Wie heisst es so schön: Totgesagte leben länger. Nach wie vor ist die Zukunft des Audi R8 ungewiss, das Schicksal des V10-Saugers scheint besiegelt. Bereits im Jahr 2017 überraschte Audi alle, indem dem R8 der legendäre quattro-Antrieb amputiert wurde. Allerdings war der Querschläger auf 999 Einheiten limitiert – womöglich aus Angst vor dem eigenen Mut? Ein Jahr später folgte das Facelift des normalen quattro-R8 – die letzte Überarbeitung, zumindest in der Form, wie wir sie kennen. Doch noch ist nicht aller Tage Abend, denn eben jener gelifteter R8 legt den quattro-Antrieb ebenfalls ab. Im Test zeigt der einzige Quertreiber von Audi, warum er schon heute eine Legende ist!
Der Testwagen trägt stolz seine Audi Individual Mattlackierung zur Schau. Insbesondere in Kombination mit den Bronze-farbenen Felgen ist der Wagen ein echter Eyecatcher. Ansonsten gibt sich die RWD-Variante jedoch nicht zu erkennen. Lediglich der quattro-Schriftzug im Grill weicht einem kleinen R8-Emblem. Wie beim Spyder üblich, ist vom prachtvollen Motor leider nicht mehr viel zu sehen, selbst wenn man die Motorhaube hinten öffnet.
Fein, aber eng
Das Interieur zeigt ein bisschen auf, dass der R8 nicht mehr ganz der Jüngste ist. Insbesondere die Multimedia-Bedienung mittels Dreh-Drücker in der Mittelkonsole ist bei den aktuelleren Audi-Modellen längst passé. Dafür ist das piekfein verarbeitete und edle Interieur nach wie vor sehr clean, da das Virtual Cockpit das einzige Display im Innenraum ist. Auch die Klimabedienung ist als Designelement integriert.
Als Spyder büsst der R8 noch mehr von seinem ohnehin schon geringen Platzangebot ein. Für die Sitze bleibt weniger Bewegungsspielraum und die Ablagefläche hinter den Sitzen entfällt, sodass nur noch der winzige Kofferraum vorne übrig bleibt. Für eine tiefere Sitzposition sind die manuell verstellbaren Schalensitze zu empfehlen, da man bei den elektrischen Sitzen einen Tick zu hoch sitzt. Und wem das Schwarz-Schwarz im Interieur zu trist ist, kann dank Audi Individual auf jede Menge Personalisierungsspielraum zurückgreifen.
Safety first
Ein Druck auf den roten Startknopf am Lenkrad erweckt den V10-Sauger zum Leben. Dieser meldet sich mit einem finsteren Donnergrollen zum Dienst. Los geht’s mit dem Begrenzer bei 6000 Umdrehungen, während sich das Ungetüm im Heck aufwärmt. Wie von Audi nicht anders zu erwarten, fährt natürlich auch der heckgetriebe R8 im Alltag völlig zahm und unkompliziert.
Seit der Euro-6d-Temp Norm ist der Sound im unteren Drehzahlbereich zurückhaltender. An gewissen Stellen röhrt der V10 kurz auf, an anderen Stellen ist er leiser, aber immer noch ein Genuss für die Ohren. Und bevor man sich auch nur kleine Sorgen ab der V10-Gewalt an der Hinterachse machen muss, zeigt die erste forscher gefahrene Kurve, wie das Standard-Setup des R8 ist: Zahm wie ein A1. Das ESP regelt, bevor das Heck auch nur zucken kann. Stattdessen untersteuert der Supersportler brav, macht keine Mätzchen und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.
Explosion mit Timer
Für den grossen Spass braucht es zwei Dinge: ESP Sport und Drehzahlen, was das Triebwerk hergibt. Ab etwa 4500 Umdrehungen sind die Abgasklappen permanent offen und dann gibt es kein Halten mehr. Unter einer Soundkulisse, die seinesgleichen sucht, stürmt man davon. So richtig lebendig und rabiat wird der grossvolumigen Sauger bei 6000 Umdrehungen, wo andere Motoren langsam zusammenbrechen. Sein Ansprechverhalten ist so blitzartig, dass der Antriebsstrang mit dem Bein zu verwachsen scheint!
Auch ohne Keramikbremse verzögert der R8 standfest und präzise, die Lenkung gibt einem das Gefühl, das Auto millimetergenau zu dirigieren. Dann ab der Kurvenmitte aufs Gas, das Heck dreht ein und je nach Winkel und Drehzahlen slidet es langsam nach aussen. Dank des linearen Drehmoments ist der R8 vergleichsweise spielerisch beherrschbar. Bevor der Winkel zu gross wird, regelt das ESP auch im Sport-Modus verlässlich.
Der heckgetriebene R8 Spyder ist das genussvollste Auto von Audi überhaupt. Der V10 ist im Vergleich zum Performance-Modell leicht gedrosselt, was die Quertreiberei dafür umso spassvoller und kontrollierbar macht. Der Sound dringt direkt und ungefiltert ins Ohr, dank versenkbarer Heckscheibe auch bei Kälte oder schlechtem Wetter.
Mit Heckantrieb ist er aufs Wesentliche reduziert und bietet so ein anarchisches, mechanisches und pures Fahrerlebnis, wie man es heute bei Neuwagen nur noch selten bekommt. Nicht die Perfektion oder die Jagd nach Rundenzeiten stehen hier ganz oben, sondern die reine Fahrfreude. Er ist zahm im Alltag, wild bei hohen Drehzahlen und doch nicht so rabiat, dass man sich vor ihm zu fürchten hat.
Ein Schnäppchen?
Dank des Verzichts auf etwas Leistung und Allradantrieb wird der R8 ausserdem günstiger, wobei das immer noch relativ zu betrachten ist. Der Testwagen bringt es auf 201’000 Franken, doch günstiger kommt man derzeit nicht an einen neuen, vom Aussterben bedrohten V10 unter freiem Himmel. Zudem dürfte der Werterhalt ausserordentlich stabil sein, da es sich um ein Liebhaber-Auto handelt. Ausserdem ist die Chance, dass Audi ein weiteres heckgetriebenes Auto baut, verschwindend gering. Darum: Zugreifen oder mal fahren, solange man noch kann!
Alltag
Ein winziger Kofferraum und so gut wie keine Ablagemöglichkeiten im Innenraum für grössere Sachen machen es schwierig, mit dem R8 RWD Spyder einen längeren Trip zu unternehmen. Auch der Geräuschpegel ist hoch. Dafür ist er fahrerisch vollkommen unkompliziert.
Fahrdynamik
Es geht einfach nichts über das Dirigieren eines Saugmotors. Gekoppelt an ein perfektes Automatikgetriebe liefert er exakt dosierbaren Schub und einen wahren Ohrenschmaus. Das klassische Sportfahrwerk, die rückmeldungsfreudige Lenkung und ein mechanisches Sperrdifferential an der Hinterachse liefern ein entfesseltes und authentisches Fahrerlebnis.
Umwelt
Zugegeben, der R8 RWD wurde im Test nicht geschont und das Potenzial des Motors oft genutzt. Die Quittung folgt an der Tankstelle: 16,5 l/100 km sind heftig. Auch beim normalen Cruisen bleibt es zweistellig.
Ausstrahlung
Mit einem fast vollständig losgelösten Design innerhalb des Audi-Portfolios und extremen Proportionen zieht der R8 alle Blicke auf sich.
Fazit
+ Wildes Design mit extremen Proportionen
+ Edles Interieur mit top Qualität
+ Bequeme Sportsitze, allerdings etwas zu hohe Sitzposition mit elektrischen Sitzen
+ Bedienung über das Virtual Cockpit, sauberes Dashboard ohne Monitor
+ Ausreichender Fahrkomfort, genügend Bodenfreiheit
+ Legendärer V10-Sauger mit tosendem Sound
+ Irre direktes Ansprechverhalten
+ Perfekte Dosierbarkeit
+ Mechanisches Sperrdifferential fördert Eindrehen des Hecks
+ Kraftvolle, fein dosierbare Bremse
+ Dreistufiges ESP mit stark unterschiedlichen Kennlinien
+ Perfekt abgestimmtes Doppelkupplungsgetriebe
+ Steife Karosserie, kaum Nickbewegungen
+ Super Fernlicht mit Laser-Unterstützung, allerdings kein Matrix-Licht
– Sehr hoher Verbrauch
– Winziger Kofferraum
– Als Spyder enger Innenraum mit knappen Platzverhältnissen
– Teure Optionen
– Steile linke Fussstütze
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Audi R8 Spyder RWD |
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Preis Basismodell / Testwagen | 169 200 CHF / 201 045 CHF |
Antrieb | Benzin, Heckantrieb |
Hubraum / Zylinder | 5204 ccm / V10 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Mittelmotor / Saugmotor |
Getriebe | 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe |
Max. Leistung | 397 kW bei 7900 r/min |
Max. Drehmoment | 540 Nm bei 6400 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 3,8 s |
Vmax | 318 km/h |
WLPT-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 13,6 l/100 km / 308 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 16,5 l/100 km / 374g/km / +21% |
Länge / Breite / Höhe | 4,43 m / 1,94 m / 1,24 m |
Leergewicht | 1795 kg |
Kofferraumvolumen | 112 l |
Bilder: Koray Adigüzel
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