Die Alpine A290 ist der erste Schritt hin zur Elektromobilität der französischen Performance-Marke. Ganz, ganz wichtig: Auf gar keinen Fall darf man bei der A290 auch nur im Entferntesten an die A110 denken. Die beiden Autos sind so weit weg, wie sie nur sein können. Also, Blick nach vorn gerichtet. Vor uns steht ein hübscher, aufgebrezelter und sportlicher Kleinwagen aus Frankreich. Die A290 wäre prädestiniert, um den Renault Clio R.S., den es seit Jahren nicht mehr gibt, zu beerben. Schliesslich ist die A290 auch keine Eigenentwicklung, sondern ein gepimpter Renault R5, der Vergleich zum Clio R.S. liegt also nahe. Spoiler: Leider ist dem nicht so. Die neue, kleine Alpine ist ein cooles und witziges Gefährt, aber die Petrolheads lässt das Auto kalt. Wenn ich ganz hart sein will: Eine verpasste Chance für Alpine.
Wieso gleich so dramatisch! Nun, weil schnelle Autos aus Frankreich seit jeher einen hervorragenden Ruf geniessen und die Fangemeinde entsprechend gross ist. Renault Sport, das ist ein Begriff und die Franzosen machten in der Vergangenheit keine halben Sachen. Vor allem die Trophy-Modelle waren ein Genuss und lehrten der Konkurrenz das Fürchten. Ihr Geheimrezept: kompromisslose Sportlichkeit. Definitiv keine Autos für Warmduscher, aber die Performance hatte es in sich. Hatte, denn Renault Sport ist auch weitgehend Geschichte, zumindest was Strassenmodelle betrifft.

Design schürt Erwartungen
Und dann steht sie da: Die Alpine A290. Eine rassige Portion Retro gemischt mit einer ordentlichen Würze Motorsport. Im Vergleich zum normalen Renault R5 mit breiten Backen versehen, die sich aber perfekt in die leicht modifizierte Karosserie einfügen. Dazu X-Scheinwerfer, welche Motorsporttradition wiedergeben – und zwar als Tagfahrlicht sowie klein leuchtend zusätzlich im Abblendlicht implementiert. Liebe zum Detail. Apropos: Wer genauer hinschaut, entdeckt die französische Flagge viermal. Auf der Motorhaube prangt auffällig hinter einem Plexiglasausschnitt das Alpine-Logo. Selbiges findet sich auch auf den Kotflügeln wieder. Das Design ist in meinen Augen ein gelungener Mix aus einer Spur Retro, einer Würze Motorsport, eine grosse Menge Hot Hatch sowie einem letzten Schuss Niedlichkeit.

Chic, aber eng
Statt auf konsequente Sportlichkeit setzt Alpine bei der A290 auf ein gediegenes Ambiente. Die Menge an Lederverkleidungen sind für einen Kleinwagen einzigartig. Auch Kunststoffverkleidungen sind oftmals hübsch gestaltet, etwa bei der Mittelkonsole. Hier und dort kommt zwar auch Hartplastik zum Einsatz, aber vor allem an Stellen, die man nicht anfasst. Die Sitze sind im Falle des Testwagens Standard und zum Teil aus Stoff, optional gibt es auch exquisite Nappaledersitze in Grau-Blau mit abermals eingestickter französischer Flagge. Letztere ist ohnehin vor dem Beifahrer omnipräsent in diesem Auto.

Ergonomie, Qualität und Infotainmentsystem sind – nicht zuletzt dank der Integration zahlreicher Google-Dienste – erstklassig. In diesen Eigenschaften ist die Alpine kein ordinärer Kleinwagen, sondern kann mit ganz anderen Preissegmenten mithalten. Dass es letzten Endes eben doch ein kleines Auto ist, wird bei den Platzverhältnissen deutlich. Aus wenig Platz viel Raum zu schaffen, stand bei den Franzosen nicht im Lastenheft. Der Fond ist sehr eng und für Erwachsene nur beschränkt geeignet. Auch der Kofferraum dürfte bereits eine junge Familie an die Grenzen bringen. Lifestyle ging definitiv vor Praktikabilität.

Reif, nicht aufmüpfig
Zu Beginn der Fahrt startet die Alpine stets im Comfort Modus. Wie bei den meisten Elektroautos, steht in diesem Modus nicht die volle Leistung zur Verfügung und das Ansprechverhalten ist auch weit davon entfernt, sportlich zu sein. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass dieser Modus seinem Namen gerecht wird. Die Fahrt in der Alpine ist tatsächlich gemütlich. Der Geräuschpegel ist für einen Kleinwagen überraschend tief. Und sogar das nicht-adaptive Fahrwerk ist weit weg von hart, sondern steht etwa in der Mitte zwischen Komfort und Sportlichkeit. Kein typisch französisches Brioche-Fahrwerk, aber halt auch weit weg von kompromissloser Härte. Damit kann man der A290 eine sehr hohe Alltagstauglichkeit attestieren, auch längere Fahrten sind alles andere als ermüdend. Doch dafür wirkt das alles auch sehr glatt gebügelt, gleichmässig, verwechselbar und damit auch langweilig. Darf eine Alpine überhaupt langweilig sein?

Eine Frage der Prioritäten
Schneller Wechsel in den Sport-Modus. Der Switch ist zum Glück deutlich spürbar, das Ansprechverhalten ist nun viel schärfer, die Lenkung ist schwergängiger und die Leistung ist voll da. Aber was heisst voll: 160 kW und 300 Nm lässt die Alpine auf die Vorderachse los. Das sind zwar gängige Leistungsdaten für Hot Hatches dieser Grösse, die leider allesamt ausgestorben sind – aber die A290 trägt Elektro-Ballast. Sie wiegt 1500 Kilo leer ohne Fahrer. Das sind mindestens 200 Kilo zu viel für die gebotene Leistung. Oder 40 kW zu wenig Leistung für das vorhandene Gewicht. Lange Rede, kurzer Sinn: Der Antritt ist E-typisch kräftig, aber der folgende Durchzug haut einen nicht um. Bis rund 70 km/h fühlt sich das Auto stark an, darüber hinaus oder stark bergauf fehlt aber Leistung – sofern man einen Hot Hatch sucht.

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Handling. Die Lenkung wird zwar schwergängiger, aber der Biss und das Einlenkverhalten sind zu sanft. Ausserdem reisst das Drehmoment beim Beschleunigen stark an der Lenkung, sodass man die Alpine richtiggehend festhalten muss – obwohl die Leistung, wie zuvor erwähnt, nicht gerade überbordend ist. Einerseits witzig, andererseits auch nervig auf Dauer. Das Fahrwerk habe ich bereits erwähnt, es ist ausgewogen. Wenn man es krachen lässt, hat das viel Wank- und Nickbewegungen zur Folge. Und das ESP möchte einen auch keinen Spass gönnen und bremst permanent und rigoros rein.

Letzteres kann zwar zumindest reduziert werden, damit man eine freiere Fahrt geniessen kann. Und an gewissen Stellen hat Alpine offenbar doch das Potenzial erkannt und auch umgesetzt! Da wäre zum einen die Bremse. Oftmals ein Kritikpunkt aufgrund der Rekuperation, aber hier: Fein dosierbar, klarer Druckpunkt, viel Biss und konstante Leistung. Ein Traum, vor allem für einen Kleinwagen! Und zu guter Letzt die Bereifung. 180 Grad entfernt von Eco-Müll: Michelin Pilot Sport S5. Die Reifen würden viel, viel mehr vertragen. Man spürt das Fahrwerk und die Karosserie wanken, aber Bodenkontakt und Grip sind exzellent. Eigentlich ist diese Bereifung ein Overkill, vor allem, da der Grossteil des Autos bei weitem nicht so sehr auf Sport getrimmt ist, wie diese Reifen.

Die Konklusion ist daher so simpel wie bedauerlich: Alpine hat – entweder ganz bewusst oder als verpasste Chance – definitiv keinen elektrischen Hot Hatch auf die Räder gestellt. Die A290 ist ein gepimpter Renault R5 mit mehr Leistung, mehr Verbindlichkeit und vor allem mehr Noblesse. Ich weiss, ich greife gerade sehr tief in die Klischeekiste, aber die Alpine A290 sehe ich als perfektes Auto für die mondäne Dame, die gerne einen stylishen Flitzer fährt. Dort ist das Auto bestens aufgehoben. Bei Freaks wie mir nicht.

Viel Style, wenig Nutzwert
Der Testwagen kostet, wie er dasteht, 44’750 Franken. Das sind fast 10’000 Franken mehr als ein ebenfalls gut ausgestatteter Renault 5. Die Alpine hat zwar deutlich mehr Leistung und ist innen deutlich nobler ausstaffiert, aber der Platz im kleinen Auto bleibt beschränkt. Zudem ist der Akku derselbe, der aber durch die höhere Leistung noch schneller dahinschmilzt. Im Test erzielte ich eine bescheidene Durchschnittsreichweite von 270 Kilometern – wer den Sport-Modus ausreizt, landet eher bei 220 Kilometern. So betrachtet ist es dann ziemlich viel Geld für wenig Platz, wenig Reichweite und nicht genügend Sportlichkeit. Vielleicht sieht das die fiktive mondäne Dame ganz anders, aber das ist meine Meinung zur A290. Ein mauer Auftaukt in die Elektrowelt seitens Alpine.

Alltag 
Kompakt und handlich ist die A290 definitiv. Doch bereits die Übersicht nach hinten und schräg hinten lässt deutlich zu wünschen übrig. Platzmässig ein eher unpraktisches Auto, da hinter der B-Säule generell eng.
Fahrdynamik 
Sportlich und unterhaltsam ist die Alpine, wenn man eine lockere, ungezwungene und zügige Ausfahrt geniessen will. Von der Seele des Renault Clio R.S. Trophy ist das Auto aber weit entfernt.
Umwelt 
Im Test flossen 19,8 kWh/100 km. Das ist, selbst für einen sportlich angehauchten Kleinwagen, nicht gerade wenig.
Ausstrahlung 
Optisch fährt die Alpine A290 mit viel Make-up vor. Das sieht auch hervorragend aus, doch hinter der Fassade ist nicht mehr alles so sexy.
Fazit 
+ Sportliches und cooles Design
+ Viel Liebe zum Detail
+ Qualitativ sehr hochwertiges Interieur
+ Gute Ergonomie
+ Bequeme Sitze mit viel Seitenhalt
+ Hoher Fahrkomfort
+ Nervige Assistenzsysteme sind mit einem Doppelklick deaktivierbar
+ Bissige und gut dosierbare Bremse
+ Spontanes Ansprechverhalten
+ Leistung wird bis ca. 25 % SoC aufrechterhalten
+ Extrem klebrige Reifen
– Knappe Platzverhältnisse
– Geringe Reichweite
– Sportpotenzial lässt zu wünschen übrig
– Zerrt stark an der Lenkung
– Mässige DC-Ladeleistung
– Ziemlich teuer gemessen am Nutzwert und Fahrspass
– Eher hoher Verbrauch
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Alpine A290 |
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Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen | 37 700 CHF / 40 900 CHF / 44 750 CHF |
Antrieb | Elektrisch, Frontantrieb |
Akkukapazität | 52 kWh (brutto) / k.A. kWh (netto) |
Max. Leistung | 160 kW |
Max. Drehmoment | 300 Nm |
Beschleunigung 0-100km/h | 6,4 s |
Vmax | 170 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz | 17,0 kWh/100 km / B |
Test-Verbrauch / Differenz | 19,8 kWh/100 km / +16% |
WLTP-Reichweite | 364 km |
Ø Test-Reichweite | 270 km |
Max. Ladeleistung (DC) | 100 kW |
Länge / Breite / Höhe | 3,99 m / 1,82 m / 1,52 m |
Leergewicht (ohne Fahrer) | 1498 kg |
Kofferraumvolumen | 326 - 1106 l |























Bilder: Koray Dollenmeier