdeck hinten zusammen, bleibt aber sichtbar.

Ja, richtig gelesen, konnte. Seit Ende Juni 2018 ist die Produktion für Europa definitiv eingestellt. Es sind nur noch Lagerfahrzeuge erhältlich, aktuell sind es laut Angaben der Amag noch 24 Stück. Wer also noch einen Wunsch-Beetle möchte, kann ihn online konfigurieren, zum Händler gehen und hoffen, dass einer der letzten Beetle der persönlichen Konfiguration möglichst nahe kommt.

2017 VW Beetle Cabrio
Das rund 2-3 Minuten dauernde Montieren der Persenning ist nicht notwendig, verschönert aber die Silhouette.

Dass der Beetle mit seiner Geschichte das emotionalste Modell von VW ist, bestreitet niemand. Doch so richtig wollte das mit den Emotionen nie klappen. Der originale Käfer ist sowieso eine Klasse für sich, doch der Vorgänger-Beetle hat mit seinem Halbkugel-Design die Frauenwelt begeistert und den Namen weiterleben lassen. Die jüngste Variante wurde seinerzeit bei der Lancierung 2011 – ich mag mich entsinnen – aufwendig als «erwachsen» und «sportlich» vermarktet.

2017 VW Beetle Cabrio
Typisch Beetle: Das sogenannte Käfer-Fach, eine weitere Reminiszenz an das Original.

Technisch ist der aktuelle Beetle mit dem 6er Golf verwandt, während der 7er Golf bereits seit Ende 2012 vermarktet wird. So war der neue Beetle also schon veraltet, als er noch neu war. Dazu kommt, dass er unpraktischer und teurer als der Golf war, der ihm stets technisch voraus eilte. Dass das Konzept funktionieren kann, zeigt Fiat mit dem 500, der ebenfalls schon lange nicht mehr taufrisch ist. Dennoch verkauft er sich prächtig, obwohl er nicht so günstig und technisch nicht mehr ganz auf der Höhe ist.

2017 VW Beetle Cabrio
Vor Charme strotzt das Interieur trotz Beetle-Schriftzug und Käferfach nicht. Es ist recht sachlich gehalten.

Allerdings hat der Italiener etwas, was dem modernen Käfer zu fehlen scheint: Spirit. Der 500 verkörpert wie kein zweites Auto italienische Leichtigkeit, sieht dem Original trotz modernem Design sehr ähnlich und wird mit unzähligen Sondermodellen stets als etwas besonderes beworben. Wenn man aber mit dem Beetle durch die Gegend fährt, fährt man in den Augen der meisten Leute keine Ikone. Niemand hat mich im Verlauf des Tests auf das Auto angesprochen, lange oder neugierige Blicke blieben aus. Hat sich der neue Beetle zu sehr vom Original entfernt?

2017 VW Beetle Cabrio
Die echten Volkswagen heissen mittlerweile Golf und Tiguan, der Beetle wurde zum Nischenprodukt.

Fakt ist, dass der Beetle insbesondere mit der Top-Motorisierung ein durchaus spassig zu fahrendes Auto ist. Er kämpft zwar etwas mit der mangelnden Karosseriesteifigkeit, aber trotz sportlichem Marketing und ehemaligen GTI-Motor ist dies ein Cabrio zum flanieren. Doch ein schönes Fahrverhalten bieten auch diverse andere Konkurrenten. Warum soll es trotzdem der Beetle sein? Eine Frage, die nicht nur ich, sondern wohl auch potenzielle Interessenten nicht beantworten konnten – und sich somit nicht für den Beetle entschieden.

2017 VW Beetle Cabrio
Ein grosser Name, doch die Erinnerungen sind fast ausschliesslich mit dem Urmodell verknüpft.

Am Ende bleibt ein modernes Auto mit einem grossen Schriftzug am Heck, der zwar jedem etwas sagt, jedoch die europäischen Herzen nicht für sich gewinnen konnte. Schade, hat sich VW nicht mal die Mühe gegeben, dem Beetle eine Sonderserie zum Abschied zu schenken. Wer im Netz etwas stöbert, bekommt aber auch nicht das Gefühl, dass dem Beetle hinterher getrauert wird.

2017 VW Beetle Cabrio
Trotz R-Line bleibt am Beetle stets etwas Feminines haften.

Zwar darf das Auto in China und Amerika aufgrund besserer Verkaufszahlen dort noch etwas länger leben, doch VW hat schon bestätigt, dass der Beetle ohne Nachfolger bleiben wird. Damit ist VW aktuell ohne Cabrio im Portfolio unterwegs, das nächste Frischluftmodell wird der offene T-Roc sein, voraussichtlich Ende 2019. Ob er die europäischen Herzen erobern kann? Mal schauen… Er muss auf jeden Fall in keine grossen Fussstapfen treten, wie es beim Beetle der Fall gewesen ist.

2017 VW Beetle Cabrio
Ein Klassiker wie das Ur-Modell wird der aktuelle Beetle wohl nie werden.

Steckbrief

Marke / ModellVW Beetle Cabrio
Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen26 200 CHF / 38 450 CHF / 46 800 CHF (nicht mehr bestellbar)
AntriebBenzin, Frontantrieb
Hubraum / Zylinder 1984 ccm / R4
Motoranordnung / Motorkonzept Frontmotor / Turbomotor
Getriebe6-Gang manuell
Max. Leistung162 kW bei 4500 - 6200 r/min
Max. Drehmoment350 Nm bei 1500 - 4400 r/min
Beschleunigung 0 - 100 km/h6,7 s
Vmax233 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz6,6 l/100 km / 154 g/km / G
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz8,1 l/100 km / 188 g/km / +23%
Länge / Breite / Höhe4,29 m / 1,83 m / 1,47 m
Leergewicht1569 kg
Kofferraumvolumen225 l

Bilder: Koray Adigüzel

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