Der Ruf haftet an einem wie Kaugummi, egal, ob es sich dabei um den Ruf einer Marke oder einer Person handelt. Niemand würde behaupten, dass die bösen R-Modelle von VW nicht schnell seien. Sie sind sehr gut abgestimmte, fahrdynamische und fahrsichere Sportmodelle. Aber Emotionen? Motorsound? Fahrerintegration? Das aus sich ausbrechen und nicht immer massenkonform sein? Nein, das sind wahrlich nicht die Stärken der schnellen Wolfsburger. So schreite ich also mit einer eher neutralen als vor Vorfreude strotzenden Haltung zum VW T-Roc R. Und siehe da: Es geschehen noch Zeichen und Wunder…
Optisch mimt auch der schnellste VW-Crossover den Wolf im Schafspelz. Im Gegensatz zum zivilen Bruder ist der R insbesondere vorne aggressiver gezeichnet und verfügt über grössere Lufteinlässe sowie vertikale Tagfahrlichter. Spezifische 19-Zoll-Felgen sowie eine vierflutige Abgasanlage runden den sportlichen Auftritt ab. Dass der R tiefer liegt, sieht man nur, wenn man den normalen T-Roc daneben stellt. Randnotiz: Der konventionelle T-Roc lebt mit bis zu 20 Zoll grossen Felgen auf grösserem Fuss als der R mit seinen 19 Zöllern. Wer nicht genau hinschaut oder das R-Emblem mit dem R-Line-Emblem verwechselt, sieht einfach nur einen adretten, blauen Crossover, der modisch mit der Zeit geht. Mehr nicht. Understatement pur.
Plastic Fantastic
VW hat aus der Kritik von doch vielen Medien nichts gelernt und verwendet selbst beim Topmodell Materialien, die allerhöchstens auf Dacia-Niveau sind. Was da an Hartplastik verbaut ist, lässt einem die Haare zu Berge stehen. Wären nicht die Dekor-Einlagen in mattem Blau, der T-Roc R würde den Charme eines rustikalen VW Transporters ausstrahlen. Diese Diskrepanz von Premium-Preis und Low-Budget-Einrichtung ist in meinen Augen eine Frechheit.
Immerhin ist alles sauber verarbeitet und vorne sitzt man auf Sportsitzen mit starkem Seitenhalt. Das Infotainment ist noch auf dem Stand vom Golf 7, also noch nicht komplett frei von Schaltern – ich sage, besser so, die Bedienung ist einfacher und es ist alles logisch aufgebaut. Für Ohrenschmaus sorgt die bassstarke Beats-Soundanlage. Im Fond ist dann allerdings wieder fertig lustig. Wer nicht klein und zierlich gebaut ist, findet schnell keinen Platz mehr für die Beine. Da merkt man, dass der Crossover eben nur rund 4,20 Meter kurz ist.
Der böse Bruder
Startkopf gedrückt – und es röhrt vielversprechend aus der Abgasanlage! Und das bei VW? Nun ja, der rassige Soundtrack kostet 3650 Franken Aufpreis und hört auf den Namen Akrapovič. DSG auf D geschaltet und los geht’s. Zur Erinnerung: Konzernbruder des T-Roc R ist der Audi SQ2, der im Test zwar als performantes Kompakt-SUV die Fahrdynamik an den Tag legen konnte, aber den Fahrer dabei völlig kalt lies. Bei VW läuft das etwas anders ab. Die Lenkung zeigt eine sportliche Härte, die Strassenlage ist verbindlicher und der Sound deutlich präsenter. Dabei befinde ich mich immer noch im Normal-Modus. Doch, hier spürt man, dass es dieser kleine SUV faustdick hinter den Ohren hat!
Je härter, desto besser
Tatsächlich scheint ein kleiner Masochist unter dem Blech zu stecken! Wechsel in den Race-Modus, die Auspuffklappe ist nun offen und der Vierzylinder grummelt tief vor sich hin. Bremse voll durchdrücken, Vollgas, die Drehzahl pedelt sich bei 4000 Umdrehungen ein und dann: Bamm! Mit einer unglaublichen Brutalität spickt der T-Roc regelrecht nach vorne und knallt die Gänge rein, als gäbe es morgen ein neues Getriebe frei Haus! Was für ein Katapultstart, was für ein Orchester, wenn der nächste Gang reinfliegt! OPF als Soundkiller? Klar, es macht die Sache nicht einfacher, aber ausgerechnet VW zeigt, dass Motorsound und Euro-6d-Temp eben doch kombinierbar sind, auch in der Grossserie.
Die nächste Überraschung lässt nicht lange auf sich warten. Auf kurvigen Strecken blüht der T-Roc R regelrecht auf. Er schmeisst sich agil in die Kurve, bleibt stabil und lässt sich auch von Bleifüssen nicht aus der Ruhe bringen, der Allradantrieb regelt die Kraft so, dass der Grip stets gewährleistet ist. Die sehr direkt übersetzte Lenkung macht aus dem Crossover ein flinkes Wiesel, die adaptiven Dämpfer unterdrücken Nick-und Wankbewegungen. Man glaubt, die fahrdynamische Grenze langsam erreicht zu haben, doch mit dem ESP im Sport-Programm werden enge Kurven mit einem Karacho durchfahren, die ich mit einem kompakten Crossover nicht für möglich gehalten hätte. Und ja, man kann das ESP auch komplett deaktivieren.
Er hat seinen Preis
Von der anfänglich neutralen Haltung ist nicht mehr viel übrig geblieben. Man mag es kaum glauben, aber unter der lifestyligen Crossover-Optik steckt ein ernstzunehmender Sportler, der für sein Segment mit allen Wassern gewaschen ist. Der T-Roc R röhrt nicht nur auffällig laut, er liefert auch ab. Spontanes Getriebe, drehfreudiger Motor, sehr knackiges Handling, das Paket stimmt einfach und bindet den Fahrer maximal ins Geschehen ein. Und: Der Spurhalteassistent bleibt beim T-Roc R selbst nach dem Motorneustart deaktiviert. Auch das geht also, man muss es als Hersteller nur wollen. Dagegen ist der Audi SQ2, der weitgehend die gleiche Hardware nutzt, eine laues Lüftchen.
Am Ende bleibt eigentlich nur noch das Preisschild als Spielverderber, denn fast 65’000 Franken sind für einen Crossover dieser Grösse ein saftiger Preis. Fahrdynamisch ist dem VW zwar nichts anzukreiden, aber aus den Vollen wird da nicht geschöpft. Die Heckklappe lässt sich beispielsweise nicht mit der Fernbedienung oder von innen automatisch schliessen. Matrix-Licht gibt es nicht mal gegen Aufpreis und das plastiklastige Interieur ist haarsträubend. Besonders praktisch ist der T-Roc ebenfalls nicht. Aber wer die volle Dröhnung Hardrock will, muss mit diesen Nachteilen leben können. Das R im Namen hat er sich jedenfalls sowas von verdient. Let’s rock!
Alltag
Der T-Roc ist ein kleines SUV, und das spürt man vor allem im Fond: Es zwickt überall. Vorne sitze man gut eingebettet in Sportsitzen und der Kofferraum ist auch gross genug. Der Wendekreis ist für seine Grösse eher sperrig.
Fahrdynamik
Seine Paradedisziplin. Der T-Roc ist eine echte Fahrmaschine und klebt trotz des höheren Schwerpunktes regelrecht am Asphalt. Die Gänge werden brutal reingehauen, der Motor ist drehfreudig und der blecherne Sound der Akrapovič-Anlage ist ein Traum!
Umwelt
Hier ist nichts mit Spritsparen: 10,6 l/100 km flossen durchschnittlich im Test. Das ist sehr viel für seine Grösse. Doch auch wer normal fährt und nicht mit dem Messer zwischen den Zähnen, kriegt den Verbrauch kaum auf unter 8 Liter.
Ausstrahlung
Aussen legt der T-Roc R eine dezente Sportlichkeit an den Tag. Sein Design ist modern, aber nicht überzeichnet. Doch was einem im Innenraum erwartet, verschlägt einem leider die Sprache.
Fazit
+ Unaufälliges, leicht sportliches Design
+ Haltstarke Sportsitze, perfekte Ergonomie
+ Hohe Verarbeitungsqualität
+ Infotainmentsystem mit bessererer Bedienbarkeit als bei den ganz neuen VW-Modellen
+ Drehgeiler Motor
+ Aggressives Getriebe im Sport-Modus, brutale Launch Control
+ Straffe Federung, wenig Karosseriebewegungen
+ Bissige Bremsen
+ Super Grip, neutrales Handling
+ Lauter, blechernern Motorsound mit deftigen Auspuffsalven und Fanfaren
+ ESP dreistufig deaktivierbar
+ Spurhalte-Assistent bleibt permanent deaktiviert
– Hoher Preis
– Hoher Verbrauch
– Unverschämt viel Hartplastik im Interieur
– Kein Matrix-Licht verfügbar
– Enger Fond
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | VW T-Roc R |
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Preis Basismodell / Testwagen | 51 950 CHF / 64 870 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1984 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe |
Max. Leistung | 221 kW |
Max. Drehmoment | 400 Nm bei 2000 - 5200 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 4,8 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 8,9 l/100 km / 201 g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 10,6 l/100 km / 239 g/km / +19% |
Länge / Breite / Höhe | 4,23 m / 1,82 m / 1,57 m |
Leergewicht | 1640 kg |
Kofferraumvolumen | 445 - 1290 l |
Bilder: Koray Adigüzel