Audi RS 3: Abrissbirne trifft auf Skalpell

Es sah vor nicht allzu langer Zeit danach aus, dass Audi den Fünfzylinder definitiv begräbt. Und auch wenn die Frage danach nicht mit ob, sondern wann beginnen muss, so darf einer der begehrenswertesten und markantesten Verbrennermaschinen im frisch gelifteten Audi RS 3 exklusiv weiter wüten. Gerade heute, im Jahr 2025, ist es leider tatsächlich meiner Meinung nach so, dass die Vorgängergeneration oder das Vor-Facelift-Modell das bessere ist. Sei es aus Design-Gründen, aus Assistenzwahn oder aufgrund des Antriebsportfolios. Doch beim Audi RS 3 ist das nicht der Fall. Keineswegs. Das hier ist als Gesamtpaket das beste Auto, das von den Ingolstädtern jemals mit diesem Motor gebaut wurde. Leider treibt einem das Auto nicht nur vor Freude, sondern auch aufgrund des Preises die Tränen in die Augen. Und eine geballte Ladung Kritik muss sich das Auto trotz aller Dynamik gefallen lassen.

Wie es für Audis RS-Modelle typisch ist, versteckt auch der RS 3 seine Kraft nicht im Geringsten. Die Front ist martialisch gestaltet; ein riesiger Kühlerschlund, vertikale Finnen sowie das Tagfahrlicht im Zielflaggen-Look sind ziemlich unverwechselbar. Das Heck trägt die typischen, ovalen RS-Endrohre und einen neu gestalteten Diffusor. Optional und wie beim Testwagen zu sehen, sind diverse Carbon-Zierelemente zu ordern, die den ohnehin schon zünftigen Preis weiter in die Höhe treiben. Die Silhouette ist eigentlich unspektakulär, aber die brachiale Optik des Wagens wird dennoch aus jedem Blickwinkel klar ersichtlich.

2025 Audi RS 3 Limousine
Nice: Das Tagfahrlicht im Zielflaggen-Design. Drei weitere Designs können übers Infotainmentsystem ausgesucht werden.

Premium war mal

Leider ist es einmal mehr an der Zeit, ein ernstes Wort über das Möchtegern-Premium-Gehabe von Audi zu schreiben. Ja, Carbon-Zierelemente gibt es nicht allerorten. Auch extravagante Lackierungs-Wünsche – Stichwort Audi Exclusive – macht längst nicht jeder Hersteller mit. Aber damit ist das Premium-Kapitel auch schon abgeschlossen. Der Innenraum vom RS 3 ist angesichts des Preises eine Frechheit. Toll sind einzig die RS-Schalensitze, die aber Aufpreis kosten, und zwar Sitzkomfort mit tollem Seitenhalt verbinden, aber trotz manueller Sitzverstellung eine enttäuschend hohe Sitzposition bieten. Sie lassen sich nicht weit genug absenken.

2025 Audi RS 3 Limousine
Coole Sitze, bequem und mit starkem Halt. Leider etwas zu hoch montiert.

Und nun zum Rest, der abgesehen von zarten Mikrofaser-Einsätzen an den Türen mit integrierter Ambiente-Beleuchtung (ja, das ist chic) hauptsächlich aus Kunststoff besteht. Überall. Teils geschäumt, teils nicht. Natürlich ist das Auto keine Hartplastik-Wüste, aber so ziemlich jeder asiatische Wagen, der in der Grösse vom RS 3 mitspielt, sieht moderner, fancyer, stylischer oder cooler aus. Und vor allem sind die eingesetzten Materialien hochwertiger. So hart das Urteil auch ist, aber es entspricht den Tatsachen. Immerhin: Gemäss Audi Schweiz ist man sich dieser Kritik in Ingolstadt bewusst und gelobt Besserung bei künftigen Modellen. Die Verarbeitungsqualität ist beim RS 3 sehr gut, aber das ist sie andernorts zumeist auch.

2025 Audi RS 3 Limousine
Bei der Verarbeitungsqualität lässt sich Audi weiterhin nicht lumpen, aber schicke und hochwertige Materialien sind Mangelware.

Das Infotainmentsystem erfüllt seinen Zweck, verfügt über eine gut brauchbare Sprachsteuerung und ist intuitiv zu bedienen. Trotzdem wirkt das System nicht nur aufgrund der bescheidenen Display-Grösse nicht mehr ganz taufrisch. Ich rufe an dieser Stelle den Audi-Claim in Erinnerung: Vorspruch durch Technik. Na ja. Zwar kann man übers Infotainmentsystem vier unterschiedliche Lichtsignaturen für das Tagfahrlicht einstellen, aber wenn dies das Verständnis von Premium sein soll, dann ist das möglicherweise an den Kundenwünschen vorbei gedacht.

2025 Audi RS 3 Limousine
Die Limousine verfügt meiner Meinung nach über sportlichere Proportionen als der Sportback.

1-2-4-5-3

Kommen wir zur Hauptsache und dem Alleinstellungsmerkmal dieses Autos: Nämlich dem legendären Fünfzylindermotor mit der Zündfolge 1-2-4-5-3, dessen Ruf dem Wagen vorauseilt. Ein Klangspektakel, das seinesgleichen sucht und es auch mit den ganz grossen Motoren aufnehmen kann. Natürlich ist der Sound nicht mehr in diesem Ausmass vorhanden, wie es in den 2010er-Jahren war, aber der Motorsound ist überraschend präsent und voluminös und deutlich lauter als im Cupra Formentor VZ5, wo der Sound arg kastriert worden ist. Der Motor hat seine ganz eigene Charakteristik und die muss man mögen – oder kann sie auch als von vorgestern betrachten.

2025 Audi RS 3 Limousine
Da ist er, die Legende: Mit einem Turboloch sowie einer Kraftexplosion danach, das beides seinesgleichen sucht.

Seit der Fünfzylinder mit dem obligatorischen OPF verheiratet ist, ist die Turbo-Charakteristik vergleichbar mit einem Subaru WRX STI aus dem Jahr 2004. Das Turboloch bis auf 3500 Umdrehungen zieht sich wie Kaugummi, ab 3500 wird der Druck schliesslich so richtig aufgebaut und von 4000 bis 7000 Umdrehungen wütet die Supernova im Motorraum. Das ist oldschool, mühsam, lustig, faszinierend, süchtig machend – alles miteinander. Wenn der Boost da ist, dann plättet dieser Motor jeden Vierzylinder weit und breit – klanglich und vom Durchzug her. Die Beschleunigung ist irre und die vom Werk angegebene Spurtzeit von 3,8 Sekunden bis 100 km/h schafft man auch bei Regen; unter Optimalbedingungen sind es bis zu vier Zehntel weniger, wie das Internet beweist. Dieses Triebwerk ist eine Urgewalt und geht zur Sache wie eine Abrissbirne.

2025 Audi RS 3 Limousine
Schick: Keine komischen Fake-Lüftungen mehr. Die RS-typischen, obalen Endrohre sind schön integriert.

Performance bis zur letzten Rille

Wer richtig schnell unterwegs sein will, lässt sich entweder von der Schaltstrategie des Performance-Fahrmodus ständig auf über 4000 Umdrehungen halten oder man nimmt die Dinge selbst in die Hand. Das ESP befindet sich im besagten Fahrmodus ebenfalls auf reduzierter Stufe, aber das Handling ist trotzdem unbeirrbar. Was den RS 3 so faszinierend macht, ist die Kombination der Urgewalt des Motors mit dem messerscharfen Handling. Vorbei sind die Tage, als die Fünfzylinder-Modelle bei forcierter Fahrt ins Untersteuern gerieten – einerseits aufgrund des mässig sportlichen Haldex-Allradantriebs, andererseits aufgrund der frontlastigen Gewichtsverteilung.

2025 Audi RS 3 Limousine
Bereits die Standardbremse erweist sich als ausgesprochen druckvoll und standfest.

Der neue RS 3 ist die Neutralität par Excellence. Der Grip ist endlos, das Herausbeschleunigen aus der Kurven aufgrund des Torque Vectorings an der Hinterachse spürbar dynamischer. Untersteuern? Nur bei kapitalen Fahrfehlern. Ansonsten folgt der RS 3 unbeirrt der Linie, verbeisst sich in den Aspahlt und sorgt für ein Dauergrinsen – wegen des narrensicheren, präzisen Handlings gemischt mit dieser unvergleichlichen Gewalt des Fünfzylinders, der einfach atemberaubend ist, wenn er bei Laune, sprich, auf hohen Drehzahlen gehalten wird. Die Standardbremse erweist sich ebenfalls als präzise und sehr standfest, wer nicht die Nordschleife in Angriff nehmen möchte, kann sich die Keramikbremse sparen. Einzig die Lenkung dürfte um die Mittellage genauso direkt zupacken, wie ab einem gewissen Lenkwinkel, aber das ist Jammern auf hohem Niveau.

2025 Audi RS 3 Limousine
Alle Carbon-Elemente am Auto kosten extra und treiben den Preis in schwindelerregende Höhen.

Der Preis ist nicht heiss

Das grösste Gegenargument für diesen faszinierenden und höchstwahrscheinlich aussterbenden Sportlers ist sein Preis: Knapp 107’000 Franken ruft Audi für den Wagen wie hier gezeigt aus – und die Keramikbremse ist nicht an Bord. Ein Preis, der selbst mit dem tollen Motor und dem exzellenten Handling kaum rechtzufertigen ist, vor allem, da die Qualität im Innenraum auch nicht mehr das ist, was es einmal war. Abgesehen von den aufpreispflichtigen Sitzen und RS-Anzeigen im digitalen Cockpit weist nichts auf ein RS-Modell hin. Spezielle Details? Liebe zum Detail? Die berühmte Extrameile? Nichts dergleichen.

2025 Audi RS 3 Limousine
Die Front ist ein Ausdruck der Macht. Die Höchstgeschwindigkeit kann mit der Keramikbremse bis auf 290 km/h angehoben werden. Oder man lässt sich die elektronischen Fesseln beim Tuner des Vertrauens lösen, dann schafft der RS 3 mit genügend Anlauf auch 300 km/h.

Abschliessend muss man wissen, dass der RS mit seinem Charakter und der OPF-Motorcharakteristik mit abgrundtiefem Turboloch mehr denn je ein Auto für Fans und Petrolheads ist. Wer das Auto im Auto-Modus fährt, fährt einen Audi, der etwas anders klingt – das heisst solide, astrein, geglättet und emotionslos. Wie ein Dompteur muss man ganz bewusst das wilde Tier aus dem Auto locken und im Performance-Modus ans Limit gehen, um das Potenzial und die Faszination zu entfachen. Wer das gerne tut, die Brachialität und den Sound geniesst und dabei auch Verbräuche von 15l/100 km in Kauf nimmt: Zuschlagen! Aber ich glaube, dass dieses Auto seine Zielgruppe findet, denn der Ruf des Fünfzylinders eilt ihm voraus.

2025 Audi RS 3 Limousine
Man kann mit etwas Sympathie das Turboloch auch als eigenständige Charakteristik abstempeln. Der horrende Preis ist dann aber bei aller Sympathie nicht mehr schönzureden.

Alltag 3.5 out of 5 stars

Ein Raumwunder ist der Audi RS 3 nicht, die Platzverhältnisse sind typisch für die Kompaktklasse. Aufgrund des Allradantriebs ist der Wendekreis eher sperrig. Aber trotz der hohen Performance lässt sich das Auto markentypisch einfach und unkompliziert im Alltag bewegen.

Fahrdynamik 4.5 out of 5 stars

Wer es krachen lässt, kommt zum Schluss, dass das Niveau verdammt hoch ist. Power ohne Ende, Grip ohne Ende, eine standfeste Bremse und ein neutrales, narrensicheres Handling. Sehr beeindruckend! Zum Rumalbern auf abgesperrter Strecke steht auch ein Drift-Modus zur Wahl. Einzig die Lenkung dürfte um die Mittellage herum etwas direkter zupacken.

Umwelt 2 out of 5 stars

Der Fünfzylinder war schon immer ein veritabler Spritvernichter und wird es bis zu seinem Ableben auch immer bleiben. Klar, der Wagen wurde im Test teils hart gefordert, aber ein Durchschnittsverbrauchverbrauch von 12,3 l/100 km ist selbst mit einem V8 nicht einfach zu toppen.

Ausstrahlung 5 out of 5 stars

Die Optik spricht Bände, dieses Auto schreit nach Sportlichkeit und Aggressivität und geizt nicht mit Zurückhaltung. Irgendwie eine Anpassung an den brachialen wie charismatischen Motor.

Fazit 4.5 out of 5 stars

+ Aggressives, sportliches Design
+ Intuitive, einfache Bedienung
+ Flüssige, gute Sprachsteuerung
+ Sehr gute Verarbeitungsqualität
+ Gemessen an der möglichen Performance relativ hoher Fahrkomfort
+ Explosiver Motor mit tollem Sound
+ Diverse Fahrmodi mit deutlicher Spreizung und zwei extra Tasten für Performance und Individual
+ Präzises, neutrales Handling
+ Grip ohne Ende
+ Torque Vectoring am Heck
+ Druckvolle und standfeste Bremse
+ ESP dreistufig deaktivierbar
+ Tolles Matrix-Licht

– Hoher Verbrauch
– Hoher Preis; zahlreiche, teils teure Optionen
– Grosser Wendekreis
– Immenses Turboloch
– Simple Materialien im Innenraum, keine Liebe zum Detail erkennbar
– Sitzposition eher hoch

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellAudi RS 3 Limousine
Preis Basismodell / Testwagen85 400 CHF / 106 930 CHF
AntriebBenzin, Allradantrieb
Hubraum / Zylinder2480 ccm / R5
Motoranordnung / MotorkonzeptFrontmotor / Turbomotor
Getriebe7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Max. Leistung294 kW bei 5600 - 7000 r/min
Max. Drehmoment500 Nm bei 2250 - 5600 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h3,8 s
Vmax280 km/h (optional, elektronisch abgeregelt; 290 km/h mit Keramikbremse, auch abgeregelt)
WLTP-Verbrauch / CO2-Emissionen / Energieeffizienz9,4 l/100 km / 213 g/km / G
Test-Verbrauch / CO2-Emissionen / Differenz12,3 l/100 km / + 31% (inkl. DE-Autobahn)
Länge / Breite / Höhe4,53 m / 1,85 m / 1,41 m
Leergewicht1668 kg
Kofferraumvolumen321 l

Bilder: Koray Dollenmeier

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