Keine Frage, der Skoda Octavia RS ist im Schweizer Strassenbild weit verbreitet und einen Fabia RS gab es auch mal. Dennoch verbindet man die Tschechen nicht unbedingt mit Sportlichkeit. Pragmatismus und ein smartes Package, das sind schon eher gängige Skoda-Werte. Kein Wunder also, dachte ich mir nichts besonderes im Vorfeld des Tests. Halt ein Octavia mit etwas mehr Pfupf… Böser Fehler! Der Octavia RS 245 entpuppte sich im Test als eine wahre Fahrmaschine! Zwar bleibt die Vernunft stets an Bord, aber das hat auch Vorteile.
Dafür, dass Skoda ziemlichen Wert auf Understatement legt, ist der RS gar nicht so unauffällig. Die Rote Farbe bringt die schnittige Front gut zur Geltung, ausserdem kontrastiert die Farbe gut zum Schwarz eingefärbten Kühlergrill und den Schwarzen Endrohren. Die auffällig gestalteten Felgen, die roten Bremssättel sowie der kecke Spoiler bei der Limousine sind weitere Indizien, dass dieser Octavia nicht nur Ware ausliefert!
In Schwung bringt den sportlichen Tschechen bewährte Technik aus dem Volkswagen-Regal. Ein Zweiliter-Benziner ist an ein 7-Gang-DSG gekoppelt und bringt seine Kraft über die Vorderachse auf die Strasse. Schön, lässt man bei Skoda dem Kunden noch die Wahl zwischen manuellem und automatischem Getriebe. Wer jedoch Allradantrieb wünscht muss zum weniger sportlichen Diesel greifen. Dabei zeigt der RS 245, dass insbesondere aus fahrdynamischer Sicht der Allrad gar nicht fehlt.
Wie es sich für einen Alltagssportler gehört, merkt man dem Octavia RS sein Potenzial zuerst gar nicht an. Leise setzt sich der Tscheche in Bewegung, die Lenkung ist angenehm leichtgängig und das adaptive Fahrwerk macht überhaupt nicht auf Sportlichkeit. Lediglich das dezente Motorknurren bei stärkerer Beschleunigung weist auf die zusätzliche Power hin.
Wie es mittlerweile aber bei allen sportlichen VW-, Seat- und Skoda-Derivaten zum schlechten Ton gehört, kommt der «Motorsound» aus den Lautsprechern. Wer mit Vollgas und geöffnetem Fenster durch eine Unterführung braust, staunt, wie schmalbrüstig der echte Klang von aussen ist. Wirklich nicht der Rede wert. Besser, die Fenster bleiben gleich geschlossen.
Glücklicherweise liefert der Octavia RS mehr ab, als es der Motorensound vermuten lässt! Dank den verhältnismässig geringen 1529 Kilo Leergewicht reichen die 180 kW vollkommen aus, um auch bergauf für reichlich Schub zu sorgen. Damit der Spass in den Kurven nicht aufhört, gönnt man dem stärksten Octavia ein mechanisches Sperrdifferential an der Vorderachse!
Damit ausgerüstet, klettert der Fahrspass in eine neue Sphäre. Wer am Kurvenausgang progressiv beschleunigt, merkt am leichten Zucken der Lenkung, wie die Vorderachse arbeitet. Trotz Winterbereifung bleibt die Limousine äusserst lang stabil und verkneift sich das lästige Untersteuern. Wer die Traktionskontrolle deaktiviert, wird mit einem aggressiveren Fahrverhalten belohnt, da am Kurvenausgang nicht mehr präventiv geregelt wird. Mit adäquaten Sommerreifen dürfte sich der Grenzbereich in einen noch höheren Bereich verschieben!
So viel Sportlichkeit hätte ich der «Simply Clever»-Maschine gar nicht zugetraut. Hut ab! Selbstverständlich ändert das RS-Dasein nichts an den praktischen Qualitäten des Autos. Im Comfort-Modus ist von einem Sportfahrwerk mit Tieferlegung nichts zu spüren und der Geräuschpegel im Auto ist bei gleichmässiger Fahrt ziemlich tief.
Da es sich bei der Limousine im Übrigen um ein Fliessheck handelt, steht sie in Sachen Alltagstauglichkeit dem Kombi in nichts nach. Ein paar Liter Volumen weniger muss man zwar in Kauf nehmen, dennoch kann der halbe Hausrat mit auf die sportliche Reise gehen. Da Skoda den ach so modischen Trend von viertürigen Coupés bislang ignoriert, erfreuen sich zudem auch die Fondpassagiere über viel Luft über dem Kopf – dass die Beinfreiheit königlich ist, muss bei einem Skoda eigentlich gar nicht mehr erwähnt werden.
Als waschechter Petrolhead würde ich mir zwar wenigstens etwas sportlicheren Sound aus dem Auspuff und weniger Lärm aus den Lautsprechern wünschen. Mehr Chic fürs Interieur steht ebenfalls auf meiner Wunschliste. Vielleicht ein Zierelement mehr am Armaturenbrett, eine Alcantara-Verkleidung in der Türe, etwas sportlicher gestaltete Instrumente – das würde schon viel ausmachen! Dass meine Wunschliste – die gleichzeitig auch die einzige Kritik ist – bereits fertig ist, zeugt jedoch von der astreinen Qualität des Tschechen. Und wenn ein so überzeugendes Testauto faire 48’120 Franken kostet, dann finde ich, ist eine so kurze Wunschliste am Ende ein grosses Kompliment!
Alltag
Sein sportliches Handling tut dem Fahrkomfort an Bord erfreulicherweise keinen Abbruch. Mit seinen bekannten Simply-Clever-Lösungen sowie dem immensen Platzangebot ist der Octavia RS der perfekte Familien- oder Everyday-Sportler fürs mittelmässige Budget.
Fahrdynamik
Böse Zungen behaupten, mit 180 kW darf man sich nicht Sportler schimpfen. Ich sage, dass das Gesamtpaket stimmt. Der Motor kommt mit dem Gewicht mehr als nur gut zu Recht und dank der feinnervigen Lenkung sowie dem Sperrdifferential an der Vorderachse kann der Octavia RS in Kurven härter rangenommen werden, als man es ihm zutrauen würde.
Umwelt
Für sein sportliches Potenzial und die Tatsache, dass ebendieses im Test auch genutzt wurde, sind 7,5 l/100 km ein akzeptabler Wert. Da die Start-Stopp-Automatik den Motor allerdings bereits vor dem Stillstand abwürgt und somit mehr nervt als alles andere, bin ich bestimmt nicht der Einzige, der das System noch vor dem anschnallen deaktiviert – und konsequent inaktiv lässt.
Ausstrahlung
Es gibt bestimmt optisch aufregendere Autos als ein Octavia RS. Doch sein dezentes Design passt ins Gesamtkonzept und ein paar sportliche Details sorgen dennoch für die richtige optische Würze.
Fazit
+ Stimmiges Design
+ Gute Übersicht
+ Sehr grosszügiges Raumangebot
+ Äusserst bequeme Sportsitze, prima Ergonomie
+ Zahlreiche Simply-Clever-Lösungen, viele Ablageflächen
+ Adaptivfahrwerk mit guter Spreizung
+ Unauffälliges Getriebe mit kluger Schaltlogik
+ Präzise Lenkung
+ Effektives Sperrdifferential
+ Akzeptabler Verbrauch
+ Fairer Preis
– Motorsound nicht der Rede wert
– Teilweise schlicht gehaltenes Cockpit
– Schwere Heckklappe
– Start-Stopp-Automatik agiert viel zu aggressiv
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Skoda Octavia RS 245 |
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Preis Basismodell / Testwagen | 42 830 CHF / 48 120 CHF |
Antrieb | Benzin, Frontantrieb |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Hubraum / Zylinder | 1984 ccm / R4 |
Getriebe | 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe |
Max. Leistung | 180 kW bei 4700 - 6200 r/min |
Max. Drehmoment | 370 Nm bei 1600 - 4300 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 6,6 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 6,4 l/100 km / 146 g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 7,5 l/100 km / 171 g/km / +17% |
Länge / Breite / Höhe | 4,69 m / 1,81 m / 1,46 m |
Leergewicht | 1529 kg |
Kofferraumvolumen | 590 - 1580 l |
Bilder: Koray Adigüzel
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