So richtig setzt die Melancholie erst ein, wenn die düsteren Ankündigungen wahr geworden sind. Im vorliegenden Fall heisst das: Der Toyota GR86 ist weder ab Serie, noch als Sonderedition Drift Force noch auf Bestellung erhältlich, das Modell wird auch auf der Website von Toyota nicht mehr gelistet. Grund: Der Sportwagen erfüllt die jüngsten EU-Vorschriften bezüglich Assistenzsysteme und Cybersicherheit nicht. Trotzdem schaue ich mir im abschliessenden Test noch einmal an, was das puristische Sportcoupé unter winterlichen Strassenverhältnissen zu leisten vermag. Kann man den GR86 Drift Force, so man will, auch als Ganzjahresauto einsetzen? Und natürlich ist das Ganze auch als Abschiedstournee zu verstehen.
Bezüglich zur Optik, den spezifischen Veränderungen der Drift Force Edition sowie des Innenraums verweise ich auf den Test des identischen Modells unter sommerlichen Bedingungen. Trotzdem möchte ich noch einmal kurz auf das Design als Ganzes eingehen, da ich mich bei immer mehr neuen Modellen frage, ob dieses aufgeblähte Design zum Teil sein muss. Natürlich ist Design immer subjektiv, aber während ich in den 2010er Jahren praktisch jedes neue Automodell ganz klar schöner und moderner als das auslaufende Modell empfand, ist das heute bei mir bei weitem nicht mehr so. Der Toyota GR86 ist vielleicht deshalb so zeitlos und schnörkellos, weil er zwar frisch aussieht, aber nicht so gekünstelt modern.

Force oder: Feeling
Das kleine japanische Sportcoupé verkörpert all das, was heute kaum noch angeboten und teilweise auch nicht mehr als zeitgemäss angesehen wird: Der Motorstart ist laut, das Auto vibriert im Leerlauf, das Getriebe ist knochig-hart und die sanfte Gangart ist nicht so einfach. Es ist immer wieder erstaunlich, wie achtsam man den GR86 beim gemütlichen Fahren bewegen muss, damit die Gangwechsel einigermassen geschmeidig vonstattengehen. Ebenfalls sehr ungewohnt für heutige Verhältnisse: Der laute Geräuschpegel und das praktisch nicht vorhandene Komfortempfinden: Der GR86 ist nicht straff, er ist bretthart.

Dafür gibt einem das Auto auch das ultimative Gefühl zurück, dass man hier noch selber fährt und alles spürt. Der Vergleich im Titel ist gar nicht so weit hergeholt, denn: Präservative haben sich ähnlich weiterentwickelt wie die Autos. Es gibt sie mit Noppen, in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und in verschiedenen Materialien. Sie alle versprechen dasselbe: Gefühlsechtheit und zum Teil noch das gewisse extra, weil durch die Form oder das Material etwas erzeugt wird, das eigentlich gar nicht da ist. Bei Autos dasselbe: Mit Fahrmodi, künstlichem Sound und Pseudo-sportlichen Attributen wird einem Feeling und Sportlichkeit vorgegaukelt, aber eigentlich ist es gar nicht da. Es wird einem bloss suggeriert.

Nicht so beim Toyota GR86. Hier ist alles echt und ungefiltert. Keine Fahrmodi, geringes Gewicht, unmittelbare Reaktion auf die Aktion und ein Fahrwerk, das einem den Grenzbereich klar aufzeigt. In diesem Auto fühlt man sich wach, lebendig; man ist im Zentrum, man spürt, man dirigiert, man antizipiert. Das Gefühl stellt sich sogar bereits ein, wenn man innerorts einen Kreisverkehr dynamisch durchfährt!

Das eigene Empfinden
Objektiv betrachtet ist der GR86 kein sonderlich schnelles Auto. Er holt seine Leistung aus den Drehzahlen und der immer allgegenwärtigere Elektrokick ist das ziemliche Gegenteil dessen, was der Japaner abliefert. Aber um das geht es gar nicht. Was hier zählt, ist das persönliche Gefühl, das einem nichts anderes sagt, als dass man gerade den persönlichen Rekord auf seiner Hausstrecke zertrümmert. Diese immer aggressiver werdende Beschleunigung, der Moment, wenn der heisere Boxermotor bei über 7000 Umdrehungen den nächsten Gang verlangt: All das wird im Film Le Mans illustriert. Es handelt vom Moment bei 7000 Umdrehungen, wenn du dich beinahe schwerelos fühlst und alles andere als das Auto und du zur absoluten Nebensächlichkeit verkommen. Und obwohl der GR86 nur schmächtige 250 Nm aufbringen kann, vermag er genau dieses Gefühl der Verschmelzung immer und immer wieder zu erzeugen.

Winter ja, Schnee naja
Wer will – oder aus finanziellen Gründen keine andere Wahl hat – kann den GR86 auch das ganze Jahr über fahren, sofern man nicht in den tiefen Alpen wohnhaft ist. Insbesondere schlechtere Untergrundbedingungen (aber noch auf Asphalt) funktionieren trotz Heckantrieb gut, da der Sauger an Präzision und Dosierung nicht zu toppen ist. Man muss also keine wüsten Heckausbrecher befürchten, sondern kann den Wagen auch bei kalter oder mässig guter Witterung problemlos bewegen.

Auf schneebedeckter Fahrbahn ist das so eine Sache. Geradeaus ist dem Spass keine Grenze gesetzt: Selbst mit eingeschaltetem ESP ist das Heck immer für einen leichten Slide zu haben, ausserdem kann der elektronische Helfer entweder reduziert oder auch komplett deaktiviert werden, was für ein Dauergrinsen sorgt! Doch spätestens am Berg wird die ganze Sache schwierig. Eine dünne Schneedecke kann noch bewältigt werden, aber wenn Frau Holle Vollgas gibt, kommt der GR86 konstruktionsbedingt irgendwann an seine Grenzen.

Die allerletzten Exemplare warten
Wie bereits eingangs erwähnt, ist der GR86 weder als Standardmodell noch als radikalere Drift Force Edition bestellbar. Auf Autoscout finden sich noch ein paar neuwertigen Modelle, teilweise sogar noch mit Gewindefahrwerk. Ich kann gar nicht oft genug betonen, dass dies eine der letzten Gelegenheiten – wenn nicht sogar DIE allerletzte Möglichkeiten – ist, einen puristischen, bezahlbaren Sportwagen ohne Assistenzkram als Neuwagen zu erwerben. So etwas wie den GR86 Drift Force Edition wird es kaum mehr wieder geben, auch nicht von einem anderen Hersteller.

Immerhin hat sich ausgerechnet der Hybridpionier Toyota zur letzten Hoffnungsbastion für Fahrenthusiasten gemausert. Die Japaner haben diversen Medienberichten zufolge wiederholt betont, dass man an fahrspassorientierten Autos – auch mit Verbrennermotor – bis auf Weiteres festhalten möchte. Konkret bekannt und offiziell gezeigt ist bislang nur ein neuer Vierzylinder-Turbomotor, der auch als Performance-Variante existiert. Weiter ist bestätigt, dass der Celica ein Comeback feiern wird, allerdings noch ohne Daten oder Bilder. Über einen neuen MR2 wird wild spekuliert. Und last but not least haben die Japaner wohl noch einen Supersportwagen im Köcher, der dann als Lexus das Erbe vom LFA antreten könnte. Als Petrolhead verneige ich mich tief vor Toyota, dass derartige Entwicklungen in der heutigen Zeit noch Platz haben.

Alltag 
Alltag geht, ist aber nicht die Domäne des GR86. Er ist laut, bockig, hat nur mässig viel Platz. Für zwei Personen aber mehr als ausreichend, ausserdem ist er handlich.
Fahrdynamik 
Das Feeling ist Spitzenklasse, man spürt in jeder Kurve, was die jeweilige Achse macht. Ausserdem gibt einem das Auto ein Gefühl des Schnellfahrens, auch wenn man gar nicht so schnell ist. Der Motor ist drehgeil, das Getriebe knochig, die Bremse ausdauernd, die Lenkung feinfühlig und das Fahrwerk bretthart. Was will man mehr?
Umwelt 
Trotz niedrigem Gewicht verbraucht der Motor auch bei gemässigter Fahrweise rund acht Liter. Im sportlich gefahrenen Test waren es schlussendlich 9,2 l/100 km.
Ausstrahlung 
Der Toyota GR86 ist ein Sportwagen nach klassischen Proportionen: Flache, lange Haube, abfallendes Dach, kurzes, knackiges Heck mit Entenbürzel. Wird auch in zehn Jahren noch frisch und adrett aussehen.
Fazit 
+ Sportliches, zeitloses Design
+ Tiefe Sitzposition, guter Seitenhalt
+ Simple Bedienung, viele Knöpfe
+ Sonorer Motorsound
+ Knochig-knackiges Getriebe
+ Blitzschnelles Ansprechverhalten
+ Fahraktives, kommunikatives Chassis
+ Drehfreudiger Motor
+ Feinfühlige, präzise Lenkung
+ Tolles Druckgefühl der Bremse, Bremse sehr ausdauernd
+ Spielerisches, aber doch fokussiertes Handling. Keine bösen Überraschungen.
+ Keine nervigen Assistenzsysteme
– Hoher Verbrauch
– Laut im Innenraum
– Kaum Ablageflächen
– Mässig hochwertiger Kunststoff im Innenraum
– Beifahrersitz nicht höhenverstellbar
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Toyota GR86 Drift Force Edition |
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Preis Basismodell / Testwagen | 41 400 CHF / 44 300 CHF |
Antrieb | Benzin, Heckantrieb |
Hubraum / Zylinder | 2387 ccm / B4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Saugmotor |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Max. Leistung | 172 kW bei 7000 r/min |
Max. Drehmoment | 250 Nm bei 3700 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 6,3 s |
Vmax | 226 km/h |
WLTP-Verbrauch / CO? Emissionen / Energieeffizienz | 8,8 l/100 km / 200 g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,2 l/100 km / 209 g/km / +5% |
Länge / Breite / Höhe | 4,27 m / 1,78 m / 1,28 m |
Leergewicht | 1350 kg |
Kofferraumvolumen | 276 l |

















Bilder: Koray Dollenmeier