Obwohl die bisherige E-Klasse keine vier Jahre alt ist, spendierte ihr Mercedes ein 1’000’000’000 € teures Facelift, da die Verkaufszahlen denjenigen der Hauptkonkurrenten Audi und BMW hinterherhinken. Mit einem geschärften Design, zusätzlichen Assistenzsystemen und grosszügigen Platzverhältnissen für Passagiere und Gepäck, startet die Businessklasse von Mercedes in die nächste Runde. Hat sich das enorm umfangreiche und teure Facelift gelohnt?
Das sogenannte Vieraugengesicht ist verschwunden. Dies ist die erste, grosse optische Veränderung, welche ins Auge sticht. Mittels LED Beleuchtung werden zwar nach wie vor zwei einzelne Scheinwerfer suggeriert, die jetzt allerdings zusammengefügt sind. Zudem trägt die E-Klasse jetzt eine schwungvollere Seitenlinie mit mehr Dynamik. Das Heck dagegen wurde nur ganz minim angetastet, insbesondere um beim T-Modell (Kombi) die kastige Form besser zu kaschieren. Je nach Ausstattungslinie (Elegance oder Avantgarde), steht der Stern wie bei den klassischen Modellen auf der Haube, oder er ist auf sportliche Weise in der Mitte des Kühlergrills integriert. Der Avantgarde Testwagen mit AMG Paket (siehe Bilder) verkörpert Eleganz und dezente Sportlichkeit sehr gut miteinander, hier kommt das AMG Styling deutlich weniger protzig daher, wie beispielsweise beim CLA.
Das Interieur wurde ebenfalls nur dezent angetastet. Wie bei den A-Klasse Derivaten wanderte der Automatik Wählhebel von der Mittelkonsole hinters Lenkrad, was zusätzliche Ablagefächer in der Mittelkonsole ermöglicht. Zusätzlich kommt auf Wunsch das sehr gute, aber auch sehr teure Comand Online Mediasystem zum Einsatz. Warum es aber für die Feststellbremse ein viertes Pedal braucht und zum Lösen der Bremse an einem billigen Plastikgriff gezogen werden muss, ist mir unverständlich. Ein simpler Knopf für eine elektromechanische Parkbremse würde viel besser zur luxuriösen Limousine passen. Ansonsten verwöhnt das Interieur mit Mercedes-typischen, edlen Materialien und einer perfekten Verarbeitung. Die Platzverhältnisse sind sowohl vorne, wie auch hinten fürstlich, optional gibt es hinten auch zwei gut ausgeformte Einzelsitze anstelle einer Rückbank. Auch der Kofferraum glänzt mit 540 Liter Volumen, wer richtig viel Platz benötigt, ist mit dem T-Modell und 695 Liter Laderaum bestens bedient.
Zum Test trat die E-Klasse als E250 CDI 4Matic an, ein 2.2 Liter Diesel, der es auf 150 kW und 500 Nm bringt, also genug, um die rund 1.9 Tonnen schwere Limousine in Schwung zu bringen. Dank hervorragender Dämmung könnte man bei gemächlicher Fahrt glatt meinen, einen Benziner unter der Haube zu haben, so leise und kultiviert läuft der Selbstzünder. Im Gegensatz zur A-Klasse Familie kann das Doppelkupplungsgetriebe in der E-Klasse jetzt auch langsam, sprich im stockenden Verkehr ohne Ruckeln anfahren und bremsen, obwohl es meines Wissens dasselbe Getriebe ist. Anscheinend befanden die Ingenieure diese Art von Feintuning bei der E-Klasse als notwendig (würde ich auch). Überhaupt erledigt das Getriebe seine Arbeit unauffällig und schnell, so wie es ein gutes Doppelkupplungsgetriebe eben tun sollte. Mit den Fahrmodi Eco, Sport und Manual beeinflusst man nur die Parameter Gasannahme, Schaltgeschwindigkeit-und Punkte. Ein adaptives Fahrwerk ist optional auch noch erhältlich, die Lenkung aber bleibt immer wie ist, zwar präzise, aber zu leichtgängig. Sehr positiv überrascht war ich vom Sportfahrwerk, das zwar eine gewisse Straffheit mit sich bringt, aber trotzdem noch hervorragend federt, man nimmt die Strasse bei weitem nicht so genau wahr wie mit anderen Sportfahrwerken, die einfach auf Teufel komm raus hart sind. Nein, mit dem feinen Fahrwerk der E-Klasse lassen sich Kurven erstaunlich schnell und agil durchfahren, ohne Seitenneigung in Kauf zu nehmen, was sicher auch dem Allradantrieb und den breiten 275er Pirelli P Zero’s an der Hinterachse zu verdanken ist. Letztere machen allerdings auf der Autobahn mit lauten Abrollgeräuschen negativ auf sich aufmerksam.
Im Zuge des Facelifts hat eine ganze Armada von Assistenzsystemen in die E-Klasse Einzug gehalten. Das Intelligent Light System gibt es auf Wunsch jetzt als Voll-LED Einheit, welche enorm hell strahlt und die Strasse perfekt ausleuchtet. Zudem kann die E-Klasse jetzt kreuzenden Verkehr und in der Nacht Fussgänger erkennen. Zu guter Letzt kann sie im stockenden Verkehr sogar völlig selbstständig dem Vordermann folgen, die Hände müssen jedoch aus rechtlichen Gründen weiterhin das Lenkrad halten. Zentrales Element für alle Assistenzsysteme ist eine 3D-Stereokamera hinter dem Innenspiegel, die dem Auto quasi räumliches Sehen ermöglicht.
Dass Mercedes seine Autos nicht für Kleingeld verkauft, ist allgemein bekannt und das gilt natürlich auch für die E-Klasse. Die Limousine gibt es ab 55’700 CHF, der Testwagen kam auf 100’630 CHF zu stehen, ohne etwaige Rabatte. Dabei ist der Testwagen nur durchschnittlich ausgestattet, da wäre preislich also noch deutlich mehr möglich. Natürlich ist die E-Klasse alles in allem ein hervorragendes Auto, das sich keine groben Schnitzer erlaubt. Sie ist super komfortabel und fährt sich sportlicher, als man glaubt. Doch in einem Vergleichstest von Auto Motor und Sport musste sie aufgrund des hohen Preises einige Federn lassen.
Alltag ★★★★★
Obwohl die E-Klasse eine gewisse Grösse hat, ist sie recht übersichtlich und dank Sensoren rundum plus Rückfahrkamera ohnehin einfach zu manövrieren. Platz ist eher zu viel, denn zu wenig vorhanden und als Diesel ist sie auch noch sehr wirtschaftlich. Sozusagen das Rundum-sorglos-Paket für den automobilen Alltag.
Fahrdynamik ★★★★☆
AMG-Paket, Sportfahrwerk, Allrad und 19 Zöller sind eben doch mehr als nur schärfende Optik oder leere Buchstaben, denn die E-Klasse fährt sich trotz ihrer Grösse und Gewichts erstaunlich flink. Die Bremsen sind sehr fein dosierbar und kräftig, lediglich die Lenkung ist etwas zu leichtgängig, aber trotzdem präzise.
Umwelt ★★★★★
Die Werksangabe von 5.5 l/100 km wurde mit 5.8 l/100 km in der Praxis nur knapp verfehlt. Ein sensationeller Wert für eine solch grosse und luxuriöse Limousine! Die Start-Stopp-Automatik arbeitet schnell und ruckelfrei, allerdings erfüllt der getestete Motor nicht die Euro 6 Abgasnorm, wie man es ansonsten von Mercedes kennt.
Ausstrahlung ★★★☆☆
Der E-Klasse haftet eben schon das biedere Rentner- und Dienstwagenimage an. Sie wirkt seriös und edel, aber nicht besonders sexy, was in dieser Klasse aber auch nicht wirklich gefragt ist.
Fazit ★★★★★
+ Gutes und schnelles Doppelkupplungsgetriebe
+ Sehr edle und hochwertige Innenausstattung
+ Fürstliche Platzverhältnisse
+ Sparsamer und kräftiger Diesel
+ Erstaunlich hohe Fahrdynamik
+ Optional sehr viele Assistenzsysteme erhältlich
+ Übersichtliche Karosserie
+ Comand Online Mediasystem
+ Zeitloses Design
– Hohe Grund- und Optionspreise
– Umständliche Parkbremse
– Unangenehm lautes Reifenwummern auf der Autobahn
(Bilder: Daimler)
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