Die Mercedes A-Klasse ist eine Kriegerin. Eine andere Bezeichnung fällt mir angesichts der Eroberungsrate von sage und schreibe 66% nicht ein. Das bedeutet, dass 66% der Käufer vorhin noch nie Mercedes gefahren sind, sprich, sie wurden von der A-Klasse zu Mercedes hingezogen. Seit drei Jahren wütet die Kriegerin nun in der Kompaktklasse; Zeit, ihr ein kleines Facelift zu verpassen. Wobei die Optik kaum angetastet wurde – wozu auch, wenn das Design so dermassen erfolgreich ist? Die ohnehin schon dynamische A-Klasse wurde weiter geschärft und ist ab dem 26. September für mindestens 30’600 Franken zu haben. Aber machen wir uns nichts vor: Eine hübsche A-Klasse kostet locker 50’000 Franken, ein A45 AMG mit allem drum und dran schlägt mal eben mit 90’000 Franken zu Buche. Einen Stern zu fahren war eben noch nie ein billiges Vergnügen, aber sei’s drum…
Schaf im Wolfspelz
Das optische Facelift beinhaltet die üblichen Zutaten: Neue Schürzen, neue LED-Scheinwerfer, neue Rücklichter, neue Farbe. Fertig. Nicht mal der Kühlergrill wurde verändert, im Gegenteil, der bekannte Diamant-Grill ist nun für alle A-Klasse Versionen serienmässig. Versionen? Okay, streng genommen gibt es die A-Klasse nur in einer Version, nämlich als normaler 5-Türer. Ein Dreitürer wurde aus Kostengründen nie entwickelt, ausserdem wollte man trotz der sportlichen Optik die Funktionalität nicht zu stark einschränken.
Im Interieur sind die Änderungen ebenfalls bloss marginal: Neue, immer noch eher schlecht ablesbare Instrumente, Sitze mit ausziehbarer Beinauflage und Unterstützung für MirrorLink oder Apple CarPlay. Nach wie vor sind die Platzverhältnisse im Fond und im Kofferraum zweitrangig und unterdurchschnittlich schlecht, aber das scheint den Käufern sowieso egal zu sein.
Eine reguläre A-Klasse, also ohne AMG-Kit, sieht sehr brav aus. Um die Optik aufzupeppen gibt es das soeben erwähnte AMG-Kit, welches das Erscheinungsbild erheblich verschärft. Bisher war das AMG-Kit die einzige Möglichkeit, die A-Klasse optisch zu pimpen. Jetzt geht Mercedes einen Schritt weiter, nämlich mit der Motorsport-Edition. Mattgrauer Lack, AMG-Kit, fetter Spoiler, schwarze Felgen und rote Bremsklötze holen das Maximum aus der A-Klasse heraus, so dass sie zum richtig scharfen Feger wird – zumindest optisch. Die Motorsport-Edition ist ab den Motorisierungen A200 / A200 d (die beiden stärksten Diesel sowie die drei stärksten Benziner) verfügbar. Aber ein 100 kW Diesel in einer solch expressiven Verpackung? Das stimmt für mich einfach nicht. Schaf im Wolfspelz sag’ ich dem. Eine ziemlich peinliche Sache. Die Motorsport-Edition sollte meiner Meinung nach dem stärksten Benziner vorbehalten sein.
Diesel-Fans, vergebt mir
Die A-Klasse ist seit jeher eine sportlich-edle Alternative in der Kompaktklasse. Für mich harmoniert dieses Auto deshalb nur mit Benzinmotoren. Wer so vernünftig und rational veranlagt ist, dass er einen Diesel fahren möchte, der passt nicht in dieses Auto. Darum habe ich nur Benziner für euch getestet. Wer die A-Klasse hübsch findet, aber keine überbordende Leistung wünscht, sollte sich den A200 genauer unter die Lupe nehmen. Wer ganz sicher sein will, dass seine A-Klasse als das Facelift-Modell erkannt wird, sollte die neue Farbe Elbaitgrün wählen.
Mir persönlich gefällt sie – so giftig wie sie ist, passt sie hervorragend zum A45 AMG, aber dazu später mehr… Ich bin den A200, ein 115 kW starker 1,6-Liter Benziner, in Verbindung mit Handschaltung gefahren. Es ist das erste Mal gewesen, dass ich einen Mercedes manuell geschaltet habe, irgendwie verbindet man Mercedes einfach mit Automatikgetriebe. Die Schaltung ist sehr gut: Präzise, knackig, ziemlich kurze Schaltwege, klarer Schleifpunkt der Kupplung. So macht Schalten Spass. Ausserdem zieht der Benziner bereits aus tiefen Drehzahlen gut durch und klingt auch einigermassen anständig; nicht wie der Staubsauger-Motor im CLA Shooting Brake.
Ich habe den Benziner sogar stärker eingeschätzt, als er es tatsächlich ist. Doch die wahre Neuerung der A-Klasse ist der sogenannte Dynamic Select Schalter in Verbindung mit dem adaptiven Fahrwerk. Bei allen Herstellern mittlerweile Gang und Gäbe, fühlte sich wohl auch Mercedes unter Zugzwang. Nun stehen die vier Fahrmodi Comfort, Eco, Sport und Individual zur Wahl. Ich brauche euch wohl nicht zu erklären, worin die sich unterscheiden. Fakt ist jedoch, dass das neue Fahrwerk im Comfort Modus sehr angenehm federt und die A-Klasse langstreckentauglich macht. Selbst im Sport Modus ist die A-Klasse nicht mehr so hart wie früher, dennoch fährt sie wie auf Schienen. Im Zusammenspiel mit der sehr exakten und direkten Lenkung sowie der präzise dosierbaren Bremse gehört die A-Klasse nach wie vor zur Dynamikerin in ihrem Segment.
A250 Sport Motorsport Edition: AMG light
Es ist nicht einfach, die A-Klasse Versionen auseinander zu halten. Also: Es gibt den «normalen» A250, ein 155 kW starker 2,0-Liter Benziner ohne spezielle Besonderheiten. Dann gibt es den A250 Sport mit kaum nennenswerten 5 kW Zusatzleistung. Allerdings ist der Sport von AMG feingetunt, verfügt beispielsweise über ein AMG-Sportfahrwerk, weiter über eine von AMG eingestellte Lenkung sowie eine sportlichere Motor- und Getriebeabstimmung. Wer dann noch die Motorsport-Edition wählt, erhält sowohl optisch, als auch technisch die schärfste A-Klasse unterhalb vom AMG.
Auch den A250 Sport habe ich mit manuellem Rührwerk getestet. Da der Motor deutlich stärker als jener im A200 ist, geht es entsprechend flott zur Sache. Der Motor zieht unten heraus extrem gut und dreht lässig hoch, begleitet von einem sonoren, sportlichen Sound. Obwohl nur mit Frontantrieb unterwegs (Allrad gibt es ausschliesslich in Verbindung mit dem Automatikgetriebe), ist die sportliche A-Klasse sehr neutral und verdammt präzise zu fahren. Jeder Lenkimpuls wird umgehend in eine Richtungsänderung umgesetzt. Bisher war das 7-Gang-Automatikgetriebe eher ein Trauerspiel und ich hatte leider keine Gelegenheit, einen Automaten zu testen. Ich werde dies aber mit einem Testwagen nächstes Jahr nachholen. Auch ohne diese Erfahrung wage ich jedoch zu behaupten, dass wahre Sport-Fans zum Handschalter greifen. Es ist einfach direkter und intensiver, man hat freie Gangwahl, keine Anfahrschwäche und kann das hohe Drehmoment voll auskosten. Der A250 Sport in der Motorsport Edition ist die perfekte Wahl für alle, die gerne sportlich unterwegs sind und viel Wert auf eine extravagante Optik legen. Oder wem der richtige AMG zu laut, zu prollig und zu hart ist.
Hardcore Prolet: A45 AMG
Ihr seid hart ihm nehmen? Ihr schert euch einen Dreck darüber, was andere von euch halten? Ihr macht gerne auf euch aufmerksam? Okay, dann seid ihr eines A45 AMG würdig. Denn nur wer selber gerne im Mittelpunkt steht, etwas verschwenderisch mit den Ressourcen umgeht und nach einem ordentlichen Schluck Bier einen hörbaren Rülpser ausstosst, harmoniert mit dem A45 AMG. Dann nämlich sind Halter und Fahrzeug quasi eine Einheit mit identischem Ziel: Negativ auffallen. Bereits beim Start rotzt der AMG derart ungehobelt aus seinen Endrohren, dass Senioren, Umweltaktivisten und Öko-Tanten bloss den Kopf schütteln. Wer genauso exhibitionistisch wie der kleinste AMG veranlagt ist, stellt den Fahrmodus gleich von Comfort auf Sport+ und wechselt in den manuellen Schaltmodus, um maximale Kontrolle über das Bollern zu erhalten. Möge das Spiel beginnen.
Also, rückwärts aus dem Parkplatz rausfahren und zur Einfahrt rollen. Im Sport+ Modus ist die Start-Stopp-Automatik natürlich deaktiviert, wodurch der AMG auch im Stand frisch-fröhlich vor sich hin grummelt. Glaubt mir, dieses Auto kann nicht leise sein. Jetzt aber Abmarsch. Der erste Gang kann durchaus bis Tempo 40 drin bleiben, damit der AMG eine aus tiefstem Herzen kommende Fanfare knallen lässt. Dann im zweiten Gang nochmals ein kurzer Gasstoss und in den dritten Gang schalten, damit abermals ein ziemlich obszönes Geräusch die Dorfidylle stört.
Der A45 AMG ist der Rüpel in der Kompaktklasse. Das ist kein Hot Hatch mehr, das ist ein echter Sportwagen. Selbst wenn die Auspuffklappen geschlossen sind macht er immer einen heidenlärm. Selbst im Comfort Modus ist er sehr hart und schüttelt die Insassen unbarmherzig durch. Er ist gröber und lauter als die normale A-Klasse; Motor-, Reifen, und Fahrwerksgeräusche sind stets präsent. Das Automatikgetriebe reagiert zwar hellwach und schaltet blitzschnell die Gänge durch, aber um das Maximum an ordinären Lautäusserungen aus dem AMG zu quetschen, sei der manuelle Modus empfohlen. Dann kann man nämlich einen Gang nach dem anderen runterschalten, das Brabbeln und Sprotzeln aus dem Auspuff geniessen und man hat für ein Überholmanöver stets den passenden Gang parat.
Für eine noch aggressivere Beschleunigung wurde das Getriebe im Rahmen des Facelifts kürzer übersetzt und die Leistung stieg von 265 auf 280 kW, womit der A45 AMG den Audi RS 3 übertrifft und in der Kompaktklasse wieder die Krone trägt. Der A45 AMG ist eine A-Klasse, die mit Pfeffer, Paprika und Chilli gewürzt worden ist. Trotz 1,8 Bar Ladedruck ist das Ansprechverhalten enorm direkt, ausserdem ist das Triebwerk unglaublich aggressiv abgestimmt, denn bei 5000 Umdrehungen kommt nochmals ein gewaltiger Zusatzschub. Auf der Rennstrecke habe ich zudem gespürt, wie neutral der AMG ist. Selbst bei irrwitzigen Kurvengeschwindigkeiten hält er dank mechanischer Sperre vorne die Spur, er wird fast von alleine um die Kurve gezogen. Dank dem ausgesprochen hartem Fahrwerk bleibt er in Kurven steif wie ein Brett, Seitenneigung kennt dieses Auto nicht.
Damit der AMG optisch und technisch auf maximalen Krawall gebürstet ist, müssen folgende Dinge auf der Aufpreisliste unbedingt angekreuzt werden: AMG Aerodynamik Package (Flaps an der Frontschürze und AMG-Heckspoiler), AMG Driver’s Package (Fahrtraining und Vmax 270 km/h), AMG Dynamic Plus Package (mechanische Sperre vorne), AMG Ride Control (Adaptives Sportfahrwerk und Race-Modus) und AMG Performance Abgasanlage für noch intensiveren Motorsound. Ich vertrete nämlich die Ansicht «wänn scho, dänn scho». Wenn’s denn ein A45 AMG sein soll, dann bitte das volle Programm. Ich erwarte von den AMG-Käufern, dass sie ihren Wagen artgerecht bewegen, sprich: Auf den utopischen Normverbrauch von 6,9 l/100 km pfeifen und stattdessen einen zweistelligen Verbrauch anpeilen. In den niedrigen Gängen spielt hier die Musik, wortwörtlich. Der A45 AMG ist sozusagen der Häuptling des A-Klasse Krieger-Stammes. Vollkommen zu Recht.
(Bilder: Daimler)
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