Die Anfangszeit der Elektromobilität war bei VW, gelinde gesagt, durchzogen. Die elektrifizierten Modelle e-Up! sowie e-Golf hatten die üblichen Schwächen von umgemodelten Stromern und der Start mit ID.3 war puncto Software und Materialqualität katastrophal. Doch es muss in Wolfsburg ein Umdenken stattgefunden haben. Das Topmodell der ID-Familie, der ID.7 zeigt im Test nämlich als Tourer genannter Kombi, dass VW auch ein richtig gutes Elektroauto auf die Räder stellen kann. Der ID.7 pflegt den Minimalismus, wer besonders böse ist, kann dem grossen Kombi Langeweile vorwerfen – aber ist es nicht genau das, was viele Käufer suchen? Ein simples, komfortables und effizientes Elektroauto, das einfach seinen Zweck erfüllt und das dafür besonders gut?
Das Design fügt sich nahtlos in die ID-Familie ein. Das heisst, der ID.7 verfügt über eine glatte Front mit durchgehendem Lichtband und eine kurze Haube, unter der sich leider kein Frunk befindet. Die Silhouette ist glatt und verzichtet auf Sicken, wodurch der ID.7 stolz seine Länge von fast zwei Metern präsentiert. Aufgrund des Akkus im Unterboden ist er auch etwas höher gebaut, wodurch der Kombi ziemlich wuchtig wirkt. Ein dezentes Designmerkmal ist die mattsilber abgesetzte D-Säule. Ebenfalls auffällig ist, dass mit eingeschaltetem Abblendlicht vorne sowie hinten ein durchgehendes Lichtband inklusive beleuchtetem VW-Logo erstrahlt.

Minimalistisches Interieur
Ob sich VW beim Innenraumdesign von Tesla inspirieren liess? Kaum ein anderes Modell aus Wolfsburg ist nämlich so leer wie der ID.7. Der 12,9 Zoll grosse Touchscreen samt Sprachsteuerung mittels ChatGPT-Anbindung dominiert die gesamte Bedienung, der einzige Knopf ist der Pannenblinker. Selbst die Verstellung der Lüftungsdüsen muss über den Touchscreen angepasst werden. Das System läuft sehr flüssig und stabil, dennoch predige ich hier einmal mehr, dass Knöpfe eine Klimasteuerung einfacher gestalten – von der Verstellung der Lüftungsdüsen ganz zu schweigen. Typisch VW ID ist ausserdem das winzige Cockpit-Display, welches die relevantesten Anzeigen einblendet, mehr aber auch nicht. Sehr zu empfehlen ist das HUD, welches mittels Augmented Reality die Abbiegehinweise des Navigationssystems in die Scheibe projiziert.

Extrem punkten kann der Elektro-Kombi bei den Platzverhältnissen. Auf allen Plätzen sitzt es sich sehr luftig und hinten können selbst sehr grosse Personen ihre Beine gut ausstrecken. Die vorderen Sitze sind besonders vorzüglich. Sie vereinen hohen Komfort mit gutem Seitenhalt, sind vielfach verstellbar und verfügen über verschiedenste Massageprogramme, die auch in einer höheren Klasse für Erstaunen sorgen würden. Ebenfalls positiv hervorheben möchte ich die perfekte Ergonomie – bei E-Autos, die keine SUVs sind, aufgrund des Akkus im Boden leider keine Selbstverständlichkeit mehr. VW hat aber ganze Arbeit geleistet. Der Kofferraum – immerhin die Domäne eines Kombis, glänzt ebenfalls mit Variabilität, doppeltem Boden, Haken und einer kubischen Ladefläche.

Exzellenter Komfort
Wie nicht anders zu erwarten, ist der Komfort des Elektro-Flaggschiffs von VW auf sehr hohem Niveau. Bei diesem Kombi stimmt einfach das Gesamtpaket: Die Federung ist weich und sehr satt; sie gibt einem ein Gefühl von Erhabenheit. Der Innenraumgeräuschpegel ist sehr tief und zwar ohne Noise Cancelling oder andere Tricks. Ausserdem stimmen noch andere Qualität, die Sitze zum Beispiel. Sie sind ein echter Langstrecken-Traum und massieren vorzüglich. Ebenfalls vorzüglich funktionieren die Assistenzsysteme. Selbst die potenzial ganz mühsamen wie Lane Assist und ISA arbeiten im ID.7 dezent und mit einer Toleranz-Schwelle die gut aushaltbar ist. Die übrigen Systeme haben sich im Test als sehr zuverlässig erwiesen, ohne Fehlalarme und toller Hilfestellung.

Sport mit Geheimtrick
Man kann es ahnen, dass der sportliche Ritt nicht die Hauptdomäne des Basis ID.7 ist. Dafür gibt es noch den Allradler GTX, doch ich wage zu behaupten, dass auch die Topvariante jetzt nicht ein Ausbund an Sportsgeist ist. Aber zurück zum Testwagen. 200 kW auf 2,2 Tonnen sind in der heutigen Zeit fast schon mager, doch das üppige Drehmoment von 549 Nm hilft, dass die Fuhre dennoch bis 100 km/h anständig vorwärtskommt, darüber wird es gemächlicher, aber das passt ohnehin bestens zum Auto. Das Ansprechverhalten im Sport-Modus ist zwar für Kombi-Verhältnisse ungewohnt bissig, aber besonders viel Schub wird dann halt nicht generiert.

Kurvenräubern geht im grossen und schweren Kombi auch nur bedingt gut. Das adaptive Fahrwerk ist auch in den gröbsten Einstellungen halt immer noch eher mittelmässig als straff, was für ordentliches Schwanken in Kurven sorgt. Damit trotz Heckantrieb auch nichts passieren kann, greift das ESP sehr bestimmend und vorsorglich ein. Was man aber machen kann, ist, das ESP in den Sport-Modus zu versetzen. Dann kann man im ID.7 tatsächlich einen Hauch Fahrfreude verspüren, wenn man das Heck beim forschen Herausbeschleunigen leicht zuckt und einem spüren lässt, dass man einen riesigen Hecktriebler fährt. Natürlich wird ein GTX mehr Grip aufbringen können, aber diesen Move wird der Allradler mit seiner 50:50 Kraftverteilung auch mit reduziertem ESP nicht generieren können. Aber ohnehin ist die Sportlichkeit in diesem gemütlichen E-Cruiser völlig zweitrangig.

Langweilig? Vielleicht. Gut? Ja!
Der VW ID.7 ist kein mitreissendes Auto und catcht auch nicht mit verrückten Features, wie es manch andere elektrische Vertreter versuchen. Trotzdem – oder vielleicht auch deswegen? – muss man Wolfsburg attestieren, dass sie ein gutes, vernünftiges und vor allem solides Elektroauto gebaut haben, das auch beim wesentlichen punktet, nämlich beim Verbrauch. Der sehr optimistische WLTP-Wert von 15,4 kWh/100 km wurde im Test zwar deutlich verfehlt, aber auch 20,0 kWh/100 km können sich angesichts des hohen Autobahnanteils sehen lassen. Mit der Sommerbereifung dürfte da noch deutlich weniger möglich sein, sodass sich die Test-Reichweite von rund 400 Kilometer auch auf über 450 steigern lässt.

Zu guter Letzt noch das Thema Preis, bei deutschen Herstellern oftmals ein Kriterium, das nicht zu ihren Gunsten ausfällt. Doch beim ID.7 ist der Preis erstaunlich fair. Knapp 71’000 Franken für das Modell, wie hier abgebildet, ruft VW aus. Das ist natürlich kein Schnäppchen, aber im Verhältnis zur Grösse und Qualität des Autos ein sehr akzeptabler Preis. Wer einen VW Passat mit stärkster und somit vergleichbarer Motorisierung wie den ID.7 ähnlich gut ausstattet, zahlt sogar noch mehr. Nicht zu vergessen, dass elektrische Kombis aufgrund des SUV-(Coupé)-Wahns nach wie vor Mangelware sind. Gut möglich also, dass VW mit seinem Wagen und dem Preis einen Nerv trifft.

Alltag 
Perfekte Ergonomie, massig Platz, gute Übersicht und ein sensationeller Wendekreis: Alles Tugendenden, die im Alltag geschätzt werden. Vorbildlich ist ferner der sehr gut nutzbare Kofferraum. Einzig die Anhängelast ist mit 1000 Kilo sehr bescheiden. Ein Frunk fehlt leider.
Fahrdynamik 
Der auf Komfort ausgelegte VW ID.7 wird auch im Sport-Modus nicht zum Kurvenräuber. Besonders unsportlich ist das teigige Bremspedal. Immerhin: Etwas Leben kommt in die Bude, wenn man mit reduziertem ESP fährt.
Umwelt 
20,0 kWh/100 km auf Winterrädern mit hohem Autobahnanteil sind ein akzeptabler Wert. Die Ladeleistung ist mit 175 kW mit dem getesteten kleineren Akku ebenfalls passabel.
Ausstrahlung 
Ein grosser, aber dezenter Kombi. Er strahlt zwar keine leichtfüssige Eleganz aus, dafür ist er sehr geräumig – und dennoch ganz nett anzusehen.
Fazit 
+ Hohe Innenraumqualität
+ Extrem geräumig
+ Top Ergonomie
+ Exzellente Sitze
+ Flüssiges Infotainmentsystem mit exzellenter Sprachsteuerung
+ Toller Fahrkomfort
+ Sehr niedriger Geräuschpegel im Innenraum
+ Diverse Fahrmodi mit gut spürbarer Spreizung
+ Leicht gelockertes Heck mit ESP-Sport
+ Niedriger Verbrauch
+ Zuverlässige Assistenzsysteme
+ Fairer Preis
– Kein Frunk
– Teigiges Bremspedal
– Bedienung extrem Touch-lastig
– Kaum Anhängelast
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | VW ID.7 Tourer |
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Preis Basismodell / Testwagen | 63 500 CHF / 70 960 CHF |
Antrieb | Elektrisch, Heckantrieb |
Akkukapazität | 82 kWh (brutto) / 77 kWh (netto) |
Max. Leistung | 210 kW |
Max. Drehmoment | 545 Nm |
Beschleunigung 0–100 km/h | 6,5 s |
Vmax | 180 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz | 15,4 kWh/100 km / B |
Test-Verbrauch / Differenz | 20,0 kWh/100 km / +30% |
WLTP-Reichweite | 605 km |
Ø Test-Reichweite | 390 km |
Max. Ladeleistung (DC) | 175 kW |
Länge / Breite / Höhe | 4,96 m / 1,86 m / 1,55 m |
Leergewicht | 2288 kg |
Kofferraumvolumen | 605 - 1714 l |


















Bilder: Koray Dollenmeier