SUVs dort, SUVS da, SUVs überall: Die Welt wird von den Blechgebirgen förmlich überrannt. Alle wollen sie, alle bauen sie, alle fahren sie. Zumindest gefühlt ist es so. Dabei sind die überdimensionalen Schlachtschiffe ebenso begehrt wie die kompakten Vertreter. Kein Wunder also, dass Jeep, die Muttermarke aller Geländewagen, findet, es sei höchste Zeit, das Segment der Kompakt-SUVs aufzumischen. Noch ein weiterer, öder Mini-SUV, der in der Masse untergeht?
Um es nochmals zu betonen: Der Jeep Renegade ist neu, wirklich neu. Warum ich das sage? Weil seine Optik eine andere Sprache spricht. Wie sehen denn moderne Kompakt-SUVS normalerweise aus? Rundgelutscht, geschmeidig, fliessend, ihre Grösse kaschierend. Der Jeep Renegade dagegen wirkt fast schon antik.
Man könnte meinen, dass ein Lineal und ein Winkelmesser die einzigen Instrumente waren, welche den Designern zur Verfügung gestanden sind. Der Renegade besteht nämlich hauptsächlich aus Ecken, Kanten sowie geraden Linien und macht somit extrem auf Retro. Da passt sein Name eigentlich ganz gut, denn ins Deutsche übersetzt bedeutet Renegade Abtrünniger. Modernes Design? Pha. Durch seine eckige Gestaltung wirkt der Renegade extrem robust und massiv, obwohl er mit einer Länge von 4,26 Meter eigentlich klein ist.
Der Innenraum wirkt da schon viel moderner mit bequemen Sitzen, übersichtlicher Gestaltung und einem gestochen scharfen Infodisplay zwischen den Instrumenten. Wer sich etwas genauer umschaut, erkennt wiederkehrende Liebe zum Detail: Der typische Jeep Frontgrill mit den kugelrunden Scheinwerfern ist an verschiedenen Orten im Auto zu finden. Ausserdem besteigt ein Ur-Jeep die Windschutzscheibe und in einem Ablagefach findet sich eine Karte. Die kastige Bauform bietet platzmässig natürlich nur Vorteile.
Selten hatte ich hinten so viel Kopffreiheit, aber auch die Beinfreiheit geht angesichts der kompakten Länge völlig in Ordnung. Leider ist ausgerechnet der Beifahrerplatz nicht ganz durchdacht, denn die Klimabedienung drückt ans linke Knie. Schade. Der Kofferraum ist dafür recht gross und verfügt über ein Untergeschoss. An gewissen Stellen dürfte die Verarbeitungsqualität allerdings besser sein. Es knarzt zwar nichts, aber an einigen Stellen fühlt sich der Renegade ziemlich billig an.
Der Jeep Renegade, man kann es aus optischer Sicht kaum glauben, ist technisch gesehen der Zwilling vom Fiat 500X, der, wie eingangs beschrieben, ein typisches, rundgelutschtes Mini-SUV ist. Beiden gemein ist die riesige Antriebspalette. Sowohl drei Benziner als auch drei Dieselmotoren stehen zur Wahl, wahlweise kombinierbar mit einem manuellen Getriebe, einem 6-Gang Doppelkupplungsgetriebe oder einem 9-Gang Automatikgetriebe. Es ist natürlich nicht alles mit allem kombinierbar, aber die Auswahl ist trotzdem beachtlich. Man kann den Jeep ausserdem mit Frontantrieb ordern, aber wer das macht, gehört meiner Meinung nach geohrfeigt.
Für den 500X, der auch in einer City-Variante erhältlich ist, geht das völlig in Ordnung. Ein Jeep hat hingegen einen anständigen Allradantrieb an Bord zu haben, basta. Der Name ist schliesslich Programm, womit wir beim springenden Punkt angelangt sind. Die werte SUV-Kundschaft ist bekanntermassen sehr selten bis nie im Gelände unterwegs. Ich wage allerdings zu behaupten, dass sich diese Kundschaft eher für etwas Rundgelutschtes interessiert als für den Renegade. Letzterer ist nämlich nicht unbedingt eines Design-Awards würdig, aber er verfügt über unbestreitbare Offroadtalente.
Während es viele SUVs bei einer Bergabfahrhilfe belassen, verfügt der Renegade über eine Untersetzung sowie verschiedene Fahrmodi für diverse Untergründe. Wer es richtig wissen will, kann den Renegade auch in der sogenannten Trailhawk-Variante ordern, wo die Geländeeigenschaften nochmals verbessert sind. Jeep geht auch beim kleinsten Modell keine Kompromisse ein und das ist gut so. Obwohl die Konkurrenz in seinem Segment riesig ist, ist der Renegade in meinen Augen einzigartig und konkurrenzlos. Keiner, wirklich keiner in seiner Klasse könnte ihm im Gelände auch nur annähernd das Wasser reichen.
Getestet habe ich ihn allerdings auf der Strasse, wo auch der Jeep Renegade die meiste Zeit seines Lebens verbringen dürfte. Antriebstechnisch sorgte ein 2,0 Liter Diesel mit 103 kW in Verbindung mit dem 9-Gang Automatikgetriebe für Vortrieb. Mir ist sofort aufgefallen, dass das Getriebe viel ruhiger agiert als im Cherokee. Während es im grossen Bruder sofort in niedrigere Gänge gewechselt hat, hält die Automatik im Renegade die Gänge eher und vertraut aufs Drehmoment, so, wie es sein sollte. Schade allerdings, steht kein Sport- oder Eco-Modus zur Verfügung. Auch Schaltpaddels fehlen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass mich das 9-Gang Getriebe überzeugt hat.
Der Motor hingegen dürfte ruhiger laufen. Der Renegade ist ein ziemlicher Traktor, die Vibrationen sind im Innenraum deutlich spürbar und wird er ordentlich getreten, wird es innen richtig laut. Wobei den Jeep zu treten ohnehin nicht das Vernünftigste ist: Er schwankt in Kurven ziemlich, ausserdem ist der Schub trotz ziemlich kräftigem Diesel eher mässig. Cool ist dafür die präzise Lenkung, was oftmals ein Schwachpunkt vieler SUVs ist. Auf Wunsch ist auch einiges an Assistenz verfügbar. Fernlichtassistent, automatischer Parkassistent, Notbremsassistent, Tot-Winkel-Warner sowie aktiver Spurhalteassistent sind auf Wunsch erhältlich. Kurios: Auf italienischen Autobahnen – und wirklich nur dort – piepste der Renegade immer wieder mal, ohne etwas im Display anzuzeigen. Was ihn gestört hat, wird wohl immer ein Rätsel bleiben…
Der Jeep Renegade ist ein gemütlicher und vor allem praktischer Begleiter. Er bietet viel Platz und cleveres Zubehör, wie beispielsweise ein Campingzelt, welches sich an der offenen Heckklappe befestigen lässt. Auch wenn ich es nicht getestet habe, so glaube ich Jeep sofort, dass der Renegade bezüglich Offroadfähigkeiten der Leistungsfähigste seiner Klasse ist. Aber er ist ziemlich teuer. Der gut, aber nicht komplett ausgestattete Testwagen schlägt mit 43’650 Franken zu buche, da gibt es SUVs, die eine ganze Nummer grösser sind, für dasselbe Geld. Ausserdem hatte ich noch selten eine dermassen unzuverlässige Reichweitenanzeige wie im Renegade. Innert wenigen Minuten kommen plötzlich hunderte Kilometer dazu – oder verschwinden einfach. Trotzdem mag ich den Renegade. Er ist nämlich ein richtiger Bursche mit Charakter – und nicht so verweichlicht wie viele seiner Konkurrenten.
Alltag
Für seine Länge ist der Renegade ziemlich geräumig. Er federt komfortabel und überzeugt auch auf langen Strecken. Auf italienischen Autobahnen piepste der Jeep aus unbekannten Gründen immer wieder mal. Der Algorithmus für die Reichweitenberechnung sollte Jeep ausserdem gründlich überarbeiten.
Fahrdynamik
Fahrdynamik stand ganz klar nicht im Lastenheft von Jeep, was aber völlig in Ordnung ist. Die Lenkung ist präzise, aber das war’s dann auch. Der Jeep neigt sich in Kurven ziemlich stark und der Motor wirkt nicht so kräftig, wie er auf dem Papier ist.
Umwelt
Der Jeep ist trotz kompakter Abmessungen mit über 1600 Kilo recht schwer und das schlägt sich negativ auf den Verbrauch nieder: 5,8 l/100 km verspricht Jeep, was ein guter Wert wäre. Im Test waren es aber 7,5 l/100 km, was für ein kleines SUV ziemlich viel ist.
Ausstrahlung
Ich würde den Renegade nicht als hübsch bezeichnen. Aber weil er optisch durchgehend auf Retro macht und seinen ganz eigenen Stil pflegt, strahlt er doch das gewisse Etwas aus.
Fazit
+ Geräumiger Innenraum
+ Überlegene Offroadkompetenzen
+ Diverse Assistenzsysteme erhältlich
+ Einzigartiges Design
+ Präzise Lenkung
+ Komfortables Fahrwerk
+ Bequeme Sitze
+ Harmonische und treffsichere 9-Gang Automatik
– Ziemlich hoher Preis
– Erhöhter Verbrauch
– Rauer Motor
– Teilweise mässige Verarbeitungsqualität
– Unzuverlässige Reichweitenanzeige
Marke / Modell Jeep Renegade Preis Basismodell / Testwagen 24'950 CHF / 43'650 CHF Antrieb Diesel, Allradantrieb Hubraum / Zylinder 1956 ccm / R4 Motoranordnung / Motorkonzept Frontmotor / Turbomotor Getriebe 9-Gang Automatikgetriebe Max. Leistung 103 kW bei 4000 r/min Max. Drehmoment 350 Nm bei 1750 r/min Beschleunigung 0–100 km/h 10,2 s Vmax 182 km/h NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz 5,8 l/100 km / 154 g/km / D Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz 7,5 l/100 km / 199 g/km / +29% Länge / Breite / Höhe 4,26 m / 1,81 m / 1,67 m Leergewicht 1605 kg Kofferraumvolumen 351 - 1297 l
(Bilder: Koray Adigüzel)
2 thoughts on “Jeep Renegade: Im Grunde einzigartig”