Der Golf, das Mädchen für alles. Wobei, so abwertend möchte ich dem Auto, das drei Personen ohne das kleinste murren durch Italien kutschiert hat, nicht begegnen. Deshalb, so viel sei schon verraten, verdient der Golf die Bezeichnung «Mister Perfect». Weil er einfach alles kann, alles erledigt und für alles zu haben ist. Wer bei der Konfiguration die richtigen Kreuzchen setzt, bekommt einen Allrounder, an dem praktisch jegliche Kritik abprallt.
Ich hätte nicht gedacht, dass ein stinknormaler Golf ohne R-Line Paket so schick aussehen kann. Was für die Masse gebaut wird, muss eigentlich langweilig, da mehrheitsfähig sein. Doch in Wolfsburg wurde an den richtigen Stellen Feinschliff betrieben. Vor allem die neuen LED-Lichter rundum machen schon eine ganze Menge aus. Dazu sportliche, aber nicht aggressive Schürzen mit einer Prise Chrom und schicke Felgen – fertig. Einzig die allzu offensichtlichen Auspuffblenden (mit Betonung auf Blenden) hätte man geschickter lösen können. Doch mein Kollege hat es auf den Punkt gebracht: «Der Vorgänger sieht aus wie am Morgen danach, der Aktuelle hingegen wie frisch gestylt.»
Das Interieur präsentiert sich weniger sexy, dafür aufgeräumt und ergonomisch perfektioniert. Bei der Innenraumkonfiguration kann am meisten Geld sparen, denn: Leder? Braucht’s nicht. Das digitale Cockpit? Viel weniger hübsch als bei Audi, darum – nein danke. Elektrischer Fahrersitz? Also bitte. Navi mit Gestensteuerung? Spielerei. Mein Testwagen hatte das nicht an Bord und ich konnte es nicht ausprobieren. Doch andere Quellen bemängeln die mangelnde Vielfalt der möglichen Gesten und das Ablenkungspotenzial, da die Hand richtig positioniert sein muss.
Klar, VW sind die ersten in der Kompaktklasse, das muss man ihnen lassen, doch mit dieser Technologie lässt sich mehr rausholen. Es wird bestimmt noch besser, darum kann man es sich im 7er Golf noch schenken. Bereits das mittlere Navi besticht nämlich mit Smartphone-Integration, glänzender Darstellung und fein reagierenden Sensortasten – hat aber noch einen mechanischen Drehregler für die Lautstärke. Passt!
Zum Platzangebot möchte ich eigentlich nur sagen, dass man perfekt zu dritt in die Ferien fahren kann. Für den Alltag reicht’s sowieso. Hinten sitzt man kommod, sofern vorne kein Riese Platz nimmt. Muss die gesamte Familie mit in die Ferien, wird’s knapp. Aber soll es wirklich daran scheitern?
Wenn selbst ich, der immer und überall nach dem Schlechten sucht, nicht fündig wird, dann muss am Golf wirklich was dran sein. Er fährt unaufgeregt, aber flink und präzise genug, zudem ist er angenehm übersichtlich. Die Sicherheit im Auto geht allerdings vor, darum kann man das ESP nicht mal in einen Sportmodus stellen. Aus diesem Grund kann man sich auch das im Testwagen verbaute Sportfahrwerk schenken. Es bringt nur unnötige Bewegung ins Auto, ohne dass der Golf dadurch zum Kurvenräuber wird, denn dafür ist das Fahrwerk wieder zu milde abgestimmt. Am Besten wählt man das Adaptivfahrwerk, um für jede Situation den angemessenen Kontakt zur Strasse zu haben.
Technisch hat VW den Golf soweit aufgerüstet, wie es in dieser Klasse geht. Teilautonomes Fahren auf der Autobahn, automatisches Ein- und Ausparkieren, Notbremsung mit Fussgängererkennung (übrigens ohne einen einzigen Fehlalarm), Tot-Winkel-Warner und ein sensationelles, adaptives Fernlicht. Will man mehr? Nein. Braucht man das alles? Muss jeder selber wissen. Hier lässt sich auch der eine oder andere Tausender sparen.
Ein paar Zeilen möchte ich noch zum Antrieb verlieren. Ein komplett neues 1,5-Liter Benzinerherz mit Zylinderabschaltung und 110 kW schlägt unter der Haube. Komplett neu, doch mit derselben Leistung wie das alte 1,4-Liter Aggregat, das ebenfalls über Zylinderabschaltung verfügt. Warum das? Könnte es damit zusammenhängen, dass der alte 1,4-Liter Motor, der in diversen Konzernmarken zum Einsatz kommt, vermehrt massive Probleme bereitete?
Ein Kollege, der Automechatroniker ist, kann mehr als nur ein Liedchen über den 1,4-Liter TSI mit 110 kW singen. Gut möglich, dass VW einen bekannten Schwachpunkt klammheimlich aus der Welt geschafft hat. Fahren tut der neue Motor einwandfrei, er harmoniert wunderbar mit dem DSG. Ob er nach der Werksgarantie allerdings immer noch harmoniert, das weiss heute noch niemand.
Diese Tatsache dürfte den Golf nicht davon abhalten, weiterhin die Nummer 1 in der Schweiz zu bleiben. Das Auto hat unbestreitbar Qualitäten, die für sich sprechen. Es bleibt mir als Kritik am Ende nur der Preis übrig, denn mit 45’280 Franken ist der Testwagen nicht gerade günstig, zumal der Preis mit weiteren Extras locker über die 50’000 Franken-Grenze geschoben werden kann.
Aber wie ich bereits mehrmals erwähnt habe, will und braucht man nicht alles. VW lässt einem bei der Konfiguration ziemlich viel Freiheiten, praktisch alle Ausstattungen sind einzeln erhältlich und nicht an ein Paket gebunden. Ein Schnäppchen ist der Golf nie, aber wer mit Bedacht ordert, erhält einen praktisch unschlagbaren Allrounder, der seinen Preis durch den guten Wiederverkaufswert teilweise wieder wettmacht.
Alltag
Sofern man nicht zu viert in die Ferien muss, ist der Golf für alles zu haben. Er ist handlich, übersichtlich und auch recht geräumig für seine Grösse. Er ist in keinem Punkt überragend – aber überall sehr gut und genau diese Mischung macht’s aus.
Fahrdynamik
Natürlich ist brave Allerweltsgolf keine Fahrmaschine, dafür gibt’s noch GTI und R. Doch sein präzises Handling macht im Alltag Spass.
Umwelt
Dafür, dass der Golf teils recht voll beladen bei über 30 Grad mit 150 Sachen über italienische Autobahnen gescheucht wurde, sind 7,3 Liter im Schnitt nicht schlecht. Bei gemässigter Fahrweise in der Schweiz sind bestimmt rund 6,5 Liter machbar. Kein Wunderwert, aber in Ordnung.
Ausstrahlung
Zumindest voll aufgebrezelt ist der Golf richtig adrett. Schicke Linien, eine Prise Chrom und schöne LED-Lichter machen’s aus.
Fazit
+ Leises Fahrverhalten
+ Agiles Handling
+ Harmonisches und flinkes DSG
+ Gute Übersicht
+ Passable Platzverhältnisse
+ Perfektes LED-Licht
+ Riesen-Angebot an gut funktionierenden Assistenzsystemen
+ Geringes Gewicht
+ Einwandfreie Ergonomie, bequeme Sitze
+ Modernes Infotainmentsystem, simple Bedienung (ohne Gestensteuerung)
– Hoher Preis
– Angestrengt klingender Motor unter Last
– Sportfahrwerk zu straff auf der Autobahn, doch zu mild beim sportlichen Fahren
– Starre Gurtschnalle
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | VW Golf (1,5 TSI EVO) |
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Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen | 22 150 CHF / 31 200 CHF / 45 280 CHF |
Antrieb | Benzin, Frontantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1498 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe |
Max. Leistung | 110 kW bei 5000 - 6000 r/min |
Max. Drehmoment | 250 Nm bei 1500 - 3500 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 8,3 s |
Vmax | 216 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 5,0 l/100 km / 114 g/km / C |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 7,3 l/100 km / 166 g/km / +46% |
Länge / Breite / Höhe | 4,26 m / 1,80 m / 1,49 m |
Leergewicht | 1378 kg |
Kofferraumvolumen | 380 - 1270 l |
Bilder: Koray Adigüzel
Hallo zusammen,
vielen Dank für den tollen Beitrag.
Die Farbe des Autos finde ich echt klasse! Leider fehlt mir das nötige Kleingeld für einen Neuwagen. Aus diesem Grund möchte ich mir einen Gebrauchtwagen zulegen.
Grüße
Nadine