Fahrenthusiasten mit durchschnittlichem Budget warten immer noch auf einen elektrischen Hot Hatch. Der Abarth 500 geht zwar in die richtige Richtung, Platzangebot, Reichweite und auch das Preis-Leistungs-Verhältnis sprechen jedoch dagegen. Ausgerechnet die Chinesen, welche die ehemals britische Marke MG nun besitzen, bringen mit dem MG4 Xpower einen auf dem Papier heissen Kandidaten ins Rennen. Mit 320 kW Leistung und 600 Nm Drehmoment sprengt er mal eben sämtliche Leistungsmesslatten – zu einem Preis, der sogar besagten Abarth unterbietet. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Nun, um es vorwegzunehmen: Ist es (leider) auch. Trotzdem setzt der MG4 Xpower das eine oder andere Ausrufezeichen, ohne dass der Fahrspass zu kurz kommt.
Britisch ist am gesamten Auto nur noch der Name. Das Logo sieht zwar ebenfalls aus wie eh und je, doch es handelt sich durch und durch um ein chinesisches Auto, welches auch dort gebaut wird. Das wird auch durch die Optik deutlich. Es fällt mir schwer, zu beschreiben, woran es liegt, aber das Auto sieht einfach chinesisch aus. Das ist aber nicht mit hässlich gleichzusetzen, ganz im Gegenteil, der Kompaktwagen wirkt adrett und deutlich athletischer als etwa ein VW ID.3. Die Front ist spitz und bissig gestaltet, das Heck wirkt dann etwas lieblicher und beliebiger. Markant sind von hinten aber der gigantische Dachspoiler sowie das Rücklicht, das auch nach oben ein sanftes Muster abstrahlt. An der Seite unterstreichen schwarze Akzente die Batterie. Wie viele Elektroautos ist auch der MG4 etwas höher gebaut und verfügt über etwas mehr Bodenfreiheit.

Simples, aber stimmiges Cockpit
Innen wird dann etwas deutlicher, dass hier ein günstiges Modell vorfährt. Mikrofaserakzente in den Türen sowie ein MG Electric Schriftzug auf der Mittelkonsole sorgen für Stimmung, doch ansonsten ist das Interieur eher Kunststofflastig, die Verarbeitungsqualität unterdurchschnittlich, aber immerhin knarzte nichts während der Fahrt. Das Fahrerdisplay ist minimalistisch gestaltet, das Infotainmentsystem ist dafür schlüssig aufgebaut. Online-Navigation und Sprachsteuerung funktionieren sehr gut, puncto Geschwindigkeit besteht noch Luft nach oben. Ein paar deutsche Übersetzungen verfügen über gar unschöne Umbrüche, aber das sind Kleinigkeiten, die per Update behoben werden können.

Die Passagiere nehmen auf Teilledersitzen mit Mikrofaser-Bezug Platz. Die Sitze sind grundsätzlich auf allen Plätzen bequem und der MG4 bietet insgesamt ein luftiges Raumgefühl für seine Klasse, auch hinten sitzt man ordentlich, wenngleich etwas zu hoch. Vorne dürfte das Gestühl etwas mehr Seitenhalt bieten, ausserdem spart sich MG einen höhenverstellbaren Beifahrersitz. Ablagemöglichkeiten sind reichlich vorhanden, aber obwohl das Auto als reiner Stromer konzipiert ist, verfügt es dennoch über einen Mitteltunnel.

Kein zimperlicher Antrieb
Kommen wir nun zur Hauptdomäne des Wagens, nämlich seinem Antrieb. Die getestete Xpower Variante lässt mit seinen 320 kW die zweitstärkste Variante – Extended Range mit 180 kW – weit hinter sich. Im standardmässigen Normal-Modus braucht das Gaspedal noch etwas mehr Überwindung, damit es zackig zur Sache geht, ausserdem wird die Leistung leicht verzögert freigegeben – perfekt für den Alltag. Ein Eco-Modus ist auch an Bord, in welchem das Auto ganz zahm fährt.

Im Sport-Modus wird der Antrieb dann sehr temperamentvoll. Die Elektromotoren reagieren sehr feinfühlig auf Gaspedalbefehle und die Leistung ist sehr explosiv. Der MG4 Xpower reisst vehement nach vorne, die Traktion ist selbst mit den montierten Bridgestone Turanza Reifen – spricht, kein besonders sportlicher Gummi – stets gewährleistet. Den kleinen Elektro-Bomber von der Leine zu lassen ist immer wieder lustig, zumal die enorme Kraft auch ab niedrigem Tempo ungefiltert auf die Räder losgelassen wird. Ebenfalls Lob verdient die Ausdauer, denn selbst bei wiederholtem Vollgas bis hin zu einem niedrigen Akkustand von rund 1/3 boostet der Chinese voll. Da kann sich manch Europäer und Ami eine Scheibe davon abschneiden!

Enttäuschendes Fahrwerk
Während der Antrieb perfekt wäre, um aus dem MG4 Xpower einen elektrischen Hot Hatch mit Ausrufezeichen zu gestalten, so haben die Chinesen entweder gar nicht die Absicht, dies zu tun oder aber sie haben auf ganzer Linie versagt. Denn abgesehen von leicht steiferen Stabilisatoren entspricht die Xpower Variante allen anderen MG4. Im Klartext heisst das: Die Bremse bietet nur einen schwammigen Druckpunkt, sie überhitzt bei forcierter Fahrt, das Auto neigt sich beim Anbremsen, schwankt in der Kurve und wird relativ schnell und rigoros vom nicht deaktivierbaren ESP eingebremst. Die Lenkung mit einstellbarem Widerstand und relativ direkter Übersetzung ist noch der beste sportliche Part. Klingt furchtbar, kann aber dennoch witzig zum fahren sein, wenn man sich darauf einlässt im Wissen, dass das Auto nur schnell, aber kein Kurvenräuber ist. Unterhaltsam ist nämlich auch, dass das ESP die Leistung genauso rabiat wieder freigibt, wie sie beschnitten wird, das kann dann manchmal überraschend kommen.

Kritik im Alltag
Als ganz okay darf wiederum der ermittelnde Verbrauch von 19,5 kWh/100 km bezeichnet werden, denn dieser resultierte unter häufigem Ausreizen der Maximalleistung. Als Tiefstverbrauch registrierte ich 17,6 kWh/100 km, damit kam ich auch nahe an den WLTP-Verbrauch von 385 Kilometern. Ein Reichweitenwunder ist der MG4 Xpower mit seinem brutto 64 kWh fassenden Akku nicht, aber angesichts seiner Grösse stimmt das Verhältnis von Akkupack und Stromverbrauch, vor allem, da die hohe Leistung nicht zu einem eskalierenden Verbrauch führt. Auch das Leergewicht von 1878 Kilo sprengt den Rahmen nicht extrem. Die maximale Ladeleistung von 140 kW ist für die Akkugrösse ebenfalls ausreichend.

Während der MG das Kapitel Akku und Antrieb, also mit Bravour, besteht, leistet sich der Wagen anderen kleine, aber ärgerliche Patzer. Die Rekuperation startet nach jedem Motorstart wieder auf der höchsten Stufe, anstatt sich die zuletzt gewählte Stufe zu merken. Unausgereift wirkt ausserdem auch der Abstandstempomat. Er hat nur schon Mühe, ohne Verkehr die eingestellte Geschwindigkeit zu halten und fährt unrund. Mit Verkehr bremst er viel zu früh runter und beschleunigt auch noch viel zu träge wieder auf das eingestellte Tempo. Die Fernlichtautomatik reagiert regelmässig zu spät und blendet dadurch andere Verkehrsteilnehmer. Und auch das Abblendlicht war beim Testwagen seltsam. Ich musste die manuelle Leuchtweitenregulierung nur mit mir im Auto auf Stufe 2 stellen, damit das Abblendlicht nicht blendete. Normalerweise wäre dafür Stufe 0 gedacht, aber damit zündete das Licht viel zu hoch. Zu guter Letzt sind auf der Autobahn laute Windgeräusche zu vernehmen, aber das ist wohl einfach als Sparmassnahme zu verstehen.

Preiskracher mit akzeptablen Schwächen
Im MG4 Xpower ist bei weitem nicht alles Gold, was glänzt, aber grobe Patzer hat sich das Auto keine geleistet. Angesichts seines unsportlichen Fahrwerks ist das Auto eigentlich völlig übermotorisiert, was auch sauberes sportliches Fahren verunmöglicht, aber dennoch für Unterhaltungswert sorgt. Dem Infotainmentsystem, dem Abstandstempomat sowie den Scheinwerfern und dem Fernlichtassistenten würde ein Update guttun, aber abgesehen davon verrichtet das Auto einen soliden Dienst. Antrieb und Akku sind sogar hervorragend, da spürt man einmal mehr, dass die Chinesen dieses Handwerk verstehen. Besonders spektakulär ist aber die Preisgestaltung: Jede Variante des MG4 ist nur mit Vollausstattung erhältlich, und der Testwagen ist mit 41’680 Franken unschlagbar günstig. Die Xpower-Variante kostet nur lächerliche 1000 Franken Aufpreis, was aber auch verständlich wird, wenn man sich daran erinnert, dass hier grundsätzlich einfach ein zweiter Motor ohne nennenswerte Anpassungen verbaut wird. Kann man machen, muss man nicht.

Alltag 
Mit den ordentlichen Platzverhältnissen kann der MG4 locker mit der Konkurrenz mithalten. Die Reichweite ist zumindest gemessen für EVs okay, der Wendekreis ist aufgrund des Allradantriebs sperrig.
Fahrdynamik 
Dynamisch ist am MG4 Xpower nur der Antrieb, daher gibt es keine bessere Wertung. Antritt und Schub sind explosiv, doch das Handling und die Bremse sind auf der soften Seite, was ein unrundes Gesamtpaket ergibt.
Umwelt 
Der Verbrauch von 19,5 kWh/100 km geht für die Leistung in Ordnung. Bei sanfter Fahrweise sind sogar rund zwei Kilowattstunden weniger möglich.
Ausstrahlung 
Insbesondere in der Farbe Hunter Green des Testwagen fällt der MG4 Xpower auf. Das Design hat chinesische Züge, wirkt aber dennoch gefällig. Immerhin hebt sich das Auto von allen Konkurrenten optisch deutlich ab.
Fazit 
+ Auffälliges Design, markante Details
+ Einfache Bedienung
+ Gute Sprachsteuerung, Online-Navigation mit Echtzeit-Daten
+ Luftiges Raumgefühl, gute Platzverhältnisse
+ Diverse Fahrmodi mit deutlicher Spreizung, stark konfigurierbarer Individual-Modus
+ Blitzschnelles Ansprechverhalten
+ Verbrauch bleibt im Rahmen
+ Justierbare Lenkung mit recht direkter Übersetzung
+ Keine Aufpreispolitik
+ Sehr attraktiver Preis
– Teils mässige Verarbeitungsqualität
– Fahrwerk kann nicht mit der Antriebsleistung mithalten
– Grosser Wendekreis
– Deutliche Windgeräusche
– Fernlichtassistent und Abstandstempomat wirken unausgereift
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | MG4 Xpower |
---|---|
Preis Basismodell / Testwagen | 40 990 CHF / 41 680 CHF |
Antrieb | Elektrisch, Allradantrieb |
Akkukapazität | 64 kWh (brutto) / k.A. kWh (netto) |
Max. Leistung | 320 kW |
Max. Drehmoment | 600 Nm |
Beschleunigung 0–100 km/h | 3,8 s |
Vmax | 200 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz | 18,7 kWh/100 km / B |
Test-Verbrauch / Differenz | 19,5 kWh/100 km / + 4% |
WLTP-Reichweite | 385 km |
Ø Test-Reichweite | 310 km |
Max. Ladeleistung (DC) | 140 kW |
Länge / Breite / Höhe | 4,29 m / 1,84 m / 1,51 m |
Leergewicht | 1878 kg |
Kofferraumvolumen | 363 - 1177 l |























Bilder: Koray Dollenmeier