Die Zahlen sprechen überhaupt nicht für den neuen Porsche 718 Cayman, dem neuen Einstiegsmodell von Porsche. Der Cayman leistet nicht mehr als die aktuelle Horde wild gewordener Hot Hatches, der Motor ist mittlerweile ebenfalls ein schnöder Vierzylinder-Turbo, und trotzdem zahlt man für einen Porsche Cayman weitaus mehr als für leistungsmässig vergleichbare Autos. Doch beim Autofahren zählen nicht bloss die nackten Zahlen, sondern, wie sich diese Zahlen anfühlen. Der Porsche Cayman hat mich bei meiner ersten Begegnung dermassen elektrisiert, dass dies die neue Einstiegsdroge sein muss, mit welcher Porsche potentielle Kunden an sich binden möchte. Zum Glück bin ich immer noch ein armer Student, ansonsten hätte ich mir bei der Fahrveranstaltung von Porsche im schwedischen Malmö im anschliessenden Rausch der Fahrt gleich einen bestellt…
257 kW leistet der neue Cayman, aber auch nur als Cayman S, für das «richtige»Einstiegsmodell müssen gar 221 kW reichen. Klingt nicht spektakulär und ist es eigentlich auch nicht. Ein VW Golf R, der an jeder zweiten Ecke rumsteht, leistet soviel wie der Cayman und auch der Cayman S kann mit seiner Leistung auf dem Papier einem aufmüpfigen Ford Focus R.S. nicht davonfahren. Doch wie sich schon oft gezeigt hat, ist es eben nicht nur die Leistung, die zählt. Es ist das ganze Drumherum: Im Gegensatz zu den Hot Hatches ist der Cayman ein richtiger Sportwagen, sowohl optisch, als auch technisch. Ein rassiges, zweisitziges Coupé, klein und kompakt und vor allem erstaunlich dezent. Keine aggressive Front, die Kleinkinder erschrecken soll und überhaupt keine Spoiler oder sonstiges auffälliges Zeug, sondern eine klassische, schörkellose Linienführung. Keine Frage, der Cayman sieht schön aus.
Auch innen wähnt man sich dank der tiefen Sitzposition, dem aufrechten Lenkrad und fehlender Rückbank sofort in einem richtigen Sportwagen. Logisch, schliesslich sitze ich in einem, aber worauf ich hinaus will: Die Strasse wird am Steuer eines Porsche ganz anders wahrgenommen als in einem Ford, trotz derselben Leistung. Das Ambiente im Innenraum macht soviel aus. Dabei ist der Cayman natürlich kein Purist, sondern ein edler Sportler. Feines Leder, diverse Farbkombinationen, perfekte Sitze, modernes Mediasystem und erstklassige Verarbeitung zeigen eben, dass ein Porsche-Sportwagen ein edles Produkt ist. Einzig die Knöpfe auf der Mittelkonsole klingen sehr billig und passen gar nicht in einen Porsche. Schade finde ich darüber hinaus, dass Porsche den Mittelmotor nicht stolz hinter der Heckscheibe präsentiert, sondern das Triebwerk komplett versteckt. Das hat aber nichts mit den neuen Vierzylindermotoren zu tun, die Porsche verstecken möchte. 😉 Schon der Vorgänger zierte sich, sein Herz offen zu zeigen.
Was das tolle Gefühl verstärkt, in einem reinrassigen Sportwagen zu sitzen, ist der rasselnde Motorklang, der beim Start von hinten die Ohren umschmeichelt. Mittelmotor, das bedeutet perfekte Balance und auf Wunsch ein Heck, das wunderbar Quer geht. Gestartet wird natürlich im Cayman S, die Basis knüpfe ich mir später noch vor – vielleicht. Ganz bewusst habe ich mir einen Handschalter ausgewählt, denn ein Porsche mit Handschaltung ist fast schon eine Rarität geworden. Klar, das PDK Doppelkupplungsgetriebe von Porsche ist perfekt, aber nur mit Handschaltung wird das Erlebnis so direkt, dass der Rausch einsetzt.
Da sitzt du im Cayman und kannst einfach nicht anders, als wie ein halber Irre anzufahren. Die Kupplung drückt deinem linken Fuss kräftig entgegen, der Leder-Alu-Schaltknauf liegt perfekt in der Hand. Ein kurzer Gasstoss, der Motor wird auf 3000 Touren hochgejagt und Go. Wie eine Schlange stürzt der Cayman nach vorne, dein Fuss hat die Kupplung eben erst verlassen, da rast der Drehzahlmesser schon frisch-fröhlich auf 7000 Umdrehungen zu. Du kickst die Kupplung gefühlt in den vorderen Kofferraum, reisst den kurzen Schalthebel nach unten, der Auspuff knallt feierlich, du lässt die Kupplung zurückspicken und rast im zweiten Gang weiter. Kontrollblick auf den Tacho, ups, Tempo 120, auch in Schweden deutlich zu viel. Rasch weg vom Gas, der Auspuff rotzt und knallt abermals. Denkt ihr etwa, ich hätte das nur ein einziges Mal gemacht…?
Es ist diese Verbundenheit. Kuppeln, Gas geben, schalten, alles geht so schnell, alles geht so intuitiv und gefühlt kommt man sich schneller vor als mit PDK. Natürlich ist man das nicht, ein Zug an der Schaltwippe geht logischerweise viel schneller, aber auch beim Sex möchte man ja nicht möglichst schnell kommen, sondern lieber die Zeit geniessen. Warum also nicht auch beim Autofahren? Lieber selber schalten, anstatt möglichst schnell zu sein, das Erlebnis ist es wert.
Was Schweden rund um das südlichste Städtchen Malmö nicht zu bieten hat, sind kurvige und verwinkelte Bergstrassen. Dafür gibt es etwas ganz anderes: Kurvige, enge Landstrassen mit unzähligen blinden Kuppen, hinter denen man also nicht sieht, was als nächstes kommt. Es ist ein unendliches auf und ab sowie links-rechts Geschlängel und ich freue mich über jede kommende Kuppe. Du fährst auf die Kuppe zu, bremst hart an, denn wenn Porsche etwas sensationell kann, dann Bremsen bauen. Du schaltest zurück, am besten um mehrere Gänge, der Auspuff röhrt und dank durch dank automatischem Zwischengas angeglichener Drehzahl kannst du die Kupplung beim Runterschalten einfach fliegen lassen. Dieses Getriebe sorgt für eine derart intensive Verbindung zum Auto, da kann meiner Meinung nach das PDK mit seiner ganzen Perfektion zusammenpacken.
Wichtig ist jedoch, ziemlich hochtourig zu fahren, weil: Turbo. Die Zeit der Saugermotoren neigt sich bei Porsche dem Ende zu und man muss den wunden Punkt vom Cayman S einfach kennen, dann kann man ihn umgehen. Unter 2500 Umdrehungen kommt der Sportler nur träge in Fahrt (darum auch das Anfahren bei 3000 Umdrehungen 😉 ), aber danach rast der Drehzahlmesser nur so durchs Drehzahlband, macht auch bei 6000 Umdrehungen nicht schlapp, sondern dreht blitzartig bis auf über 7000, auch das Ansprechverhalten ist bei höheren Drehzahlen überhaupt kein Problem.
Eher ein Problem ist der Sound. Man kann, wie wir mittlerweile wissen, auch aus einen Vierzylindermotor einiges an Sound entlocken und da Porsche Boxermotoren einsetzt, klingt der Sound durchaus eigen und ist nicht so verwechselbar. Der Cayman S macht durchaus lärm, er brüllt, spuckt, rotzt und knallt, aber: Vierzylinder bleibt Vierzylinder. Dieses herrliche, sägende, scheppernde und kreischende Gerassel der Sechszylinder-Sauger klingt halt deutlich besser, da müssen wir uns alle nichts vormachen. Doch auch Porsche muss sich den CO2-Vorgaben unterwerfen, deshalb ist halt Downsizing angesagt. Porsche selber nennt es übrigens «Rightsizing», aber damit wird eigentlich nur versucht, etwas Unangenehmes zu vertuschen. Rightsizing ist für mich, wenn ein grösserer Motor zum Einsatz kommt!
Schlussendlich habe ich mich noch in einen Cayman ohne S gesetzt und bin abermals positiv überrascht worden. Natürlich ist es wieder ein Handschalter gewesen, doch trotz 0,5 Liter weniger Hubraum spürt man die Veränderung wahrscheinlich nur im direkten Vergleich. Der Basismotor dreht etwas weniger gierig hoch und macht beim spontanen Gaswegnehmen weniger Radau. Doch wie sein stärkerer Bruder brilliert er mit einem absolut perfekten Handling, lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen und folgt unbeirrt seiner Spur. Einzig das Lenkrad dürfte in beiden Modellen etwas kleiner sein. Wer es darauf anlegt, kann im Sport-Modus des ESP völlig gefahrlos ein paar Powerslides produzieren, denn bevor es zu kritisch wird, greift das ESP Porsche-typisch kurz, aber sehr effektiv ein.
Wir hatten zwar auch das Vergnügen auf der Rennstrecke, auf der die atemberaubende Performance vom Cayman unter Beweis gestellt worden ist. Ja, auf der Rennstrecke ist man mit dem PDK, welches mitzudenken scheint und immer richtig schaltet, besser bedient als mit dem Handschalter. Leider wurden wir auf der Rennstrecke an der kurzen Leine gehalten. Freies Fahren lag nicht drin und auch am ESP durften wir nicht rumfingern. Diese Kontrolle widerstrebt allerdings sowohl mir, als auch dem Cayman, weshalb ich mich anstelle einer weiteren Runde auf der Rennstrecke lieber auf den engen, schwedischen Landstrassen bewegt habe.
Der 911 ist die Ikone, aber der Cayman S ist der Geheimtipp. Er ist als Handschalter eine konzentrierte, perfekt ausbalancierte Fahrmaschine. Er ist nicht so brutal schnell, dass man ständig mit einem Fuss im Gefängnis steht, aber doch so flink, dass jedes Überholmanöver zum Kinderspiel wird. Er ist zudem erstaunlich leicht zu beherrschen und über den fehlenden Sechszylinder-Sound muss man halt hinwegsehen. Schlecht klingt er ja nicht, halt einfach weniger einzigartig.
Da Porsche teils unverschämte Preise für Sonderausstattungen verlangt, würde ich den Cayman schlank halten und mich auf Zeugs beschränken, was das Fahrerlebnis steigert. Sport-Chrono-Paket, adaptives Sportfahrwerk, Hinterachs-Sperrdifferential, Sportabgasanlage (die sollte eigentlich serienmässig dabei sein, hallo?), Infotainmentsystem mit Apple Carplay (Porsche unterstützt Android Auto nicht, das müssen auch nur die Verantwortlichen verstehen…), Rückfahrkamera, und allenfalls noch ein gutes Soundsystem und Ledersitze sollten reichen. So ist der Cayman ein edler, leichter Sportwagen, der ehrlichen und direkten Fahrspass vermittelt. Wahrscheinlich werden sich die meisten trotz meiner Hommage an die Handschaltung für ein PDK entscheiden, doch ich appelliere an Porsche, dass die Handschaltung nicht aussterben darf, solange Menschen wie ich nicht aussterben.
Steckbrief
Marke / Modell | Porsche 718 Cayman S |
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Preis ab | 78 400 CHF |
Antrieb | Benzin, Heckantrieb |
Motoranordnung / Motorkonzept | Mittelmotor / Turbomotor |
Hubraum / Zylinder | 2497 ccm / B4 |
Getriebe | 6-Gang manuell / 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe |
Max. Leistung | 257 kW bei 6500 r/min |
Max. Drehmoment | 420 Nm bei 1900 - 4500 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 4,6 - 4,2 s |
Vmax | 285 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 8,1 - 7,3 l/100 km / 184 - 167 g/km / F-E |
Länge / Breite / Höhe | 4,38 m / 1,80 m / 1,28 m |
Leergewicht | 1385 - 1355 kg |
Kofferraumvolumen | 150 l + 184 l |
(Bilder: Porsche)