Tesla Model X Long Range: Convenience Drive

Das aufgefrischte Tesla Model X steht wie kaum ein anderes Auto für maximale Bequemlichkeit gepaart mit dem Marken-üblichen Hightech sowie Spielereien. Obwohl mittlerweile alle namhaften Hersteller im Segment vom Model X vertreten sind, verfügt der Amerikaner über sehr viel Eigenständigkeit sowie Eigenschaften, die den Wagen von der Konkurrenz abheben. Trotz üppiger Masse sowie Leistung bleibt der Verbrauch im Rahmen. Ebenfalls erfreulich ist, dass das Auto auch der zügigeren Gangart um Kurven nicht abgeneigt ist. Nichtsdestotrotz gibt es aber auch ein paar Unzulänglichkeiten zu vermelden.

Man könnte meinen, Tesla holt alles aus dem Lebenszyklus des Model X heraus, wenn man sich das Design betrachtet. Abgesehen von den Lichtern sowie dezent neu gestalteten Schürzen sieht das Auto nämlich immer noch genauso aus, wie beim Release anno 2015. Über Schönheit zu urteilen ist nicht immer ganz fair, trotzdem lasse ich meine subjektive Meinung im Raum stehen, dass das Model X was Eleganz angeht, übertroffen werden kann. Absoluter Eyecatcher sind aber die nach wie vor einzigartigen Falcon Doors. Aber das ist es eigentlich gar nicht, worauf ich hinauswill, denn: Obwohl sich beim Design in all den Jahren kaum etwas verändert hat, so wurde, was die Software, aber auch was den Antrieb betrifft, einiges optimiert!

2024 Tesla Model X Long Range
Front und Scheinwerfer wurden überarbeitet, ansonsten ist optisch alles beim Alten.

Rechenleistung einer Konsole

Am grundsätzlichen Innenraumkonzept hat sich auch nichts verändert. Es gibt das Model X weiterhin als klassischer 5-Plätzer (wie der Testwagen) als luxuriöser 6-Sitzer mit zwei Einzelsitzen im Fond oder als 7-Plätzer. Platz ist im SUV en masse vorhanden: Das Kofferraumvolumen ist gigantisch, nur schon die Tiefgeschosse im Kofferraum fassen mehrere Handgepäcks-Koffer, dazu gesellt sich noch ein Frunk. Im Fond können sich auch grosse Erwachsene ausbreiten, das Raumgefühl ist insgesamt sehr luftig wegen der schieren Grösse, aber auch aufgrund der gigantischen Frontscheibe sowie der Dachfenster in den Falcon Doors. Ausserdem verfügen nun auch die hinteren Fahrgäste über einen kleinen Touchscreen, um etwa die Klimaanlage einzustellen.

2024 Tesla Model X Long Range
Das Infotainmentsystem als Kommandozentrale läuft extrem flüssig.

Im Cockpit haben die wesentlichen Änderungen Einzug gehalten. Es gibt neue Sitze mit verbessertem Seitenhalt und integrierter Lüftung und einen Touchscreen im Querformat wie in den kleineren Modellreihen. Das runde Lenkrad ist standardmässig verbaut, das coole, aber unpraktische Yoke-Lenkrad kostet 1000 Franken Aufpreis. Das Infotainmentsystem ist nach wie vor unschlagbar: Es läuft so flüssig wie ein iPad Pro, bietet mit Google Maps unschlagbare Navigation, versteht alles mittels der Sprachsteuerung und bietet Gadgets und Unterhaltung noch und nöcher. Besonders cool ist die native Integration von Twitch, Netflix und YouTube, damit man sich beim Ladestopp die Zeit vertreiben kann, wenn nicht anderes zu tun ist.

2024 Tesla Model X Long Range
Über die App können zahlreiche Fahrzeugfunktionen aus der Ferne gesteuert werden.

Alles voll automatisiert

Das Tesla Model X ist smart und bis ins Detail durchdacht: Wenn man sich mit dem konfigurierten Smartphone annähert, entriegelt es automatisch die Fahrertür und öffnet sie auch selbstständig für einen. Man nimmt Platz, drückt auf die Bremse und die Tür schliesst sich und der Antrieb startet. Mittels der Kamera erkennt das Auto selbstständig in der Mehrheit der Fälle, ob man jetzt vorwärts oder rückwärts losfahren möchte und kündigt die geplante Gangwahl im Cockpit an. Ein weiterer Druck auf die Bremse bestätigt dies und es kann losgehen. The Future ist now! Doch bei allem Automatismus sind die automatischen Türen manchmal auch seltsam, da die Automatik etwa die Türe nur ein wenig öffnet, man von Hand nachhelfen will und dann irgendwie gegen die Automatik arbeitet. Es funktioniert zwar oft, aber die paar Mal, wo es nicht einwandfrei klappt, sind dann weird.

2024 Tesla Model X Long Range
Alle Türen lassen sich vollautomatisch bedienen. Die Flügeltüren funktionieren auch in engen Umgebungen, öffnen dann einfach nicht bis ganz oben. Dies kann aber per Knopfdruck nachjustiert werden.

Unspektakulär gut, spektakulär schnell

In Fahrt ist das Moxel X ausgewogen und stimmig – und vom Feeling überraschend europäisch. Das grosse SUV ist überhaupt nicht schwammig, sondern verfügt über eine gut gewichtete Lenkung. Das Luftfahrwerk lässt sich sowohl in der Härte als auch in der Höhe verstellen, sodass das Auto entweder sanft nachwippt und weich federt oder straff am Asphalt klebt – die Bandbreite ist überraschend gross! Der Fahrkomfort ist natürlich ein grosser Trumpf des Autos, nicht nur aufgrund der sanften Fahrweise, sondern auch dank der ausgesprochen effektiven Geräuschdämmung. Richtig mühsam im Alltag ist dafür der auf dem Lenkrad platzierte Blinker mit Knöpfen. Beim Abbiegen gewöhnungsbedürftig, aber noch okay, im Kreisverkehr einfach nur scheisse. Ja, italienische Supersportwagen haben den Blinker auch am Lenkrad, aber das ist mit der klaren Priorisierung auf die Schaltpaddels und deren Bauform begründet. Bei Tesla dagegen ist es einfach ein Designfurz, der die Bedienung unnötig erschwert.

2024 Tesla Model X Long Range
Aufgrund der kurzen Front ist das Platzangebot gigantisch. Die Dachlinie ist dafür eher bucklig.

Doch auch das Long Range Modell ist mit einer Leistung von 493 kW alles andere als ein Kind von Traurigkeit und bietet massive Kraft. Im Gegensatz zu vielen anderen E-Autos und auch den Performance-Modelle von Tesla wird die Leistung aber nicht explosionsartig, sondern aufbauend generiert. Vor allem im tiefen Geschwindigkeitsbereich von rund 30 km/h oder aus dem Stand ist die Leistung spürbar reduziert, wird dann aber mit steigendem Tempo immer heftiger – eigentlich wie ein guter, alter Verbrenner-Sauger! Macht Laune, ist sicherlich nicht das Ziel von Tesla gewesen, aber ist auch mal anders, als die immer gleiche Elektro-Drehmoment-Bombe zu zünden. Was das Handling angeht, so ist das Model X in den aggressiven Modi für ein SUV definitiv auf der sportlichen Seite, ohne jedoch den Dynamiker rauszuhängen. Für ein explizites Nicht-Sportmodell läuft das Model X aber auch gut und gerne zügiger um Kurven.

2024 Tesla Model X Long Range
Die Kameras vorne erfassen den toten Winkel, der beim Blinken und Rangieren dargestellt wird. Eine Ansicht von oben ist aber nicht verfügbar.

Hightech vom feinsten

Das Sahnestück bei jedem Tesla sind natürlich die Assistenzsysteme, die auch im Model X einen tadellosen Dienst verrichten. Auf der Autobahn funktioniert der Autopilot in fast allen Situationen selbstständig, auch Spurwechsel können mit Druck des Blinkers initiiert werden. Läuft die Navigation, schlägt der Autopilot rechtzeitig einen Spurwechsel vor, falls nötig. Auch Überland funktioniert der Autopilot häufig, allerdings nur, solange die Kurven nicht zu eng werden. Natürlich kann der Tesla auch nur mit Abstandstempomat gefahren werden. Mühsam ist dann, dass das zuletzt gewählte Tempo nicht gespeichert bleibt, sondern jedes Mal aufs Neue justiert werden muss.

2024 Tesla Model X Long Range
Das Luftfahrwerk kann in fünf verschiedenen Höhen eingestellt werden.

Wer das volle Autopilot-Software bestellt, muss sich bewusst sein, dass das teure Optionspaket derzeit nicht viel mehr bietet als die Erkennung von Licht- und Stopp-Signalen. Das funktioniert zwar auch, doch der auf der Website angekündigte, in Zukunft erhältliche City-Lenkassistent (eigentlich das, was den Autopilot ziemlich in einen vollwertigen Autopiloten verwandeln würde) wird wohl aufgrund der Gesetzgebung noch lange auf sich warten lassen. Daher kann man sich meiner Meinung nach das teure Paket auch sparen und sich auf den Basic-Autopilot konzentrieren. Sollten sich die Umstände ändern, kann der Rest, wie bei Tesla üblich, auch nachträglich noch freigeschaltet werden.

2024 Tesla Model X Long Range
Im nicht personalisierbaren Cockpit wird alles, was Auto erkennt, visualisiert.

Aber die Zuverlässigkeit, mit welcher das Model X Fussgänger, Radfahrer sowie andere Fahrzeuge und Tempolimits erkennt, ist beispiellos. Ebenfalls sehr positiv zu vermerken ist, dass im gesamten Testzeitraum kein Fehlalarm bezüglich eines anderen Verkehrsteilnehmers ausgelöst wurde. Lediglich der Notfall-Spurhalteassistent intervenierte hin und wieder auf sehr engen Strassen, wenn ich aufgrund Gegenverkehr nah an den Fahrbahnrand auswich. Nicht optimal, aber das nennt man dann wohl Systemgrenze. Kann deaktiviert werden, ist aber nach jedem Neustart wieder aktiv. Mittlerweile verfügen auch die Tesla-Modell endlich über ein gut funktionierendes Matrix-Fernlicht, das hat der Marke lange gefehlt. Was beim Model X netterweise (noch) fehlt, ist der Tempolimitwarner ISA.

2024 Tesla Model X Long Range
Cockpit gänzlich ohne Knöpfe. Die Materialien sind wertig, die Verarbeitungsqualität bis auf einzelne Ausnahmen ebenfalls. Da hat Tesla gute Fortschritte erzielt.

Relativ gesehen ein Schnäppchen

Natürlich ist das Tesla Model X wie abgebildet mit 98’000 Franken ein teures Auto, welches manches Budget deutlich sprengt. Aber wenn man das Ganze in Relation dessen sieht, was mehr oder weniger vergleichbare Autos bei anderen Herstellern kostet, dann ist das Model X unschlagbar günstig. Das SUV bietet nicht nur verschwenderische Leistung, sondern auch Hightech, Platz und Annehmlichkeiten en masse. Klassenüblich wären vielleicht noch Massagesitze, aber abgesehen davon bleiben kaum Wünsche offen.

2024 Tesla Model X Long Range
Bequeme Sitze vorne mit toller Ergonomie. Massage fehlt jedoch, das würde noch zum Anspruch vom Auto passen.

Das Model X setzt immer noch Standards in seiner Klasse und bietet deutlich mehr USPs als viele andere Konkurrenten, die eben erst auf den Markt gekommen sind. Natürlich ist vieles am Model X Spielerei, die eine oder andere Eigenschaft nervt mitunter, aber was das Elektro-SUV abliefert, muss man dennoch anerkennend akzeptieren. Für Nimmersatte gibt es auch beim Model X die Raketenversion Plaid, doch zum eher gemütlichen Naturell des Model X passt das Long Range Modell irgendwie besser. Und wenn es darauf ankommt, zieht man auch damit den allermeisten davon – oder nimmt mal eben 2,5 Tonnen an den Haken, was auch nur die wenigsten E-SUVs von sich behaupten können.

2024 Tesla Model X Long Range
Egal in welcher Klasse: Die Preise bei Tesla sind sehr kompetitiv. Man bekommt extrem viel Auto und Technik fürs Geld.

Alltag 5 out of 5 stars

Das Tesla Model X ist für den Alltag und auch Grösseres perfekt geeignet. Die Platzverhältnisse sind fürstlich, der Kofferraum gigantisch und die Anhängelast insbesondere für ein E-SUV bemerkenswert. Dazu kommen die hohe Reichweite und der erstaunlich handliche Wendekreis.

Fahrdynamik 3.5 out of 5 stars

Das Long Range Modell kann gut und gerne zügig gefahren werden, das Handling kann über die Einstellungen auf die sportliche Seite verschoben werden. Wer aber voll auf Attacke geht, spürt schon, dass hier kein Performance-SUV vorfährt. Insgesamt macht das Auto aber vom Handling her klar einen europäischen und keinen amerikanischen Eindruck.

Umwelt 4.5 out of 5 stars

Im anspruchsvoll gefahrenen Test verbrauchte das Model X 22,5 kWh/100 km, es wurde aber auch ein Verbrauch von knapp 20 kWh erzielt – auf Winterreifen. Das Effizienzpotenzial ist folglich sehr hoch.

Ausstrahlung 4 out of 5 stars

Die eleganteste Silhouette kann das Model X nicht für sich reklamieren, doch dafür verfügt das Auto über die nach wie vor einzigartigen Flügeltüren hinten.

Fazit 4.5 out of 5 stars

+ Falcon Doors als Eyecatcher, ausserdem bequemer Zustieg hinten
+ Automatische Türen
+ Gigantische Platzverhältnisse
+ Wertige Materialien
+ Sensationelles Infotainmentsystem mit allen erdenklichen Online-Features und super Sprachsteuerung
+ Bequeme Sitze mit Heizung & Lüftung, super Ergonomie
+ Diverse Fahrmodi mit deutlicher Spreizung, Fahrwerk sehr stark justierbar
+ Starker, aufbauender Schub
+ Niedriger Verbrauch
+ Sportliches Handling
+ Hoher Fahrkomfort, sehr niedriger Geräuschpegel
+ Autopilot funktioniert extrem zuverlässig
+ Sehr attraktiver Preis

– Blinker auf dem Lenkrad
– Keine Reset-Funktion für den Abstandstempomat
– Keine 360-Grad-Kamerafunktion
– Kleinere Qualitätsmängel im Innenraum

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellTesla Model X Long Range
Preis Basismodell / Testwagen 87 990 CHF / 97 880 CHF
AntriebElektrisch, Allradantrieb
Akkukapazität 100 kWh (brutto) / k.A. kWh (netto)
Max. Leistung493 kW
Max. Drehmoment966 Nm
Beschleu­nigung 0–100 km/h3,9 s
Vmax250 km/h (elektronisch abgeregelt)
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz19,1 kWh/100 km / B
Test-Verbrauch / Differenz22,5 kWh/100 km / + 18%
WLTP-Reichweite576 km
Ø Test-Reichweite425 km
Max. Ladeleistung (DC)250 kW
Länge / Breite / Höhe5,06 m / 2,00 m / 1,68 m
Leergewicht2415 kg
Kofferraumvolumen1145 - 2614 l

Bilder: Koray Dollenmeier

Deine Meinung hinterlassen