Der Nissan Juke Nismo ist ein alter Bekannter, denn wir beide hatten schon einmal das Vergnügen. Mein Fazit war zwiespältig ausgefallen. Den Juke Nismo gibt es aber nicht mehr, stattdessen schiebt Nissan den Juke Nismo RS an den Start, der eigentlich nichts weiter als ein Facelift inkl. Leistungssteigerung ist. Aber warum? Genügte der Juke Nismo den Nismo-Ansprüchen nicht? Mal schauen, ob der RS alles besser kann. Was den McLaren betrifft… Nein, ich bin ihn nicht gefahren (leider). Aber mir gefällt die Gegenüberstellung der beiden. Der eine ein reinrassiger Supersportler, der andere wäre gerne ein Sportler. Oder ist er gar mehr als nur ein Möchtegern…?
An Selbstbewusstsein mangelt es dem seltsamen Crossover jedenfalls nicht. Denn wer die Bezeichnungen Nismo (Nissan Motorsport) und RS (Racing Sport) mit sich trägt, der muss ziemlich von sich selbst überzogen sein. Auch optisch lässt sich das stärkste Juke Derivat nicht lumpen. Obwohl er zumindest eine Art SUV ist, ist seine Bodenfreiheit wahrscheinlich geringer als die eines Pulsar, dafür schmücken drei verschiedene Lichter seine muskulöse Front. Hinten symbolisiert ein Diffusor Sportlichkeit und die rote Linie, die sich fast nahtlos ums gesamte Auto zieht, lässt ebenfalls erahnen, dass hier ein besonders bissiges Modell lauert.
Eigentlich! Aber… Zumindest ich kann den Juke nach wie vor nicht so richtig ernst nehmen, trotz Nismo RS Bezeichnung. Er wirkt nach wie vor wie ein Spielzeug und hat selbst als scharfer Nismo etwas Harmloses an sich. Aber man soll sich ja nicht vom Aussehen täuschen lassen…
Bereits die Aussenform lässt darauf schliessen, dass der Juke Nismo RS kein Raumwunder sein wird und genauso ist es auch. Während man vorne wie üblich sehr gut Platz findet und für 2000 Franken auf famosen Recaro Schalensitzen reisen darf, wird es im Fond sehr eng. Die Sitzfläche ist zu kurz, die Kopffreiheit zu gering und die hintere Plastikverkleidung der Vordersitze stört extrem an den Knien, so dass die Rückbank beinahe zur Strafbank verkommt.
Der Kofferraum verfügt immerhin über ein Tiefgeschoss, das Maximalvolumen ist aber nach wie vor sehr gering. Abgesehen von den Recaro Sitzen und der Carbon Verkleidung der Mittelkonsole hat Nissan den Innenraum so belassen, wie er beim Juke Nismo schon gewesen ist. Eine schlechte Entscheidung. Im Juke Nismo RS wimmelt es von billigem Plastik und eine sichtbare Beifahrerairbag-Abdeckung kennt man eigentlich von wesentlich älteren Modellen. Das Lenkrad lässt sich immer noch nicht in der Tiefe verstellen (ich hasse das…!), was eine optimale Ergonomie verhindert. Äh, ja. Während man über das Aussendesign ganz klar geteilter Meinung sein kann, so finde ich das Interieur doch eine ziemlich wüste Sache. Schade.
Gegenüber dem Juke Nismo ist die Leistung im RS von 147 auf 160 kW gestiegen (der Motor ist nach wie vor derselbe), aber der wesentliche Unterschied zum Juke Nismo Testwagen ist, dass der RS über Frontantrieb und Handschaltung verfügt. Natürlich gab es auch den Juke Nismo in dieser Kombination und auch den RS gibt es mit Allradantrieb. Während 4WD gegenüber FWD aus fahrdynamischer Sicht in der Regel nur Vorteile bringt, sollte man beim Juke Nismo RS tunlichst die Finger davon lassen, denn mit dem Allradantrieb muss man unweigerlich mit einem stufenlosen Automatikgetriebe vorlieb nehmen, was den ganzen Fahrspass vermiest. Ausserdem erhöhen sich somit Gewicht und Verbrauch, während die Fahrleistungen deutlich zurückgehen.
Noch mehr Argumente für den Frontantrieb? Bitte sehr: Ein mechanisches Sperrdifferential an der Vorderachse, welches wirklich hervorragend funktioniert. Der Juke Nismo RS wird in engen Kurven richtiggehend in die Kurve hineingezogen, als ob man die Lenkung ein kleines bisschen stärker einschlagen würde. Wird zusätzlich das ziemlich vorsichtige ESP ausgeschaltet, erreicht man mit dem Juke beachtliche Kurvengeschwindigkeiten. Sollte man doch einmal etwas zu schnell gewesen sein, einfach kurz Bremsen und schon liegt er wieder stabil. Eine sehr schöne Kurvendynamik, so gefällt mir das.
Ein grosser Spassfaktor ist auch das knackige 6-Gang Getriebe mit den kurzen Schaltwegen. Präzise und nicht zu leichtgängig lässt sich der Schalthebel ruck-ruck in die nächste Gasse bewegen.Die Leistungsentfaltung ist ziemlich dramatisch: Unter 2000 Umdrehungen passiert nicht viel, erst darüber zieht der Nismo RS so richtig an. Klasse finde ich, dass oberhalb von 4500 Umdrehungen ein weiterer, spürbarer Schub folgt, so dass sich das Ausdrehen auch richtig lohnt. Nissan verspricht, dass sich die Bremsen und der Sound im Vergleich zum Juke Nismo verbessert haben. Da mein Juke Nismo Testwagen durch das stufenlose Getriebe ohnehin nur kläglich heulen konnte, kann der Nismo RS nur besser klingen. Der Sound ist zwar kernig, bleibt aber eher dezent.
Die Bremsen packen tatsächlich bissig zu, allerdings wird das Heck bei sehr starken Bremsmanövern teilweise ziemlich leicht. Es blieb zwar stets in der Spur, aber es vermittelte kein besonders sicheres Gefühl. Ebenfalls neu beim Juke Nismo RS sind Xenon-Scheinwerfer, Tot-Winkel-Warner und eine 360°-Kamera. Während die Kamera eine tolle Sache ist, wurde beim Licht gespart, denn das Fernlicht übernehmen weiterhin Halogen-Scheinwerfer.
Der kamerabasierte Tot-Winkel-Warner gibt so häufig Fehlalarme, dass er komplett unbrauchbar ist. Auch die Tankanzeige hat es in sich: Sie ist unterteilt in 16 Strichlein (hmm… das kommt mir irgendwie bekannt vor…), wobei die 16 Strichlein ziemlich lange komplett vereint bleiben. Sobald sich das erste Strichlein verabschiedet hat, ist die Tankanzeige im freien Fall. Kein Wunder: Der Tank fasst nur 46 Liter, der Motor verlangt aber 9,0 l/100 km. 98er Sprint, notabene. Ziemlich gehobene Ansprüche für einen Crossover unter 4,20 Meter Länge.
Der Nissan Juke Nismo RS ist ganz klar sportlich ausgelegt. Vor allem Lenkung, Fahrwerk und Getriebe überzeugen rundum. Beim Motor liesse sich bestimmt das Turboloch noch etwas optimieren, aber vor allem müsste der Verbrauch runter. Neu Liter lassen sich einfach nicht schön reden. Der Preis für einen voll ausgestatteten Juke Nismo RS liegt bei 38’900 Franken, was angesichts der Ausstattung und der gebotenen Leistung in Ordnung geht. Etwas grösser als ein Kleinwagen ist so ein Juke halt schon. Was aber gar nicht so recht ins Jahr 2015 passen will, ist das mit Hartplastik vollgestopfte Interieur. Ich weiss, dass Nissan es besser kann, der Qashqai ist das beste Beispiel hierfür. Wer mit der Plastikwüste und den engen Platzverhältnissen hinten kein Problem hat, kann bedenkenlos zum Juke Nismo RS zugreifen. Viel Fahrspass und viele Tankstellenbesuche sind garantiert.
Alltag
In der Regel sind SUVs sehr alltagstauglich, der Juke Nismo RS jedoch bietet den Fondpassagieren alles andere als fürstliche Platzverhältnisse. Der Kofferraum ist im Normalzustand recht gross und klug unterteilt, das Maximalvolumen ist aber gering. Der optionale Tot-Winkel-Warner irritiert mehr, als dass er nützt.
Fahrdynamik
Seinen erhöhten Schwerpunkt kann der Juke Nismo RS nicht ganz kaschieren. Trotzdem ist sein Fahrverhalten sehr sportlich, das mechanische Sperrdifferential macht den scharfen Juke zum wahren Kurvenräuber. Wer einen Hot Hatch mit erhöhtem Einstieg und spezieller Optik sucht, der wird mit dem Juke Nismo RS bedient. Konventionelle, aufgebretzelte Kleinwagen sind gegenüber dem Juke Nismo RS aber weiterhin im Vorteil, vor allem aufgrund des Schwerpunktes und des Gewichts.
Umwelt
Angesichts der Tatsache, dass der Juke Nismo RS und das Tesla Model S in etwa dieselbe Reichweite haben, weiss ich nicht, welche Eigenschaft dem Juke hier zu einer besseren Wertung verhelfen könnte. Der kleine Sport-Crossover ist zu durstig.
Ausstrahlung
Nach wie vor finde ich es mutig von Nissan, dass Sie ein Auto wie den Juke erstens mal überhaupt auf die Strasse gebracht und zweitens ihm auch noch ein Werkstuning verpassen. Mit seinem Bodykit fällt der Juke Nismo RS stark auf. Schade, ist er nur in den gedeckten Farben Schwarz, Weiss oder Silber erhältlich.
Fazit
+ Spezielle Karosserieform
+ Kräftiger Schub, auch oben heraus
+ Sehr knackiges Getriebe
+ Direkte und präzise Lenkung
+ Agiles Handling
+ Erstklassige Recaro Schalensitze
+ Mechanisches Sperrdifferential
– Hoher Verbrauch
– Geringe Platzverhältnisse im Fond
– Ergonomie nicht einwandfrei
– Unbrauchbarer Tot-Winkel-Warner
– Viel Hartplastik im Interieur
Steckbrief
Marke / Modell | Nissan Juke Nismo RS |
---|---|
Preis Basismodell / Testwagen | 35'400 CHF / 38'900 CHF |
Antrieb | Benzin, Frontantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1618 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Max. Leistung | 160 kW bei 6000 r/min |
Max. Drehmoment | 280 Nm bei 3600 - 4800 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 7,0 s |
Vmax | 220 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 7,2 l/100 km / 165 g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,0 l/100 km / 206 g/km / +25% |
Länge / Breite / Höhe | 4,17 m / 1,77 m / 1,57 m |
Leergewicht | 1390 kg |
Kofferraumvolumen | 354 - 797 l |
(Bilder: Koray Adigüzel)
1 thought on “Nissan Juke Nismo RS: Sportsgeist?”