Meiner Ansicht nach ist es völlig gleichgültig, ob es sich um Mensch oder Auto handelt: Der erste Eindruck ist wichtig. Er prägt und formt teilweise ein Urteil, ganz egal, ob wir das möchten oder nicht. Beim neuen Audi A5 wird Irrsinn mit Geiz gepaart. Eigentlich sollte der A5 der Beginn einer neuen Ära markieren, wonach ungerade Zahl = Verbrenner bedeutet. Nur hat sich Audi aber bereits beim neuen A6 wieder rückbesinnt. Nun gibt es also einen A5, der eigentlich ein A4 sein sollte, sowie zwei A6. Und was aus dem ursprünglichen A5 wird, weiss vielleicht nicht einmal Audi selbst. Anyway, jedenfalls wird mir der Schlüssel zum neuen A5 Avant ausgehändigt und der ist eine Katastrophe. Billigstes Plastik, keinerlei liebevolles Detail – Hauptsache günstig. Und das, obwohl man Premium bis zum Gehtnichtmehr predigt und der Testwagen die 100k-Schallmauer nur knapp verfehlt. Nun dann, tauchen wir ein ins shaky gestartete Review eines Modells, das für Audi bedeutungsvoll ist.
Grosse Experimente hat man in Ingolstadt unterlassen. Die neue Markensprache mit rundlicherem Grill und allgemein rundlicheren Formen wird konsequent durchgezogen, ansonsten ist das Design ganz klar Evolution. Der Look ist sportlich-elegant, vor allem, wenn wie im Falle des Testwagens die sportlichen 20-Zöller, das volle S-Line-Ornat sowie das tieferliegende Adaptivfahrwerk verbaut sind. Die Farbe ist etwas lieblich, in Schwarz wäre die Erscheinung noch einmal eine ganz andere. Doch Audi hat in meinen Augen ein gutes Mittelmass gefunden: Optische Präsenz, dezente Sportlichkeit und die notwendige Portion Entschlossenheit ohne Assi-Front. Und nur bei Audi hat man im Infotainment die Wahl zwischen acht verschiedenen Lichtsignaturen.

Tag & Nacht
Beim Interieur wird die ganze Angelegenheit schon kritischer. Doch beginnen wir mit dem Lob: Hervorragende Sitze, perfekte Ergonomie, tiefe Sitzposition, Heizung, Lüftung, Massage – die Reise bis ans Ende der Welt kann kommen in diesen Sitzen. Ebenfalls Pluspunkte verdient das Infotainmentsystem. Es ist sehr reaktiv, logisch gegliedert und mit einer sensationellen Navigation sowie Sprachsteuerung ausgestattet. Ausserdem eine alte Audi-Tugend, die sich glücklicherweise gehalten hat: Eine sehr hohe Verarbeitungsqualität, die wirklich spürbar ist, wenn man sich intensiv mit dem Auto auseinandersetzt. Die Platzverhältnisse gehen in Ordnung, sind aber aufgrund des längs eingebauten Motors nicht überragend. Der Kofferraum ist auf dem Papier sehr klein, weil das Tiefgeschoss aufgrund des Hybridantriebs fehlt, aber in der Praxis ist das Ladeabteil gut nutzbar. Zu guter Letzt: Das Erscheinungsbild bei Nacht. Mit der gekonnt inszenierenden Ambientebeleuchtung und allen Displays wirkt das A5-Cockpit hochwertig, fancy, führend und leicht verspielt.

Dafür ist es bei Tageslicht leider genau andersherum. Das Cockpit wirkt mit seinen Schwarz- und Grautönen lieblos. Das digitale Cockpit bietet kaum Konfigurationsspielraum oder unterschiedliche Ansichten – das war früher auch viel besser. Die Nähte heben sich farblich nicht ab, der Mikrofaserstoff sowie die Zierelemente, die wie Carbon aus dem 3D-Drucker wirken, heben sich kaum vom Ambiente ab. Ausserdem nervt mich der Spardrang bei Audi. Es hat insbesondere auf der etwas niedrigeren Höhe viel zu viele sehr billig wirkende Kunststoffverkleidungen. Ausserdem war es mal eine Selbstverständlichkeit, dass Fensterheber, Türgriffe und Handschuhfach-Griff in Aluminium eingefasst waren. Heute? Alles Kunststoff. Doch der grösste Fehlgriff ist das neue Bedienelement in der Fahrertür, das Zentralverriegelung, Licht, Spiegel, Sitzmemory und Kindersicherung beinhaltet. Optisch grundsätzlich hübsch anzusehen und von der Bedienung her einwandfrei. Aber es befindet sich genau dort, wo der Türgriff sein sollte, der nun nicht mehr existiert. Ergebnis: Selbst ich als grosse Person bekomme die Türe zum Zuziehen kaum mehr zu fassen. Eine kleinere Person? Keine Chance. Wer so einen ergonomischen Blödsinn durchwinken kann, weiss ich auch nicht.

Handling-Überraschung
Eine grosse Neuerung gibt es auch bei den Fahrmodi: Der frühere adaptive Fahrmodus Auto wurde eliminiert, der neue Standard heisst «Balanced», der einen ausgewogenen Mix bietet. Das grundsätzliche Fahrgefühl dürfte niemanden überraschen – ausgesprochen ruhig, komfortabel, aber mit ausreichend Feedback, eine Sänfte ist der A5 Avant sogar im Comfort-Modus nicht. Ist letzterer aktiviert, fühlt man sich zwar etwas abgekapselter, aber es ist immer noch ein deutsches Auto mit entsprechendem Fahrgefühl. Der Antrieb ist im Balanced-Modus perfekt für den Alltag, im Efficiency-Modus fühlt man sich dann schon eher ausgebremst, wenn man wie ich lieber grundsätzlich zügig fährt.

Überrascht war ich vom Dynamic-Modus. Selbst sportliche Audi-Modelle überzeugen puncto Sportlichkeit und Emotionalität nicht immer auf der ganzen Linie und ausgerechnet der normale A5 Avant setzt ein kleines, aber feines Ausrufezeichen. Der Hybridantrieb harmoniert perfekt im sportlichen Fahrbetrieb. Kein Turboloch, blitzartiges Ansprechverhalten, kräftiger und linearer Durchzug bis weit über den in der Schweiz erlaubten Tempobereich!

Beim Handling zeigt sich der A5 erfreulich reaktiv, natürlich und grip-stark. Die Lenkung agiert präzise und fördert Verbindlichkeit. Die Bremsanlage ist sowohl puncto Ausdauer, als auch Druckpunkt sensationell und würde auch einem S-Modell ohne weiteres gut stehen. Für ein Hybrid-Auto meisterhaft! Der Quattro-Allrad sorgt auch unter widrigen Bedingungen für Traktion ohne Ende und das Handling ist maximal neutral. Nichts Sportliches oder Hecklastiges, aber auch nicht untersteuernd. Stattdessen schön präzise, vorhersehbar und auf hohem Niveau. Dass das ESP selbst bei für A5-Verhältnisse harter Gangart praktisch nur zusieht, spricht ebenfalls für die gelungene Abstimmung des Autos. Für ein Modell wie den A5 Avant e-Hybrid, der grundsätzlich keine ausgeprägte Sport-Talente verspricht, eine reife Leistung. Like!

Hybrid mit E-Fokus
Mit der üppigen 26 kWh/-Batterie verspricht Audi eine WLTP-Reichweite von fast 100 Kilometern. Wer aber mehr als nur Stadt fährt, wird diesen Wert nie erreichen. Realistischer sind eher 60 bis maximal 70 Kilometer. Man kann den EV-Modus per Knopfdruck erzwingen, dann wird erst mal der Akku leergefahren, bevor der Verbrenner bemüht wird. Ansonsten agiert das System je nach Ladestand und Beschleunigungswunsch. Aufgefallen ist mir, dass der Elektro-Modus bei hohem Akkustand sehr stark bevorzugt wird – auch bei Tempo 130 auf der Autobahn bleibt der Verbrenner aus, respektive wird nur bei starker Beschleunigung auf der Einfahrt aktiviert. Wer ohnehin nur kurze Strecken fährt, spart so Benzin. Wer aber eine längere Autobahnetappe fährt und den Akku schonen will, muss umständlich in einem Touchscreen den gewünschten SoC per Regler aktivieren. Ein Save-Knopf wäre meiner Meinung nach eine viel einfachere Lösung. Im Test mit ziemlich regelmässigem Laden habe ich einen Verbrauch von 4,4 l/100 km erzielt.

Gut ja, aber für diesen Preis?
Abgesehen von den oben ausgeführten Patzern im Interieur kann ich dem Audi A5 Avant nicht viel vorwerfen. Er ist ein gleichermassen gemütliches wie fahraktives Auto. Ausgereifte Assistenzsysteme runden das Gesamtpaket ab. Fragwürdig ist aber die Preisgestaltung. Der Testwagen ist zwar mit dem stärkeren Hybridantrieb sowie mit allerlei Sonderausstattung ausstaffiert, aber über 98’000 Franken sind meiner Meinung nach ein Preis, der die gebotene Leistung übersteigt. Insbesondere finde ich es stossend, dass die Preise dauernd angehoben werden und der Spardrang im Interieur immer offensichtlicher wird. Das geht für mich einfach nicht auf. Schade, denn abgesehen von der ewigen Preisfrage ist der neue A5 Avant ein äusserst gelungener Allrounder.

Alltag 
Sein Plus an Grösse im Vergleich zu den günstigeren Kombis aus dem Hause Volkswagen kann der A5 aufgrund des längs eingebauten Motors nicht in ein Plus an Platz umwandeln. Im Kofferraum fehlt ausserdem der doppelte Boden. Genügend Praktikabilität ist auf jeden Fall gegeben, aber ein Raumwunder ist der A5 nicht.
Fahrdynamik 
Tatsächlich eine kleine Überraschung des Hybrid-Kombis. Ansatzloser und kräftiger Vortrieb, präzise Lenkung, irrsinnig gute Bremse, Traktion ohne Ende und ein neutrales Handling. Alles etwas kühl, nicht aufregend – aber hey, es ist ein A5 Kombi. Von daher: Echt stark!
Umwelt 
4,4 l/100 zuzüglich Stromverbrauch waren es bei doch recht regelmässigem Laden im Test. Der sparsamte Plug-in-Hybrid ist der A5 nicht, doch wer die Systemleistung nicht ausreizt, fährt erfreulich sparsam.
Ausstrahlung 
Der Audi A5 Avant trägt ein sehr stimmiges Design: Elegant, nicht übertrieben aggressiv, etwas sportliche Würze und eine schnörkellose Linienführung. Seine persönliche Ausstrahlung kann man mit der einstellbaren Lichtsignatur nach aussen tragen.
Fazit 
+ Stimmiges Design
+ Sensationelle Verarbeitungsqualität
+ Sehr gute Ergonomie
+ Intuitives und schnelles Infotainment mit top Navi und Sprachsteuerung
+ Angenehme Massageprogramme
+ Fahrmodi mit deutlicher Spreizung
+ Sehr niedriger Geräuschpegel
+ Guter Fahrkomfort
+ Neutrales und präzises Handling
+ Linearer Schub, bissiges Ansprechverhalten
+ Sensationelle Bremse
+ Unglaubliche Traktion
+ Zuverlässige Assistenzsysteme
– Spardrang an zu vielen Stellen ersichtlich
– Kofferraum ohne doppelten Boden
– Längsmotoreinbau kostet Platz
– Hoher Preis, viele und teure Optionen
– Nüchternes Ambiente bei Tageslicht
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
| Marke / Modell | Audi A5 Avant e-Hybrid |
|---|---|
| Preis Basismodell / Testwagen | 69 970 CHF / 97 835 CHF |
| Antrieb | Benzin Plug-in-Hybrid / Allradantrieb |
| Hubraum / Zylinder | 1984 ccm / R4 |
| Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor + Elektromotor |
| Getriebe | 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe |
| Max. Systemleistung | 270 kW |
| Max. Systemdrehmoment | 500 Nm |
| Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
| Beschleunigung 0 - 100 km/h | 5,1 s |
| Elektrische Reichweite nach WLTP | 94 km |
| Batteriekapazität | 25,9 kWh |
| WLTP-Verbrauch / CO2-Emissionen / Energieeffizienz | 2,6 l + 15,6 kWh/100 km / 59 g/km / E |
| Test-Verbrauch / CO2-Emissionen / Differenz | 4,4 l/100 km / 100 g/km / + 69% |
| Länge / Breite / Höhe | 4,83 m / 1,86 m / 1,43 m |
| Leergewicht | 2187 kg |
| Kofferraumvolumen | 361 - 1306 l |





















Bilder: Koray Dollenmeier