Toyota hielt sich lange zurück mit reinen Elektrofahrzeugen. Erst vor zwei Jahren präsentierte der Konzern den ersten Stromer bZ4X, Lexus hatte zuvor bereit mit dem UX einen SUV im Angebot – allerdings mit kümmerlicher Reichweite. Nun startet mit dem RZ der zweite E-SUV der noblen Marke und der scheint mit mehr Überzeugung entwickelt zu sein. Doch als Spätzünder hat man es meistens schwer und so tut sich auch der Lexus RZ schwer. Der Japaner ist weder schlecht noch überragend und droht somit, von der breiten Masse einfach weggeschwemmt zu werden.
Selbst das Design als SUV-Coupé ist mittlerweile bei weitem keine selbstbewusste Ansage mehr, sondern eine ganze Wagenklasse, die von vielen besetzt wird. Immerhin haben die Japaner das Design gut umgesetzt. Der selbstbewusste Diabolo-Kühlergrill wurde als Designmerkmal auch ohne Kühleröffnung beim RZ übernommen, genauso wie die scharf gezeichneten Tagfahrlichter. Die Proportionen sind dynamisch-sportlich, nichts deutet abgesehen von der relativ glatten Front auf Elektroantrieb hin, die Haube ist ebenfalls lang wie bei einem Verbrenner. Einen kecken Abschluss bildet der Dachkantenspoiler mit seinem markanten Design.

Hohe Qualität, viel Platz
Bezüglich der Innenraumqualität darf man sich im RZ auf die Fähigkeiten der Japaner verlassen. Das Interieur ist fein mit Velours und sorgfältig verarbeiteten Kunststoffen ausgekleidet. Hübsche Zierelemente sucht man vergebens, dafür ist die Ambientebeleuchtung im Dunkeln ein Hingucker. Wer optisch mehr will als der innen Schwarz in Schwarz gehaltene Testwagen, kann das Interieur auch in Braun oder Blau ordern, was dann deutlich mehr nach Extravaganz ausschaut. Ein nettes Goodie hat der Lexus im Winter vorzuweisen: Gekoppelt an die Sitzheizung auf den vorderen Plätzen ist eine Infrarotheizung unter dem Armaturenbrett, welche die Beine wie eine warme Decke wärmt! Als Zugeständnis fehlt dafür das Handschuhfach.

Cool ist ferner das Panoramadach, welches auf Knopfdruck zu Milchglas wird und die Sonne effektiv abschirmt. Mühsam ist aber, dass das Dach nach jedem Motorstart im Milchglas-Modus ist und sich den letzten Status nicht merkt. Ebenfalls mühsam ist, dass man im fein gegliederten Infotainmentsystem den Spurhalteassistent, ISA und den Aufmerksamkeits-Assistent nach jedem Motorstart ausschalten muss, will man eine gemütliche Fahrt vor sich haben. Das System an und für sich gefällt mit flüssiger Bedienung, verständlicher Sprachsteuerung, grossem Screen und gut brauchbarer Ladeplanung.

Seine Grösse kann das SUV auf gute Platzverhältnisse ummünzen. Alle Insassen kommen in den Genuss von viel Platz und einem luftigen Raumgefühl. Auch der Kofferraum ist sehr üppig und gut nutzbar, einzig bei sehr sperrigem Zeug kommt irgendwann die schräge Heckklappe in die Quere, aber das ist halt bei allen SUV-Coupés der Fall. Einen Frunk gibt es im RZ nicht, dafür verfügt der Kofferraum über einen doppelten Boden, um allfälliges Ladeequipment mitzuführen.

Komfort? Keine Frage!
Obwohl der RZ auf ein sehr dynamisches Erscheinungsbild setzt, ist der Fahrkomfort die grösste Stärke des E-SUVs. Typischer geschmeidiger, aber kraftvoller Elektro-Antritt, ein angenehm ausgewogenes Fahrwerk und vor allem ein sehr niedriges Geräuschniveau sprechen für den Japaner. Die Rekuperation kann praktischerweise mittels Schaltwippen justiert werden, oder aber erfolgt radargesteuert automatisch. Reine One-Pedal-Driving ist leider aber nicht verfügbar.

Obwohl der Japaner sehr gemütlich und geräumig ist, ist er leider nicht der Langstreckenläufer. Aufgrund der relativ kleinen Batterie von 71 kWh läuft der RZ trotz recht sparsamem Stromverbrauch von 19,3 kWh/100 km nur rund 300 Kilometer weit. Immerhin berechnet der Japaner die Reichweite sehr akkurat und verspricht einem im Cockpit nicht das Blaue vom Himmel. Nachgeladen wird ebenfalls mit ordentlichen 150 kW am Schnelllader.

Fahrdynamik? Jein…
Puncto Handling verspricht das expressive Aussendesign gar nicht mal zu viel. Im Sport-Modus ist das Fahrwerk stramm und die Lenkung direkt. Der grösste Pluspunkt ist das Torque Vectoring System, welches Lexus Direct4 nennt. Die Kraftverteilung des Allradsystems erfolgt nicht nur zwischen den Achsen, sondern auch an der Achse pro Rad. Das sorgt dafür, dass das SUV in die Kurve gedrückt wird. Auch die aufgezogenen Reifen sind eher auf der sportlichen Seite, sodass das Handling des RZ sportlicher als bei den Hybrid-Modellen von Lexus ist.

Das «Problem» ist, dass der RZ mit seinen 230 kW und seinem üppigen Gewicht schlussendlich halt nicht besonders üppig motorisiert ist. Für zügiges Fahren und Überholmanöver mehr als ausreichend, aber von einem Fahrdynamiker zu sprechen, scheint mir doch etwas zu hoch gegriffen. Etwas mehr Leistung und auch eine etwas grössere Batterie würden den RZ bestimmt attraktiver erscheinen lassen – letzteres für die allermeisten potenziellen Klienten, der Wunsch nach mehr Leistung könnte allenfalls in einer F Sport Variante gipfeln.

Spätzünder
Obwohl der RZ ein überzeugendes Auto ist, fehlt es ihm angesichts der Fülle an Konkurrenten (die in naher Zukunft ausserdem zusätzlich aus China kommen) an einem USP. Klar, das Design spricht eine deutliche Sprache, aber eine Infrarotheizung ist dann halt doch eher weniger kaufentscheidend. Das Torque Vectoring System sorgt für ein sehr angenehmes Kurvenfahren – auch bei weniger dynamischer Fahrt. Aber die richtig schlagenden Argumente fehlen dem Lexus leider. Erschwerend kommt dazu, dass die Reichweite insbesondere bei Autos dieser Grösse doch ein gewichtiges Argument ist und ausgerechnet hier hapert es beim Japaner. Preislich ist der RZ für ein SUV im Premium-Segment mit einem Preis von rund 90’000 Franken bei Vollausstattung wiederum eines von den besseren Angeboten. Aber ob das tatsächlich reicht?

Alltag 
Die Platzverhältnisse sind sowohl für die Passagiere als auch für das Gepäck ordentlich. Allerdings fehlt es dem Japaner an Anhängelast (max. 750 Kilo) und die Reichweite ist für seine Grösse und Klasse eher dürftig.
Fahrdynamik 
Die Fahrdynamik des Japaners ist überdurchschnittlich gut, da Lenkung direkt reagiert und das elektronische Torque Vectoring den Wagen regelrecht in die Kurve drückt. Allerdings ist die Motorleistung mit 230 kW angesichts des Gewichts zu bescheiden, als dass ich dem Lexus das Prädikat Sport-SUV verleihen würde.
Umwelt 
Mit einem Testverbrauch von 19,3 kWh/100 km ist der Japaner in seiner Klasse einer der sparsameren Vertreter.
Ausstrahlung 
Das Design des RZ kann sich definitiv sehen lassen. Es wirkt sportlich-selbstbewusst, ohne protzig zu sein. Ausserdem verzichtet Lexus auf ein zu stromlinienförmiges Design, sodass das SUV nicht wie ein glatt gelutschtes Magnum-Glace dasteht.
Fazit 
+ Sportliches, schickes Design
+ Üppige Platzverhältnisse
+ Haptik und Verarbeitungsqualität überdurchschnittlich
+ Infrarotheizung
+ Einfach zu bedienendes Infotainmentsystem, gute Sprachsteuerung, intelligente Routenplanung
+ Sehr geringes Geräuschniveau
+ Effektives Torque-Vectoring in Kurven
+ Direkte Lenkung
+ Rekuperation via Paddles einstellbar
+ Zuverlässige Assistenzsysteme
– Knappe Reichweite
– Kein One-Pedal-Driving
– Fummelige Lenkradbedienung
– Penetrantes Gepiepse innen im Rückwärtsgang
– Kaum Anhängelast
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Lexus RZ 450e |
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Preis Basismodell / Testwagen | 69 900 CHF / 90 650 CHF |
Antrieb | Elektrisch, Allradantrieb |
Akkukapazität | 71,4 kWh (brutto) / k.A. kWh (netto) |
Max. Leistung | 230 kW |
Max. Drehmoment | 435 Nm |
Beschleunigung 0–100 km/h | 5,3 s |
Vmax | 160 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz | 18,3 kWh/100 km / A |
Test-Verbrauch / Differenz | 19,3 kWh/100 km / + 5% |
WLTP-Reichweite | 404 km |
Ø Test-Reichweite | 300 km |
Max. Ladeleistung (DC) | 150 kW |
Länge / Breite / Höhe | 4,91 m / 1,90 m / 1,64 m |
Leergewicht | 2183 kg |
Kofferraumvolumen | 522 - 1515 l |



























Der Artikel bringt es wirklich gut auf den Punkt: Der Lexus RZ ist ein solides Auto, aber die Konkurrenz schläft nicht. Was ihm wirklich fehlt, ist ein starkes Alleinstellungsmerkmal, das so überzeugend ist, dass es ihn von anderen abhebt. Besonders die Reichweite ist für mich ein enttäuschender Aspekt. Ich arbeite in einem großen Logistikunternehmen und weiß aus Erfahrung, wie entscheidend die Reichweite sein kann. Wir haben in unserer Arbeit mit Radlastwaagen und optimaler Beladung schon einiges herausgeholt. ich sehe immer wieder, wie weit andere Hersteller in diesem Bereich sind.
Ich hatte die Gelegenheit, das Auto bei einer Probefahrt zu testen und muss sagen, dass das Fahrzeug sehr angenehm zu fahren ist. Auch preislich finde ich es durchaus attraktiv, aber es bleibt abzuwarten, wie es sich auf dem Markt behaupten wird.