Ein Pionier war der VW Tiguan freilich nicht, doch das hat seinen Weg zum Erfolgsmodell nicht beeinträchtigt. Dieselbe Geschichte wiederholt sich nun beim Sportmodell: Potente SUVs erfreuen sich schon seit längerem grosser Beliebtheit und zwar in allen Klassen. Doch erst seit dem aktuellen Facelift der zweiten Generation haben sich VWs Fahrdynamiker dem Tiguan angenommen. Das Ergebnis ist der neue Tiguan R, welcher seinen Namenszusatz für VW-Verhältnisse überraschend ernst nimmt!
Wie hingegen bei VW üblich, liegt der Ernst der Sache nicht im Design. Das sportliche Topmodell bleibt dezent. Ein aggressiveres Frontdesign und Akzente in Hochglanz-Schwarz akzentuieren den Tiguan R stärker. Einen erheblichen Einfluss auf das Erscheinungsbild haben die R-typische Farbe Lapiz Blau sowie die 21-Zoll Felgen mit R-Logo. Last but not least die vierflutige Auspuffanlage, im Falle des Testwagens mit Akrapovič-Anlage aus Titan, die optisch sehr gut aussieht, aber mit 3890 Franken auch sündhaft teuer ist.
Tristesse im Cockpit
Der Innenraum des Tiguan R ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist er trotz einigermassen kompakten Abmessungen sehr geräumig. Alle Insassen geniessen vorzügliche Platzverhältnisse, die Rückbank ist verschiebbar und die Lehne lässt sich in der Neigung justieren. Der Kofferraum muss zwar auf ein Tiefgeschoss verzichten, fasst aber viel und bietet Verstau- und Befestigungsmöglichkeiten für kleinere Sachen.
Doch optisch bietet selbst das Topmodell ein trauriges Bild. Die Zierleisten in Carbon-Optik sowie die paar blauen Nähte können die schwarze Kunststoff-Landschaft nicht verbergen. Die Verarbeitungsqualität ist zwar gut, doch die Haptik lässt massiv zu wünschen übrig – vom tristen Anblick ganz zu schweigen. Dass VW auf ein HUD mit Plexiglas-Scheibchen setzt, wirkt ebenfalls sehr billig.
Doch es geht schlimmer, nämlich beim Infotainmentsystem. Diesbezüglich hat VW auf gut Deutsch ganz einfach Mist gebaut, denn die aktuelle Generation macht in erster Linie Ärger. Das System hat eine kleine Ewigkeit zum Aufstarten und strapaziert die Geduld mit langen Reaktions- und noch längeren Ladezeiten. Auch einen Absturz gab es während des Tests zu beklagen.
Da noch eine verschachtelte Menüstruktur dazu kommt, geraten die eigentlichen Stärken wie die gute Sprachsteuerung oder die Online-Navigation und Verkehrsdaten völlig in den Hintergrund. Auch dass VW unbedingt auf Modern macht und beim Lenkrad sowie der Klimasteuerung haptische respektive Sensortasten einsetzt, machen das Ganze nicht besser. Ich kann noch so oft predigen, dass echte Knöpfe einfach praktischer sind, aber auf mich hört ja keiner.
Potenzial auf Abruf
Der Tiguan R startet trotz Titan-Abgasanlage eher verhalten. Standardmässig ist bereits der Sport-Modus eingestellt, in welchem das SUV eine ziemliche Härte an den Tag legt, vor allem in Verbindung mit dem 21-Zöllern. Das dynamische Potenzial ist schnell spürbar, obwohl der Antrieb noch keine grossen Sprünge macht. Im Grunde ist dieser Modus also weder Fisch noch Vogel. Wer im Alltag die Härte nicht so mag, findet im Comfort-Modus eine gewisse Entlastung, die aber nicht so gross ist, wie es der Name vermuten lässt.
Der Geheimtrick
Auf dem Lenkrad lacht einen die blaue R-Taste an, welche den Tiguan direkt in den scharfen Race-Modus befördert. Leider ist in diesem Modus der unsäglich künstliche Sound Symposer sehr aufdringlich und übertönt fast den echten Sound. Abhilfe schafft der Individual-Modus, wo der Motorsound auf «Pure» eingestellt werden kann. Um den besten Sound aus der Akrapovic-Anlage zu kitzlen, muss der Antrieb auf Race gestellt werden. Das DCC ist in der Stellung Sport nachgiebig genug, um auch im Alltag in diesem Setup zu fahren, aber dennoch straff genug, um den Tiguan R ordentlich zu scheuchen.
Der Zweiliter-Turbo drückt schön gleichmässig durch und generiert mit der Titan-Abgasanlage einen nicht zu lauten, aber schönen und rauen Klang. In OPF-Zeiten allemal respektabel. Am besten fährt man manuell, denn wer vor der Kurve selber runterschaltet erntet Zwischengas-Stösse, Geblubbere und hin und wieder sogar richtig böses Auspuffknallen! Macht definitiv Laune und ist der beste Weg, den massiven Aufpreis der Abgasanlage mit positiven Gefühlen zu «amortisieren».
Doch Gefühlsduselei ist nicht so das Ding des Tiguan R. Die Bremse reagiert sehr fein und verzögert bissig. Mit Hilfe der progressiven Lenkung geht es mit wenig Lenkeinschlag in die Kurve und dann drückt sich der Tiguan hecklastig aus der Biegung. Wie das? Im Gegensatz zum günstigeren Cupra Formentor setzt der Tiguan R auf einen neuen Allradantrieb, der an der Hinterachse auf ein Torque Vectoring setzt. Somit landet nicht nur mehr Kraft an der Hinterachse, sondern das ganze Heck fühlt sich lebendiger an, da es nun aktiv durch die Kurve drückt. Nicht vergessen: Wir reden hier immer noch von einem SUV. Von VW.
Später Knaller
Einmal mehr hat sich VW Zeit gelassen um dafür einen Erfolgsgarant auf den Markt zu bringen. Wer ein sportliches Vierzylinder-SUV in dieser Klasse sucht, findet tatsächlich kaum etwas dynamischeres. VW macht fahrdynamisch ungewohnt ernst, sodass der Tiguan R ein unerwartet harter Bursche geworden ist, der auf Schnee sogar unverblümt quer geht. Auf der anderen Seite sorgen ein umfassendes Assistenz-Paket sowie ein grosszügiges Platzangebot für das Plus im Alltag. Leider sammelt das Cockpit mit dem Infotainmentsystem auf Beta-Stadium sowie der tristen Kunststoff-Landschaft gleich doppelt Minus-Punkte. Der Preis von 87’340 Franken darf getrost hinterfragt werden, da sitzt VW auf einem ziemlich hohen Ross.
Alltag 
Ob R oder nicht, der VW Tiguan bietet viel Platz für Lifestyle und Alltag und ist für winterliche Verhältnisse sowie leichtes Gelände bestens gerüstet. Zudem ist die Übersicht für heutige Verhältnisse erstaunlich gut.
Fahrdynamik 
Der Tiguan R entwickelt ordentlich Druck, schaltet aber selbst im manuellen Modus automatisch in den nächsten Gang. Dafür ist er beim Thema Fahrwerk von der ernsteren Sorte: Die adaptiven Dämpfer lassen sich recht hart einstellen und das Torque Vectoring an der Hinterachse drückt den Tiguan hecklastig um Kurven. Eine schnell reagierende Lenkung sowie bissige Bremsen runden das Paket ab.
Umwelt 
Selbst wer die Power nicht dauernd ausreizt, muss mit einem Verbrauch von 8 – 9 Litern rechnen. Im Test waren es unter dem Strich 9,9 l/100 km, was trotz allem immer noch unterhalb des Normverbrauchs liegt.
Ausstrahlung 
Der Tiguan R ist optisch unauffällig und gefällig, doch es dreht sich keiner nach diesem Wagen um. Ein echter Wolf im Schafspelz.
Fazit
+ Unauffälliges, zeitloses Design
+ Gute Platzverhältnisse
+ Gute Verarbeitung, keine Störgeräusche
+ Viele und grosse Ablageflächen
+ Druckvoller Motor
+ Schöner Klang mit zufälligem Bollern mit optionaler Titan-Abgasanlage
+ Spontanes und durchaus aggressives Getriebe, keine Anfahrschwäche
+ Bissige Bremse
+ Neutrales bis leicht hecklastiges Fahrverhalten
+ ESP dreistufig deaktivierbar
+ Straffes Adaptiv-Fahrwerk
+ Grosse Assistenz-Armada und Matrix-Licht
– Hoher Verbrauch
– Kunststoff-lastiges, tristes Interieur
– Langsames, umständlich zu bedienendes und teils unzuverlässiges Infotainmentsystem
– Geräusch-Dämmung dürfte besser sein
– Hoher Preis
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
| Marke / Modell | VW Tiguan R |
|---|---|
| Preis Basismodell / Testwagen | 69 400 CHF / 87 340 CHF |
| Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
| Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
| Hubraum / Zylinder | 1968 ccm / R4 |
| Getriebe | 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe |
| Max. Leistung | 235 kW bei 5350 r/min |
| Max. Drehmoment | 420 Nm bei 2100 - 5350 r/min |
| Beschleunigung 0–100 km/h | 4,9 s |
| Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
| WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 10,3 l/100 km / 234 g/km / G |
| Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,9 l/100 km / 225 g/km / -4% |
| Länge / Breite / Höhe | 4,51 m / 1,86 m / 1,67 m |
| Leergewicht | 1873 kg |
| Kofferraumvolumen | 615 - 1655 l |
Bilder: Koray Adigüzel
Der VW Tiguan ist ein klasse Auto. Leider hat er nicht in mein Budget gepasst, sonst hätte ich ihn gekauft. Da ich momentan auch noch alleinstehend bin, wäre das Auto eh viel zu groß für mich. Aber wenn ich mal eine eigene Familie haben sollte, dann steht der Tiguan auf Platz 1. Tolles Auto.
Ich finde den Artikel informativ und hilfreich. Vielen Dank!