Der Toyota GR86 ist ein kleiner, grosser Sportwagen, der die Bühne nach rund zwei Jahren bereits wieder verlässt. Grund: Er kann die neuesten Normen rund um Cybersecurity sowie Sicherheitsvorschriften der EU nicht mehr erfüllen. Doch zumindest in der Schweiz verlässt der waschechte JDM-Sportler die Sportwagenwelt nicht still und heimlich, sondern mit einem grossen Finale in Form der Drift Force Edition, die von Toyota Schweiz in limitierter Auflage von 86 Stück vermarktet wird. Nebst diversen optischen Goodies verfügt der Zweitürer auch über zwei coole technische Modifikationen, welche eine Milltek-Edelstahlabgasanlage sowie eine Tieferlegung umfassen. Bühne frei für den GR86 Drift Force Edition, dem wohl rohesten und ungehobeltsten Sportwagen, den man sich tatsächlich noch leisten kann.
Eine meiner jüngsten Beobachtungen ist, dass ungefilterter Fahrspass fast nur noch der Elite zugänglich gemacht wird. Jüngste Beispiele sind etwa der Aston Martin Valour oder der Pagani Utopia. Beides millionenschwere und handgeschaltete V12-Meisterwerke, die sich aufgrund des Kleinserienstatus nicht mit den unsäglichen EU-Vorschriften (ja, ich meine dich, ISA) herumschlagen müssen. Dass solche automobile Meisterwerke 364 Tage im Jahr in einer temperierten Halle die Reifen platt stehend ihren Wert erhöhen, ist ein ganz anderes Trauerkapitel. Der bodenständige Fahrenthusiast hat das Nachsehen. Die Handschaltung ist mittlerweile eine Rarität geworden und die Sportwagen, die es doch noch gibt, piepsen beim Überfahren der Linie, dem Überschreiten des Tempolimits oder schnauzen einen an, wenn man 0,5 Sekunden aufs Navi geschaut hat, um den Verlauf der übernächsten Kurve bereits zu erahnen. Gewiss, man kann alles abschalten, aber man will doch eigentlich nur eines: Einsteigen, ersten Gang einlegen und losfahren! Und nicht erst noch eine Minute lang Menüs wälzen und Fragen quittieren, ob man das ach so tolle Sicherheitssystem wirklich deaktivieren möchte.
Ein Sportwagen, der die Zeit übersteht
Der GR86 ist die wohl letzte Möglichkeit, einen erschwinglichen Sportwagen mit Handschaltung zu erstehen, der genau diesen Wunsch erfüllt. Noch dazu sieht er einfach gut aus: Klassische Proportionen und zeitloses Design. Die Drift Force Edition umfasst zudem eine deutlich sichtbare Tieferlegung von 25 mm vorne und 30 mm hinten, ein Bodykit rundum, einen Ducktail Spoiler, Kopfstützen mit Drift Force Schriftzug sowie Folierungselemente aussen. Okay, beim genauen Hinsehen erkennt man, dass die Verspoilerung an der Karosserie gänzlich aus Kunststoff besteht, aber wir sprechen hier von einem bezahlbaren Sportwagen. Wer seine Karosserieelemente in Forged Carbon wünscht, darf gerne sein Glück im Lotto versuchen und im Erfolgsfall bei Lamborghini anklopfen.
Also rein in die gute Stube und die Zeitreise geniessen. Ich finde mich selbst mit 32 Jahren ja immer noch jung, aber selbst ich fühle mich wieder wie anfang 20, wenn ich hier einsteige. Instrumente wie anno 1994, grosse, physische Knöpfe und ein mässig gut aufgelöster Touchscreen, der am besten dazu verwendet wird, um Apple Carplay oder Android Auto darzustellen – zu vielmehr ist das System ohnehin nicht in der Lage. Auch materialtechnisch ist der Japaner meilenweit vom Zeitgeist entfernt. Bei fast allen neuen Autos schwadronieren die Hersteller von veganen Materialien, Premium-Feeling da, Luxus-Materialien hier, NFC-Technologie, Gestensteuerung und wahrscheinlich bald eine Einstiegshilfe in den 1,90 Meter hohen SUV – fuck off. Plastic fantastic wie in den 90ern ist hier das Schlagwort, dazu gibt es ein paar Mikrofaser-Einsätze in den Türen, damit der GR86 sich über dem Niveau eines Lada halten kann. Das wirkt zwar wie aus der Zeit gefallen, dafür kann hier drin auch fast nichts kaputtgehen.
Komfort? Nicht vorhanden
Ein Startknopf ist immerhin vorhanden, so viel vom aktuellen Jahrzehnt hat es auch in den GR86 geschafft. Der 2,4-Liter-Boxermotor erwacht laut und dumpf dröhnend zum Leben, der Sound beim Kaltstart in der Tiefgarage kann sich echt hören lassen. Über das knochige Getriebe wird der erste Gang eingelegt, während eine blaue Kontrolllampe auf den noch kalten Motor aufmerksam macht. Bereits auf den ersten Metern wird klar, wie sich dieses Auto fährt: Hart, bockig und rumpelnd. Es gibt keine Fahrmodi, dieses Auto ist immer scharf gestellt. Auch gestandene Fahrenthusiasten fühlen sich zuweilen wieder in die Fahrschule zurückversetzt, wenn beim Schaltvorgang ein Ruck durchs Auto geht. Das hat aber nicht mit mangelndem Talent zu tun, der Japaner lässt sich wirklich fast nicht schön sanft und vorsichtig fahren, Schaltvorgänge ohne Last fühlen sich daher oftmals unrund und zuweilen sogar dilettantisch an.
Durch die Tieferlegung katapultiert sich die GR86 Drift Force Edition auf die obersten Plätze der Hitliste der härtesten Autos seit Anbeginn dieses Blogs. Man wird regelrecht durchschüttelt in diesem Auto, die Karosserie ist ständig in Bewegung und es wird fast nichts weg gefedert, sondern alles durchgegeben. Man muss schon ein ziemlich dickes Fell haben, um das auf Dauer immer noch cool zu finden. Dazu kommt nämlich, dass die Lenkung immer mit einer gewissen Schwere agiert und sich nie leichtgängig anfühlt. Der Geräuschpegel im Auto ist konstant hoch, man hört Motordröhnen, Reifenwummern sowie Windpfeifen. Auf der anderen Seite ist die eingebaute HiFi-Anlage wenig druckvoll und klingt dünn, in zehn Jahren klingen wahrscheinlich Smartphones besser, die Dinger werden analog zu Autos auch ständig grösser und schwerer.
Je härter, desto besser
Dieses Auto wurde zu einem einzigen Zweck gebaut: Um so richtig hart geprügelt zu werden. Dann funktioniert er nämlich auch am besten, unter Volllast laufen die Gangwechsel ironischerweise am flüssigsten ab. Auch der gierig am Gas hängende und ultra geschmeidig laufende Boxermotor ist eine Hommage an eine (bessere?) Zeit, spricht bissig an, baut aber erst in der zweiten Hälfte des Drehzahlbands Schub auf, der diese Bezeichnung auch verdient. Ab 4000 Umdrehungen wird es unterhaltsam, bei 5500 bis 7500 ist die Maschine dann richtig wild. Der Sound ist für heutige Verhältnisse toll, der Verbrauch zwar weniger, aber who cares? Eine Start-Stopp-Automatik ist übrigens auch nicht an Bord. Vermisst hier drin auch kein Schwein.
Obwohl der GR86 auch im Wohlfühldrehzahlbereich – also möglichst weit oben – kein Beschleunigungsmonster ist, so gibt er dem Fahrer doch das Gefühl, als sei man höllisch schnell unterwegs. So etwas schafft als Neuwagen ansonsten nur noch der Mazda MX-5 und für den Fahrspass ist doch vor allem das Gefühl entscheidend und nicht, was die Stoppuhr misst. Ausserdem ist der Japaner nicht nur gut im Austeilen, sondern kann auch jede Menge einstecken, sprich: Den Motor bis ans Limit auspressen, nächsten Gang reinknallen, weiter drehzahlorgeln und dann hart reinbremsen, am besten bis leicht in die Kurve rein, sodass das Heck schön mit eindreht.
Was dann passiert, hängt von der Laune des Fahrers ab. Wer in der Kurve sanft ans Gas geht und dann progressiv beschleunigt, fährt eine saubere Linie und wird schön aus der Kurve rausgedrückt. Mehr Gas in der Kurve sorgt in den meisten Fällen für einen unterhaltsamen Slide, der selbst mit eingeschaltetem ESP zumindest sanft angedeutet wird. Mit ESP Track ist schon mehr Spass möglich, das ESP wacht aber immer noch. Alles aus ist natürlich auch noch möglich und erfordert keine Beruhigungspillen, da das Auto sehr partnerschaftlich und kommunikativ fährt, spricht: Man spürt die Grenze kommen und das Heck gleitet sanft weg. Wütende und harsche Ausbrecher sind mit diesem Konzept als Vierzylinder-Sauger gar nicht möglich.
Ich bin für Sportwagen im Test bei weitem kein Wohlfühlprogramm und habe schon diverse Bremsen zum Abrauchen gebracht. Weitere Protestmeldungen von strapazierten Sportwagen (und solchen, die sich so schimpfen), die ich schon zu Gesicht bekommen habe: Getriebe zu heiss, Motorraum zu heiss, Fahrmodus Sport/Race nicht mehr verfügbar sowie Assistenzsysteme, die sich reihenweise verabschiedet haben. Und der GR86? Der lächelt. Okay, wahrscheinlich nicht ganz, aber dieses Auto ist als Konzept absolut stimmig und schreckt auch vor explizit hartem Gebrauch nicht zurück. Er ist zwar günstig, besteht innen zum grössten Teil aus Kunststoff und hat nichts, was heute als fancy angesehen wird. Aber es steckt die geballte Macht und Expertise von Toyota Gazoo Racing in diesem Sportcoupé und Freunde des Fahrens, das spürt man. Immer wieder, in jeder Kurve und bei jedem Slide.
Das Beste von damals für heute
Dieses Auto ist gewiss nicht jedermanns Sache. Er ist bockig im Alltag, verbraucht trotz niedrigem Gewicht auch bei sanfter Fahrweise viel und ist insgesamt das Gegenteil vom automobilen Wohlfühlprogramm. Aber all die, die sich nach Autos und Fahrspass wie früher sehnen, werden vom GR86 so was von abgeholt, in der Drift Force Edition noch mehr. Ein analogeres Fahrfeeling geht fast nicht und es ist nicht die Elektronik, die das Auto fahrbar macht, sondern das in sich stimmige und perfekte Konzept. All die Ewiggestrigen, die keine Assistenz und Handschaltung zu einem räsonablen Preis als Neuwagen suchen: Leute, das ist vielleicht wirklich die allerletzte Chance. 44’300 Franken kostet das Auto als Drift Force Edition, das ist halb geschenkt, dafür sollte man Toyota die Bude einrennen. Da bleibt eventuell sogar noch Geld für ein Turbokit der alten Schule übrig, welches mit seiner Charakteristik an die gefürchteten Turbo-Sportwagen vor der Jahrtausendwende erinnert. Man stelle sich das vor: Ein Turboloch bis 4000 Umdrehungen (quasi wie jetzt im Sauger-GR) und dann setzt die totale Eskalation ein. Okay, ich beginne zu träumen, habe fertig.
Alltag
Alltag geht, ist aber nicht die Domäne des GR86. Er ist laut, bockig, hat nur mässig viel Platz. Für zwei Personen aber mehr als ausreichend, ausserdem ist er handlich.
Fahrdynamik
Das Feeling ist Spitzenklasse, man spürt in jeder Kurve, was die jeweilige Achse macht. Ausserdem gibt einem das Auto ein Gefühl des Schnellfahrens, auch wenn man gar nicht so schnell ist. Der Motor ist drehgeil, das Getriebe knochig, die Bremse ausdauernd, die Lenkung feinfühlig und das Fahrwerk bretthart. Was will man mehr?
Umwelt
Trotz niedrigem Gewicht verbraucht der Motor auch bei gemässigter Fahrweise rund acht Liter. Im sportlich gefahrenen Test waren es schlussendlich 9,2 l/100 km.
Ausstrahlung
Der Toyota GR86 ist ein Sportwagen nach klassischen Proportionen: Flache, lange Haube, abfallendes Dach, kurzes, knackiges Heck mit Entenbürzel. Wird auch in zehn Jahren noch frisch und adrett aussehen.
Fazit
+ Sportliches, zeitloses Design
+ Tiefe Sitzposition, guter Seitenhalt
+ Simple Bedienung, viele Knöpfe
+ Sonorer Motorsound
+ Knochig-knackiges Getriebe
+ Blitzschnelles Ansprechverhalten
+ Fahraktives, kommunikatives Chassis
+ Drehfreudiger Motor
+ Feinfühlige, präzise Lenkung
+ Tolles Druckgefühl der Bremse, Bremse sehr ausdauernd
+ Spielerisches, aber doch fokussiertes Handling. Keine bösen Überraschungen.
+ Keine nervigen Assistenzsysteme
+ Bombastischer Preis
– Hoher Verbrauch
– Laut im Innenraum
– Kaum Ablageflächen
– Mässig hochwertiger Kunststoff im Innenraum
– Beifahrersitz nicht höhenverstellbar
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Toyota GR86 Drift Force Edition |
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Preis Basismodell / Testwagen | 41 400 CHF / 44 300 CHF |
Antrieb | Benzin, Heckantrieb |
Hubraum / Zylinder | 2387 ccm / B4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Saugmotor |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Max. Leistung | 172 kW bei 7000 r/min |
Max. Drehmoment | 250 Nm bei 3700 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 6,3 s |
Vmax | 226 km/h |
WLTP-Verbrauch / CO? Emissionen / Energieeffizienz | 8,8 l/100 km / 200 g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,2 l/100 km / 209 g/km / +5% |
Länge / Breite / Höhe | 4,27 m / 1,78 m / 1,28 m |
Leergewicht | 1350 kg |
Kofferraumvolumen | 276 l |
Bilder: Koray Dollenmeier