Emotionalität ist jetzt nicht die ganz grosse Stärke von VW. Die sportlichen Golf-Derivate bieten aber durchaus das gewisse Etwas und das Design generell war auch schon biederer. Ausserdem kommt mit dem Arteon demnächst ein schickes Topmodell, sprich: Die Marke ist auf einem ganz guten Weg, ihren guten Produkten auch den gewünschten Pepp einzuhauchen. Ein Ausreisser nach oben ist aber nur der Beetle. Trotz Facelift gehört er zwar zu den älteren Modellen im Portfolio und obwohl man das hier und da auch merkt, ist dieses geschichsträchtige Auto eines, dass zu VW passt, wie die Faust aufs Auge. Und: Noch nie wurde ich so oft auf einen VW angesprochen, geschweige denn um einen VW beneidet!
Normalerweise ist man mit einem VW im Strassenverkehr praktisch unsichtbar. Man sieht die Modelle so häufig, dass man sie kaum noch wahrnimmt. Doch dann fährst du mit einem Beetle Cabrio vor – und die Frauenwelt steht Kopf. Und wenn sowohl 20-jährige Mädels als auch meine Nonna vom Beetle angetan sind, tja, dann muss wohl etwas am Auto dran sein.
Das Spezielle am Neuzeit-Käfer ist, dass alle ihn kennen. Selbst Leute, die sich nicht die Bohne für Autos interessieren, wissen über ihn Bescheid. Fährt er ihnen dann noch zufälligerweise über wen Weg, wird man als Beetle-Fahrer freundlich angelächelt. Beim Fotoshooting wurde ich nicht dumm angeschaut oder gar angeschnauzt, was ich hier treibe, sondern die Leute sagen laut, dass dies echt ein schöner Wagen in einer tollen Farbe sei.
Kurz – alle scheinen den Beetle zu mögen. Stellt sich bloss eine Frage: Warum verkauft er sich so schlecht? 364 Einheiten wurden letztes Jahr hierzulande in Verkehr gesetzt. Um dieselbe Anzahl Golfs zu verkaufen, benötigt VW 12 Tage. Irgendetwas läuft also gewaltig schief, denn wenn ein Produkt so gut ankommt, sollte man doch denken, dass es sich praktisch von alleine verkauft.
Ich weiss nicht, was die Beweggründe für den sehr bescheidenen Erfolg des Beetle sind, vermute aber mal, dass es schlicht an der Praktikabilität scheitert – wahrscheinlich trifft den Scirocco dasselbe Schicksal. Sei es als Coupé oder als Cabrio, der Fond vom Beetle ist sehr eng. Der Kofferraum müsste für eine dreiköpfige Familie ohne Weiteres genügen, aber wie es halt so ist, denkt man immer auch an die einmal vorkommende Ferienfahrt im Jahr – und dafür ist er dann halt wieder zu klein.
Es ist paradox, aber ich denke, die Tatsache, dass der Beetle technisch nicht mehr der Jüngste ist, dürfte ihm nicht mal im Weg stehen. Pixeliges Infodisplay? Armaturenbrett aus Hartplastik? Etwas kleiner Touchscreen? Kein adaptiver Tempomat, kein Spurhalteassistent, kein Notbremsassistent? Alles egal, wenn man erst mal dem Charme dieses Autos verfallen ist!
Insbesondere mit dem starken 162 kW Benziner ist der Beetle eine richtige Fahrmaschine, die ordentlich abgeht. Bläst einem dazu noch der Fahrtwind um die Ohren, dürfte das Grinsen aus dem Gesicht gar nicht mehr verschwinden. Dass der Beetle noch auf dem Golf 6 basiert, spürt man allenfalls am 6-Gang DSG. Es schaltet gerne in niedrige Gänge, obwohl der Motor genügend Drehmoment für den höheren Gang hätte.
Das Einkuppeln nach dem Segeln können VWs aktuelle Getriebe ebenfalls sanfter als das Alte vom Beetle. Aber auch hier gilt: Das stört alles nicht wirklich, das ist einfach mir als kritischer Tester aufgefallen. Aber dass selbst ich über die oben geschilderten Nachteile hinwegsehen würde, weil mir der Beetle so gut gefällt, spricht für sich – und für das Beetle Cabrio.
Der Beetle ist – als Cabrio erst Recht – eine reine Herzensangelegenheit. Für den Preis von 48’900 Franken gibt es nämlich sowohl praktischere Autos mit derselben Leistung, als auch Autos mit mehr Assistenzsystemen. Man muss den Beetle wirklich wollen, obwohl er ein richtiger Spass-Garant ist. Ich denke, es ist wie mit Tattoos: Finden viele wahnsinnig schön anzuschauen, aber selber eines stechen lassen – oh nein, lieber nicht. Schade. Dennoch hoffe ich, dass in der obersten Etage von VW nebst den reinen Zahlen auch noch das Herz etwas mitzuteilen hat. Weil den Beetle als fast schon legendäres Auto einzustellen, wäre eine kleine Schande.
Alltag
Das Beetle Cabrio ist eher für zwei Personen oder als Zweitwagen geeignet. Für mehr reicht der Platz einfach nicht aus. Mit geschlossenem Dach ist die Sicht nach schrägt hinten (zum Beispiel beim rückwärts ausparkieren) grottenschlecht.
Fahrdynamik
Mit dem starken Benziner kann das Beetle Cabrio nicht nur vorwärtspreschen, dank Sportfahrwerk und direkter Lenkung sind auch Kurven ein Genuss. Dass das ESP früh eingreift und sich nicht deaktivieren lässt, zeigt jedoch, dass der Beetle kein Sportler im eigentlichen Sinne ist.
Umwelt
Angesichts der Leistung und ein paar sportlichen Ausfahrten ist der Test-Verbrauch von 8,1 l/100 km noch akzeptabel.
Ausstrahlung
All die positiven Reaktionen während des Tests sind aussagekräftig genug: Das Beetle Cabrio kommt verdammt gut an und ist ausserdem ein wahrer Frauenmagnet.
Fazit
+ Tolles, «süsses» Design
+ Sportliches oder Retro-Design möglich
+ Bequeme Sportsitze, perfekte Ergonomie
+ Gute Verarbeitung
+ Ausgewogenes Sportfahrwerk
+ Direkte und präzise Lenkung
+ Trotz kleinem Touchscreen aktuelle Infotainment-Software mit Apple CarPlay
+ Kräftiger Motor, schnelles DSG
+ Sportliches Handling
– Diverse Assistenzsysteme nicht verfügbar
– DSG schaltet zu häufig einen Gang runter
– Schlechte Übersicht mit geschlossenem Dach
– Knappe Platzverhältnisse
– Armaturenbrett aus Hartplastik
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | VW Beetle Cabrio |
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Preis Basismodell / Testwagen | 24 250 CHF / 48 900 CHF |
Antrieb | Benzin, Frontantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1984 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 6-Gang Doppelkupplungsgetriebe |
Max. Leistung | 162 kW bei 4500 - 6200 r/min |
Max. Drehmoment | 350 Nm bei 1500 - 4400 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 6,9 s |
Vmax | 228 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 6,9 l/100 km / 160 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 8,1 l/100 km / 188 g/km / +17% |
Länge / Breite / Höhe | 4,29 m / 1,83 m / 1,47 m |
Leergewicht | 1595 kg |
Kofferraumvolumen | 225 l |
Bilder: Koray Adigüzel