Der Ford Ranger Raptor lässt in jedem Manne das Kind erneut aufflammen. Der von Ford Performance getunte Pick-up sorgt sowohl auf als auch abseits der Strasse für jede Menge Spass. Mit seinem brachialen Design, dem kernigen Motor sowie den fahrerischen Möglichkeiten auf Offroadpisten hebt er sich von ziemlich jedem anderen hierzulande erhältlichen Pick-up ab. Das grösste Problem ist, dass man in der Schweiz das Potenzial dieses genialen Trucks kaum ausloten kann.
Mit seinem aggressiven Design und seinen Grössenverhältnissen ist der Ranger Raptor unübersehbar. Sein Auftritt imponiert, polarisiert und provoziert. Der fette FORD-Schriftzug prangt unübersehbar auf dem Kühlergrill, der sich bei kleinen Personen beinahe auf Augenhöhe befindet. Die ausgestellten All-Terrain-Reifen, das massive Trittbrett und die doppelflutige Auspuffanlage geben ebenfalls Aufschluss darüber, dass es dieser Pick-up ernst meint. Der Unterboden wird von einer Stahlplatte geschützt, die Pritsche kann mit einem optionalen Rollo ebenfalls geschützt werden. Das Raptor-Kampfmuster an den hinteren Kotflügeln ist ebenfalls optional.
Angenehmes Ambiente
Dass der Ranger Raptor tief in seinem Inneren ein Nutzfahrzeug ist, ist im Cockpit kaum mehr wiederzuerkennen. Ford hat sich Mühe gegeben, dass der Lifestyle-Truck einen Innenraum bekommt, der dem Anspruch gerecht wird. So sitzt man auf bequemen Ledersitzen, blickt auf hübsche Ziernähte sowie weitgehend hochwertige Kunststoffe. Der vertikale Touchscreen steuert ein modernes und intuitives Infotainmentsystem mit einem hervorragenden Sprachsteuerungssystem. Nicht gerade das, was man in einem Pick-up erwartet! Da der Raptor ausserdem ausschliesslich als Doppelkabine erhältlich ist, ist er ausserdem quasi familientauglich. Kinder hätten am Ein- und Ausstieg über das Trittbrett bestimmt ihre helle Freude!
Guter Fahrkomfort
Da der Raptor über eine Einzelradaufhängung an der Vorderachse sowie über eine massiv modifizierte hintere Starrachse mit Schraubenfedern statt Blattfedern verfügt, fährt der Truck im Normal-Modus auf der Strasse sehr anständig und bietet fast PW-ähnlichen Fahrkomfort. Auch das Geräuschniveau in der Kabine ist trotz der Offroad-Reifen sehr niedrig geraten. Auf der Autobahn dringen dann die Windgeräusche zwar schon recht deutlich durch, insgesamt kann sich der Komfort aber absolut sehen lassen. Die benötigten Lenkkräfte lassen sich easy per Tastendruck auf dem Lenkrad umstellen, sodass sich der Raptor auch wie ein Softie steuern lässt. Nicht wegzuleugnen ist aber der immense Wendekreis.
Überraschend wiederum ist die üppige Ausstattung des Ranger Raptors. Es sind sämtliche Assistenzsysteme vorhanden, die man auch in einem PW erwarten würde: Abstandstempomat, Matrix-Licht, Notbremsassistent, Müdigkeitsassistent, Tot-Winkel-Warner – sogar eine 360-Grad-Kamera samt autonomem Parkassistenten ist an Bord. Das alles ist ausserdem serienmässig, sodass der Raptor trotz seines grundsätzlich ungestümen Wesens völlig komfortabel und problemlos im Alltag gefahren werden kann. Einen erheblichen Vorteil bietet seine Offroad-Abstimmung sogar innerorts: Temposchwellen, egal wie unförmig oder gross sie auch sein mögen, lassen sich mit dem Raptor ungebremst durchfahren!
Fahrspass auf der Strasse…
Für den Radau auf der Strasse bietet sich der Sport-Modus an. Der Raptor versteift seine Dämpfer und schaltet seine separat verstellbare Klappenauspuffanlage auf Stufe 2. Nebst dem Normal-Modus gibt es sogar noch eine Quiet-Stellung, aber damit scheint es, als hätte der Raptor ein schizophrenes Wesen. Dafür geht nach oben beim Sound sogar noch mehr. Im Baja-Auspuff-Modus röhrt es noch aggressiver als im Sport-Modus und laut Ford ist das auch nur für abgesperrtes Gelände gedacht. Ich sage dazu danke und lass das so im Raum stehen.
Für einen Pickup seines Kalibers bietet er auf jeden Fall ein mehr als nur anständiges Handling. Trotz immensen Ausmassen lässt er sich präzise dirigieren, die Seitenneigung bleibt in einem absolut erträglichen Mass. Der V6 Biturbo röhrt und kreischt, dass es eine helle Freude ist, so einen Sound ab Werk in Serie ist man sich heute kaum mehr gewohnt. Der Schub wird dem schweren Wagen gerecht und die 10-Gang-Automatik schaltet treffsicher und flink in die passenden Gänge. Es steht auch ein manueller Modus zur Verfügung, wenn man das letzte bisschen Potenzial aus dem Raptor auf der Strasse herauskitzeln will. Aber Achtung: Der gute Grip hält nur auf trockener Fahrbahn an. Bei Nässe greifen die All-Terrain-Pneus deutlich schlechter und wer dann zu forsch unterwegs ist, riskiert eine kleine Rutschpartie.
…und abseits der Strasse!
Was der Raptor am besten kann, ist, dort aufzudrehen, wo der Asphalt endet. Ich selber konnte nur auf mehr oder weniger schlechten Wald- und Kieswegen die Fähigkeiten grob erahnen. Was auffällt ist, dass der Raptor gerne ein Rallye-Truck wäre und sich grundsätzlich bei hohem Tempo auf Offroadpisten wohlfühlt. Er reagiert auch Offroad präzise, auf Wunsch je nach Antriebs-Setup verlässlich neutral oder spassig hecklastig. Löcher, kleine Schanzen und Unebenheiten jeglicher Art stellen für den Ranger-König kein nennenswertes Problem dar. Mit seiner grossen Getriebespreizung, der Geländeuntersetzung sowie eine Differenzialsperre pro Achse kann der Truck auch für anspruchsvolle Passagen im harten Gelände eingesetzt werden. Auf Wunsch werden diverse Gelände-Parameter im digitalen Cockpit eingeblendet.
Kein Sonderangebot
Dass sich bei der ganzen Biturbo-Power, dem Schabernack, den man mit diesem Truck anstellen und dem immensen Gewicht die Tanknadel schnell bewegt, ist wenig überraschend. Bereits der WLTP-Verbrauch sorgt mit 13,8 l/100 km bei den links-grünen Freunden für Schnappatmung, dabei darf dieser Wert getrost als Minimum gesehen werden. Im Testschnitt waren es 15,5 l/100 km und wer in den Bergen oder im Dreck auf die Tube drückt, erreicht locker auch 20 l/100 km. Das muss man sich leisten wollen, genauso wie den Preis ab 74’710 Franken für diesen durchgeknallten Pick-up.
Doch für diese Kosten bietet der Raptor Fahrspass auf jedem Terrain, nimmt sich selber nicht immer ganz ernst und bietet eine erfrischende andere Art, Auto zu fahren. Ob die Zukunft Platz für einen verbrennerbetriebenen Nachfolger offen lässt, darf mehr als bezweifelt werden. Insofern ist er eine der letzten Möglichkeiten, herrlich unvernünftig durch Strassen, Wälder und alles Mögliche zu pflügen.
Alltag
Enge Innenstadt-Gassen und Parkhäuser sind natürlich nicht sein Terrain, ausserdem fehlt ein Kofferraum, doch der wird durch den Fond und die Ladefläche ersetzt. Ansonsten ist der Ranger Raptor ein äusserst vielseitiger Pick-up, der ausserdem ganz normal und komfortablen gefahren werden kann.
Fahrdynamik
Auf trockener Strasse ist das Handling für einen derartigen Brocken nicht schlecht. Der Soundtrack rockt und macht Laune, der Grip ist zumindest auf trockener Strasse sehr hoch. Bei Nässe wird das Handling schwieriger, da der Grip nachlässt. Dafür brilliert der Raptor wieder auf unbefestigtem Terrain.
Umwelt
Ford versucht nicht mal, den immensen Durst des V6-Triebwerks mit einer Start-Stopp-Automatik zu zähmen. Hier heisst es, alles oder nichts. Rund 15 Liter sind im Schnitt zu erwarten, etwas weniger auf der Langstrecke, deutlich mehr, wenn man Offroad auf die Tube drückt.
Ausstrahlung
Für die einen ein toll designter Laster, für andere ein schicker Lifestyle-Truck und wieder für andere ein rollender Mittelfinger. Aber hat man schon jemals einen braven Raptor gesehen? Eben.
Fazit
+ Brachiales und polarisierendes Design
+ Geräumige Doppelkabine
+ Bequeme Sitze, top Ergonomie
+ Wertiges Cockpit
+ Tolles Infotainmentsystem mit Online-Diensten und sehr guter Sprachsteuerung
+ Überraschend guter Fahrkomfort
+ Druckfreudiger Motor
+ Irre Sound, vierstufig justierbar (lasst euch nicht erwischen!)
+ Zahlreiche Fahrmodi plus Individual-Modus, per Lenkrad-Taste abrufbar
+ Gutes Handling auf der Strasse
+ Hochperformanter Allradantrieb für anspruchsvolles Gelände
+ Präzises und unbändiges Fahrverhalten auf unbefestigten Strecken
+ Extrem umfangreiche Serienausstattung
+ Vollständiges Assistenz-Paket
– Schlechter Grip bei Nässe
– Sehr grosser Wendekreis
– Immenser Verbrauch
– Anhängelast bei 2,5 Tonnen beschränkt
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Ford Ranger Raptor |
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Preis Basismodell / Testwagen | 74 710 CHF / 77 800 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 2956 ccm / V6 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Biturbomotor |
Getriebe | 10-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 215 kW bei 5500 r/min |
Max. Drehmoment | 491 Nm bei 2300 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 7,9 s |
Vmax | 180 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 13,8 l/100 km / 315 g/km / - |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 15,5 l/100 km / 354 g/km / +12% |
Länge / Breite / Höhe | 5,38 m / 2,02 m / 1,92 m |
Leergewicht | 2552 kg |
Anhängelast | 2500 kg |