Ohne gross Spannung aufzubauen, möchte ich gleich zu Beginn anerkennen, dass sämtliche Berichte und Behauptungen zum Hyundai Ioniq 5 N wahr sind: Das erste elektrische Performance-Modell von Hyundai ist tatsächlich die Fahrspass-Maschine, von der alle reden. Auch mir ist noch nie ein derart unterhaltsames Elektroauto untergekommen und ich sage ganz bewusst unterhaltsam, denn niemand, auch Hyundai selber, behauptet, dass der Ioniq 5 N so was wie der schnellste Vertreter seiner Klasse ist. Natürlich ist der hochpotente Stromer schnell, doch seine Hauptstärke liegt nicht in der reinen Kraft. Doch obwohl der Wagen dickes Lob von Fahrenthusiasten einheimsen kann, bleiben gewisse Schwächen oder zumindest Fragezeichen angesichts der Gegenwart und Zukunft von sportlichen Elektroautos bestehen, die auch der jüngste Wurf von Hyundai nicht aus der Welt zu schaffen vermag.
Was die Optik betrifft, so würzt Hyundai den Ioniq mit altbekannten Zutaten nach: Der Wagen bekommt eine stark verspoilerte, ausgesprochen grimmige Front, liebevoll gestaltete und exklusive Felgen, die zum Glück weit entfernt von der unsäglichen Aero-Optik sind, markante Seitenschweller und ein gigantischer Dachkantenspoiler. Schwarze Logos und Embleme runden die sportliche Optik ab. Wer Fan von den N-Modelle ist und/oder die Sportlichkeit wenig subtil nach aussen tragen möchte, wählt als Farbe den Lack Performance Blue Matt, den auch der Testwagen trägt.

Verbesserte Ergonomie
Das N-Modell verfügt optional über die abgebildeten Schalensitze, die gleich aus mehreren Gründen empfehlenswert sind. Zum einen verfügen sie über erstklassigen Seitenhalt, aber viel wichtiger ist, dass sie tief montiert sind, sodass eine sportliche Sitzposition ermöglicht wird. Zu guter Letzt sehen die Sitze mit dem beleuchteten N-Logo auch scharf aus. Eine weitere Änderung des N-Modells ist die feste Mittelkonsole, wodurch das Sportmodell weniger luftig wirkt als das Standard-Modell, dass vorne beim Fussraum zwischen Fahrer und Beifahrer komplett offen ist.

Ansonsten unterscheidet sich das Topmodell grundsätzlich nicht weiter von den zivilen Stromern. Der Platz im Fond ist wie gewohnt massig, dafür ist der Kofferraum für SUV-Verhältnisse eher unterdurchschnittlich – immerhin verfügt er aber über einen doppelten Boden. Der ist umso notwendiger, weil im Ioniq 5 N ein Frunk fehlt. Die Qualität des Autos im Innenraum ist solide. Zwar versprüht der Wagen keinen besonders luxuriösen Touch, aber die Verarbeitung ist dem Preis angemessen.

Ein Stromer wie jeder andere auch?
Die Fahrmodi und mögliche Parameter – insbesondere im N-Modus – füllen ein halbes Buch. Aber beginnen wir von vorne. Im Normal-Modus fährt sich der Ioniq 5 N nicht nur wie jeder andere Stromer auch, selbst die enorme Leistung wirkt schwer glaubwürdig. Das liegt vor allem am Gaspedal-Setup, welches sanft auf Befehle reagiert, damit das Fahren im Alltag möglichst angenehm ist. Trotzdem spürt man schnell, dass das ganze Auto steifer, direkter und agiler fährt als die bisherigen Ioniq 5. Was man beim Sportmodell in Kauf nehmen muss, sind laute Abrollgeräusche durch die breiteren Reifen. Ausserdem ist der Wendekreis enorm, eine enge McDrive-Einfahrt lässt sich nicht schön in einem Zug fahren.

Aber lassen wir das Geplänkel. Warum auch der Ioniq 5 N einen Eco-Modus haben muss, erschliesst sich mir nicht. Auch der Sport-Modus hinterlässt ein Fragezeichen, ist er angesichts des Vorhandenseins des scharfen N-Modus doch nichts weiter als ein Sport-Light-Modus. Also ab in den N-Modus. Der standardmässige N-Modus setzt alles auf maximale Attacke und das ESP auf Sport. Man hat als Fahrer aber die Möglichkeit, zwei eigene N-Setups einzurichten, die auf Knopfdruck abgerufen werden können: Antrieb, Lenkung, Fahrwerk und ESP können in drei Stufen justiert werden. Obacht: Schon das ESP-Sport-Setting lässt viele Freiheiten und ESP Off heisst wirklich komplett Off. Man vergisst ob der Leichtigkeit, wie gewisse Elektroautos zu fahren sind, nämlich schnell, dass eine derart hohe Motorleistung immer die nötige Portion Respekt verdient.

Bereit und… Boost!
Die Show, die der N-Stromer abzieht, kennt man zwar, ist aber dennoch nicht minder beeindruckend: Das Gaspedal reagiert nun messerscharf und bei Vollstrom stockt kurz der Atem – irre, brachial und dennoch einfach geil. Wer kurzfristig noch mehr will, aktiviert über den roten Knopf am Lenkrad den Boost, der 10 Sekunden lang alles aus dem Akku rauspresst. Dann stürmt der Wagen mit aller Vehemenz nach vorne und wirkt dermassen aggressiv, dass man nicht anders kann, als grinsend den Kopf zu schütteln.

Doch im Gegensatz zu manch anderem hochmotorisierten E-SUV ist der Ioniq 5 N trotz seine Kampfgewichts von über 2300 Kilo sehr dynamisch. Das Einlenkverhalten ist genauso biestig wie die Reaktion des Gaspedals und das harte Fahrwerk sorgt dafür, dass auch in Kurven eine harte Gangart nicht nur möglich, sondern herzlich willkommen ist. Der Grip ist extrem, der Grenzbereich auf einem überraschend hohen Niveau. Einzig bei sehr engen Kurven, schnellen Wechselkurven und dem in die Kurve rein bremsen spürt man, dass trotz der ganzen Agilität halt am Ende (zu) viel Gewicht nach aussen drückt.

Für den ganz harten Einsatz stehen im N-Menü weitere Konfigurationen parat. So kann die Drehmomentverteilung von den standardmässigen 50:50 variabel verteilt werden, um ein hecklastigeres Fahrerlebnis zu generieren – für noch mehr Laune beim rausboosten aus der Kurve! Ebenfalls möglich ist die Vorkonditionierung des Akkus für anhaltende Dauerleistung sowie das sogenannte N-Pedal. Das bewirkt, dass beim Bremspedal die ohnehin kaum spürbare Rekuperation komplett umgangen wird das Pedal extrem starken Gegendruck bietet. Insbesondere beim harten Anbremsen bergab wird somit die Präzision erhöht. Zu guter Letzt steht auch noch ein Drift-Modus zur Verfügung, der den Stromer nur mit Gaspedaleinsatz zum Radiergummi verwandelt.

Gewiss, einige Einstellungen wie der Drift-Modus dienen der puren Unterhaltung und sind eher mässig sinnvoll. Aber Hyundai’s N-Truppe hat ganze Arbeit geleistet, um das Auto trotz des Gewichts sportlich fahren zu lassen und möglichst viel fahrdynamisch relevantes Feintuning zu ermöglichen. Nur schon an diesem Punkt ist der Ioniq 5 N fahraktiver als viele seiner Konkurrenten, doch das grosse Ass, das im Ärmel dieses Auto steckt, wurde noch gar nicht gezückt.

Wroooom!
Das Ass hört auf den Namen e-Shift und verwandelt das Auto in einen virtuellen Verbrenner: Im Cockpit wird ein Drehzahlmesser eingeblendet, über die Lautsprecher wird Verbrenner-Sound eingespielt und über die Lenkradpaddels bedient man ein physisch nicht vorhandenes 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Glaubt mir: Ich bin hochkritisch, was solche Spielereien angeht und im Vorfeld des Tests war ich der festen Überzeugung, dass dieser künstliche Scheiss, so meine eigene Wortwahl, im echten Leben niemals sauber funktioniert, geschweige denn Verbrenner-Fahrfreude aufkommen lassen kann. Doch ich habe mich getäuscht. Und ich war froh darüber.

Das Ganze beginnt beim Sound. Ja, er ist künstlich, aber es ist bei weitem der beste künstliche Verbrenner-Sound, der mir je zu Ohren gekommen ist und alle Benzin-Enthusiasten wissen genau, was ein untermalter, aggressiver Verbrenner-Sound beim Beschleunigungs-Gefühl auslöst. Dann der Aufbau: Hyundai hat es tatsächlich geschafft, ein Beschleunigungs-Gefühl zu erschaffen, das wie ein hochgezüchteter Vierzylinder-Turbo wirkt: Ein Turboloch bis etwa 2500 Umdrehungen, eine starke Mittellage und ein fuchsteufelswilder oberer Drehzahlbereich. Ja, der Boost ist lustig, aber es geht einfach nichts über den Aufbau der Kraft, die immer mehr wird, während der «Motor» brüllt und grollt. Unglaublich, aber wahr.

Das ganz grosse Zückerchen sind schliesslich die Schaltvorgänge, denn obwohl kein Getriebe verbaut ist, geht beim Schalten unter Last ein ganzer Ruck durchs Auto, der die Kraft und die Aggressivität untermalt. Ganz grosses Kino ist es, das Auto in den virtuellen Begrenzer laufen zu lassen: Die Brutalität, mit welcher der nächste «Gang» reingeknallt wird, würde bei einem echten Verbrenner Sorge ums Getriebe entstehen lassen.

Schlussendlich wird der Verbrenner-Modus imitiert, indem die Kraft der Elektromotoren künstlich gedrosselt wird, um den Aufbau zu simulieren. Das bedeutet auch, dass man im Verbrenner-Modus logischerweise etwas langsamer ist als im Elektro-Modus, zumal der Boost nur im reinen Elektro-Modus verfügbar ist. Aber ich kann euch vergewissern, dass man es gar nicht merkt, dass man langsamer ist. Wieso? Weil die Freude alles überdeckt. Die Freude, ein «richtiges» Auto zu fahren; die Freude, die Kontrolle über die Kraft und den Gang zu haben; die Freude, dass die Kraft immer mehr wird und die Freude, dass man ein akustisches Feedback bekommt, das trotz Kunstsound ausreicht, um ein stimmiges Benziner-Erlebnis vorzutäuschen. Ist der «langsamere» E-Shift-Modus also der lustigere Modus? Die Antwort ist eindeutig: Ja!

Die typischen Schwächen bleiben
Allem Fahrspass zum Trotz kann Hyundai zwar das Erlebnis neu formen, doch gängige Schwachstellen – insbesondere von elektrischen Sportwagen – bleiben. Da wäre zum einen der Verbrauch. Im eher hart angegangenen Test resultierte ein Verbrauch von 26,8 kWh/100 km, was eine realistische Reichweite von nur 290 Kilometer ergibt. Davon können aber nur rund die ersten 150 voller Elan genommen werden, da das Auto die Leistung ab rund 50 % SoC allmählich und leider spürbar reduziert. An der Ladesäule dasselbe Trauerspiel: 240 kW Ladeleistung verspricht Hyundai, doch im harten Testalltag bei Temperaturen um den Gefrierpunkt wollten es nicht mehr als 125 kW werden, obwohl die Batterie bei 20 Prozent stand und vorkonditioniert war. Zu guter Letzt: Das Gewicht. Wie bereits erwähnt, funktioniert der Wagen trotzdem gut, aber es bleibt halt spürbar. Ich bin bestimmt nicht der einzige Fahrenthusiast, der sich dagegen sträubt, dass Leergewichte von über 2,2 Tonnen die neue Norm werden.

Zu teuer, obwohl zu günstig
Der Hyundai Ioniq 5 N ist nicht das leichteste oder schnellste Auto und ganz bestimmt auch nicht das effizienteste. Aber er zeigt, wozu ein Elektroauto in der Lage sein kann, wenn man den Fahrspass-Faktor ganz hoch gewichtet. Der Testwagen ist mit einem Preis von 85’300 Franken gemessen an dem, was er kann und bietet, relativ günstig. Gemessen am Entwicklungsaufwand ist er es tatsächlich. Hyundai hat in einem Interview, dessen Quelle ich leider nicht mehr kenne, gesagt, dass der Ioniq 5 N eigentlich teurer sein müsste, um die Entwicklungskosten wieder einzuspielen. Aber die Koreaner haben eine ganze neue N-Familie angekündigt und alle kommenden Modelle werden vom Know-how, das sich die Ingenieure beim Ioniq 5 N angeeignet haben, profitieren.

Da bleibt zu hoffen, dass auch ein richtiger elektrischer Hot Hatch angedacht ist. Denn die Fans von i30 N und Co. schauen beim schnellen Ioniq wahrscheinlich in die Röhre – er ist halt doch rund doppelt so teuer als die fahrspassorientierten Verbrenner-Modelle von früher. Aber vielleicht erkennt auch Hyundai, dass ein kleineres, leichteres und auch leistungsschwächeres Elektro-Modell, das Spass macht, möglicherweise mit offenen Armen angenommen werden würde.

Alltag 
Platz für die Insassen ist vorig vorhanden, für das Gepäck ist der Platz eher unterdurchschnittlich. Die Übersicht ist gut, der Wendekreis miserabel, die Ladeleistung zumindest in der Theorie sehr hoch.
Fahrdynamik 
Der Ioniq 5 N ist nicht nur längsdynamisch eine Wucht, sondern kann auch in Kurven enormen Grip aufbauen, bietet ein super Bremsgefühl und überhaupt viel Feedback. Doch das immense Gewicht bleibt spürbar, ausserdem baut der Wagen in der zweiten Akkuhälfte leider spürbar Leistung ab.
Umwelt 
Der Testverbrauch von 26,8 kWh/100 km ist dem häufigen und starken Beschleunigen zuzuschreiben. Doch sparsam ist der Wagen auch unter normalen Fahrbedingungen nicht.
Ausstrahlung 
Insbesondere im matten Performance-Blau macht Hyundai keinen Hehl daraus, dass der Ioniq 5 N auch für die harte Tour geeignet ist.
Fazit 
+ Brachiales und sportliches Design
+ Sehr gute Platzverhältnisse für die Insassen
+ Exzellente Schalensitze
+ Einfache Bedienung, gute Sprachsteuerung
+ Enormer Schub, Boost-Modus für mehr Fun
+ Agiles Einlenkverhalten
+ Sehr hohes Gripniveau
+ Super dosierbare Bremse
+ Kraftverteilung stufenlos justierbar
+ ESP dreistufig deaktivierbar
+ Beste Verbrennungs-Simulation ever
+ Hohe Ladeleistung
– Leistung baut ab rund 50 % SoC ab
– Relativ geringe Praxisreichweite
– Sehr hohes Gewicht
– Im Verhältnis zur Grösse knapp bemessener Kofferraum
– Schwaches Fernlicht
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Hyundai Ioniq 5 N |
---|---|
Preis Basismodell / Testwagen | 79 900 CHF / 85 300 CHF |
Antrieb | Elektrisch, Allradantrieb |
Akkukapazität | 84 kWh (brutto) / k.A. kWh (netto) |
Max. Leistung | 478 kW |
Max. Drehmoment | 770 Nm |
Beschleunigung 0–100 km/h | 3,4 s |
Vmax | 260 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz | 21,2 kWh/100 km / C |
Test-Verbrauch / Differenz | 26,8 kWh/100 km / +26% |
WLTP-Reichweite | 448 km |
Ø Test-Reichweite | 290 km |
Max. Ladeleistung (DC) | 240 kW |
Länge / Breite / Höhe | 4,72 m / 1,94 m / 1,59 m |
Leergewicht | 2305 kg |
Kofferraumvolumen | 460 l |



















Bilder: Koray Dollenmeier